Spruch:
Nach § 1 der Verordnung über den Kündigungsschutz von Kleingärten gelten auch Pachtverträge, die zwar auf bestimmte Zeit geschlossen wurden, aber nicht durch bloßen Zeitablauf ohne Kündigung enden, als auf unbestimmte Zeit verlängert. § 20 KleingartenG. ermöglicht nicht die Auflösung solcher Verträge wegen Zeitablaufes.
Entscheidung vom 24. Mai 1961, 1 Ob 224/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Hietzing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der beklagten Partei wurde mit Pachtvertrag vom 14. April 1940 die den Klägern gehörige Liegenschaft zum Zweck der Weiterverpachtung an Kleingärtner verpachtet. Das Pachtverhältnis wurde auf die Dauer von drei Jahren geschlossen, begann mit 1. Jänner 1940 und sollte sich jeweils um weitere drei Jahre verlängern, wenn es nicht sechs Monate vor Ablauf der Pachtzeit aufgekundigt würde. Die Kläger kundigten den Pachtvertrag für 31. Dezember 1960 wegen Zeitablaufes und der Absicht, auf der Liegenschaft ein Haus zu errichten, auf.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für wirksam. Es vertrat die Ansicht, durch § 22 KleingartenG. sei die V. vom 15. Dezember 1944, DRGBl. I S. 347, wonach durch Zeitablauf endende Pachtverträge als auf unbestimmte Zeit verlängert gelten, aufgehoben worden. Es gelten daher hinsichtlich der Pachtdauer die vertraglichen Bestimmungen, und die Kündigung wegen Zeitablaufes sei zulässig. Das Erstgericht ging daher auf den weiteren geltend gemachten Kündigungsgrund nicht ein.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus, die Bestimmungen der Verordnung vom 15. Dezember 1944 seien auf den Vertrag nicht, anwendbar, weil es sich um einen Vertrag auf bestimmte Dauer handle, der durch Kündigung zur Auflösung gebracht werden müsse, die genannte Verordnung aber solche Verträge im Auge habe, die von selbst durch Zeitablauf enden. Der Vertrag sei daher nicht auf unbestimmte Zeit verlängert worden, woran auch durch das Kleingartengesetz nichts geändert worden sei, weil nach dessen § 20 Abs. 2 bereits bestehende Pachtverträge durch die Bestimmungen der §§ 2 und 3 nicht berührt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
§ 569 ZPO. kommt hier schon deshalb nicht zur Anwendung, weil es sich nicht um einen Pachtvertrag handelt, der durch Ablauf der Zeit ohne Kündigung von selbst endet.
Der Ansicht der Untergerichte, auf den vorliegenden Pachtvertrag seien schon seinerzeit nicht die Bestimmungen des § 1 der Verordnung über Kündigungsschutz vom 15. Dezember 1944, DRGBl. I S. 347, anzuwenden gewesen, kann nicht beigestimmt werden. Der Zweck dieser Verordnung bestand darin, den Pächtern der Kleingärten die Grundstücke zu erhalten. Daher wurde bestimmt, daß Pachtverträge, die ohne Kündigung durch bloßen Zeitablauf enden, als auf unbestimmte Zeit verlängert gelten, also ebenfalls nur durch Kündigung aufgelöst werden können; die Kündigungsgrunde wurden auf ein Mindestmaß eingeschränkt. Pachtverträge, die nicht von selbst, also ohne Kündigung durch den bloßen Ablauf der Zeit, enden, die vielmehr vor Ablauf der Zeit aufgekundigt werden müssen, mußten nicht eigens erwähnt werden, wie sie auch im § 23 MietG. nicht genannt werden. Denn alle Bestandverträge, zu deren Auflösung eine Kündigung notwendig ist, konnten nur noch aus den im Gesetz genannten Gründen aufgelöst werden, wozu Zeitablauf nicht gehört. Solche Bestandverträge werden wie Bestandverträge auf unbestimmte Zeit behandelt, und zwar nicht nur im deutschen Recht (Soergel, BGB., 8. Aufl. II S. 173 f.), sondern auch im österreichischen Recht. Klang 2. Aufl. V 101 f. unterscheidet zwischen Bestandverträgen mit bedingtem und solchen mit unbedingtem Endtermin und versteht unter den ersteren solche, die trotz Bestimmung eines Endtermines zur Beendigung einer Kündigung bedürfen, während die anderen ohne Kündigung von selbst enden. Wenn das Gesetz von Pachtverträgen spricht, die durch Zeitablauf enden, meint es daher nur solche mit unbedingtem Endtermin. Diese gelten gemäß § 1 Abs. 1 der zitierten Verordnung als auf unbestimmte Zeit verlängert, um ebenfalls nur aus den angeführten Gründen gekundigt werden zu können. Bei den Verträgen mit bedingtem Endtermin war eine solche Bestimmung nicht notwendig, weil sie ohnehin nur durch Kündigung enden können und eine Kündigung außer aus den im Abs. 2 des § 1 der Verordnung genannten Gründen nicht erfolgen durfte.
Entscheidend ist also die Frage, ob derzeit eine Kündigung wegen Zeitablaufes möglich ist, ob also durch die Außerkraftsetzung der Verordnung vom 15. Dezember 1944 die vertraglichen Bestimmungen, die eine solche Kündigung zulassen, wieder in Wirksamkeit getreten sind. Diese Frage ist zu verneinen. Denn auch das Kleingartengesetz vom 16. Dezember 1958, das die genannte Verordnung abgelöst und außer Kraft gesetzt hat, unterscheidet nur zwischen Pachtverträgen auf bestimmte Zeit (§ 2), worunter wie in § 23 MietG. die oben genannten Verträge mit unbedingtem Endtermin zu verstehen sind, und solchen auf unbestimmte Zeit. Letztere können nur aus den im § 6 Abs. 2 des Gesetzes angeführten Gründen aufgekundigt werden, zu denen der Ablauf der Zeit nicht gehört. Der vorliegende Pachtvertrag kann daher auch nach dem jetzt geltenden Recht nicht wegen Ablaufes der Zeit aufgekundigt werden. Wenn im § 20 KleingartenG. u. a. bestimmt wird, daß bereits bestehende Pachtverträge durch die Bestimmungen der §§ 2 und 3 nicht berührt werden - wobei im vorliegenden Fall nur der § 2 interessiert -, so betrifft das nur Pachtverträge mit unbedingtem Endtermin, die nicht als auf unbestimmte Zeit verlängert gelten, betrifft also nicht den vorliegenden Fall.
Die Untergerichte haben daher zu Unrecht den Kündigungsgrund des Ablaufes der Zeit für zulässig erachtet. Da sie sich mit dem weiteren, auf § 6 Abs. 2 KleingartenG. gestützten Kündigungsgrund nicht befaßt haben, mußte wie im Spruch entschieden werden.
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