Spruch:
Der zum Verwalter einer gemeinschaftlichen Sache Bestellte bleibt Verwalter bis zu seiner Enthebung. Die Enthebung ist nach den Grundsätzen über die Verwalterbestellung vorzunehmen. Die Bestellung des Verwalters wirkt auch für den Einzelnachfolger eines Teilhabers der gemeinschaftlichen Sache.
Entscheidung vom 21. April 1961, 2 Ob 162/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 3. Oktober 1958 wurde Otto S. gemäß § 836 ABGB. zum Verwalter für das Haus Wien 1., A.-Straße 26, mit dem Auftrage bestellt, die Agenden als Verwalter dieses Hauses mit Rechtskraft des Beschlusses (22. Oktober 1958) zu übernehmen. Der Genannte kundigt nun namens der beiden Hausmiteigentümer dem Beklagten für den 30. Juni 1960 die im bezeichneten Hause gemietete Wohnung Nr. 7 samt Zubehör aus den Kündigungsgrunden nach § 19 Abs. 2 Z. 13 und Z. 10 (1. Fall) MietG. auf. Dar Beklagte hat in den Einwendungen den "Mangel der Aktivlegitimation bzw. der Vertretungsberechtigung" geltend gemacht, weil die Hausmiteigentümerin B.-GesmbH. (Zweitklägerin) mit der Kündigung nicht einverstanden sei; da es sich um eine Maßnahme von besonderer Wichtigkeit handle, reiche die Ermächtigung des gemeinsamen Verwalters zur Kündigung nicht aus. Der Beklagte sei zwar Mieter der aufgekundigten Wohnung, habe diese jedoch der Zweitklägerin überlassen; die Weigerung des Erstklägers, dieser Wohnungsüberlassung zuzustimmen, sei nicht gerechtfertigt. Die Frist des § 19 Abs. 4 MietG. sei versäumt. Das Mietobjekt werde regelmäßig benützt. Es werde ein Verfahren zur Benützungsregelung zwischen den Miteigentümern anhängig gemacht werden; vorher könne nicht der Erstkläger im Wege des gemeinsamen Verwalters seinen Anspruch durchzusetzen versuchen; darin läge eine Schikane. In der Streitverhandlung hat der Beklagte seine Einwendungen dahin ergänzt, daß Otto S. nicht für die Zweitklägerin zum Verwalter des Hauses bestellt worden sei.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Begehren, den Beklagten zur Übergabe der aufgekundigten Wohnung an die klagenden Parteien zu verurteilen, ab. Das Haus stehe je zur Hälfte im Eigentum der beiden Kläger. Rechtsvorgänger der Zweitklägerin seien Dora F. und Suse F. gewesen. Noch vor dem Rechtsübergang sei Otto S. zum gemeinsamen Verwalter der Liegenschaft bestellt worden. Nach Erwerb der Anteile F. habe die Zweitklägerin wohl versucht, die Hausverwaltungsagenden in die Hand zu bekommen, sich jedoch mit dem status quo abgefunden, als der Erstkläger dem nicht zugestimmt habe. Eine gerichtliche Bestätigung der Bestellung des Verwalters unter den geänderten Eigentumsverhältnissen sei nicht erfolgt. Die Kündigung sei aus formellen Gründen verfehlt. Sie stelle eine außerordentliche Verwaltungshandlung dar; gegen den ausdrücklichen Willen der Zweitklägerin als Hälfteeigentümerin könne die Aufkündigung nicht durchgesetzt werden, zumal es sich um eine Frage der Benützungsregelung zwischen Hauseigentümern handle; derartige Fragen könnten vom gemeinsamen Hausverwalter nicht geregelt werden. Abgesehen davon, hätten sich die klagenden Parteien gemäß § 19 Abs. 4 MietG. verschwiegen.
Der Berufung der klagenden Parteien in der Hauptsache gab das Berufungsgericht nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Die Kündigung eines Mietvertrages sei eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, so daß dazu die Mehrheit der Eigentümer berechtigt sei. Daran ändere sich nichts, wenn die Verwaltung der Liegenschaft durch eine gerichtlich bestellte Person besorgt werde. Dem Erstkläger bzw. dem bestellten Verwalter wäre es schon vor Einbringung der Aufkündigung oblegen, eine gerichtliche Entscheidung darüber herbeizuführen, ob er zur Aufkündigung dieses Mietverhältnisses berechtigt sei. Mangels einer derartigen Entscheidung und bei dem Umstande, daß die Zweitklägerin als Hälfteeigentümerin dieser Aufkündigung widerspreche, habe das Erstgericht die Aufkündigung im Ergebnis mit Recht als unwirksam aufgehöben. Es erübrige sich eine Erörterung der geltend gemachten Kündigungsgrunde sowie der Ausführungen der Berufung zum Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung.
Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Streitsache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rechtsrüge kann im Sinne der folgenden Ausführungen die Berechtigung nicht abgesprochen werden. Der gemäß § 836 ABGB. bestellte Verwalter der gemeinschaftlichen Sache ist nach der Regelung des § 837 erster Satz ABGB. als ein Machthaber anzusehen, was nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. Klang 2. Aufl. III 1118 f.; SZ. XI 253, MietSlg. 5513) bedeutet, daß der Verwalter gegenüber dritten Personen als Vertreter sämtlicher Teilhaber gilt und der Aufkündigung dieses Verwalters gegenüber einem Mieter im gemeinschaftlichen Hause - diese Aufkündigung hat das Berufungsgericht mit Recht als eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung angesehen (vgl. Klang; Kündigung des Bestandverhältnisses bei Miteigentum auf seiten des Bestandgebers, JBl. 1949 S. 380) - Rechtswirksamkeit ohne Rücksicht darauf zukommt, ob alle Miteigentümer dieser Rechtshandlung zustimmen. Zutreffend verweist die Revision auf den Umstand, daß die Zweitklägerin bloß zu 50% Teilhaberin der gemeinschaftlichen Sache ist, so daß ihre Stellungnahme gegenüber der Aufkündigung des Verwalters keineswegs als Weisung der Mehrheit der Miteigentümer beachtlich ist; der Zweck der Bestellung des Verwalters ist doch, eine sachgemäße Verwaltung trotz der Uneinigkeit der Teilhaber zu ermöglichen, und dieser Zweck läßt sich durch den Widerspruch eines nicht die Mehrheit darstellenden Teils der Miteigentümer nicht vereiteln (vgl. insbesondere die oben bezogene Entscheidung MietSlg. 5513). Der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß bei Uneinigkeit der beiden Miteigentümer zu je 50% der Verwalter eine gerichtliche Entscheidung darüber, ob er zur Aufkündigung des Bestandvertrages mit dem Beklagten berechtigt sei, hätte herbeiführen müssen, und daß die Aufkündigung mangels einer derartigen Entscheidung und bei dem Widerspruch der Zweitklägerin als Hälfteeigentümerin aufzuheben sei, kann daher nicht beigepflichtet werden. Der vom Berufungsgericht gebrauchte Abweisungsgrund ist nicht gegeben. Der Hinweis des Revisionsgegners, daß eine Frage der Benützungsregelung zwischen den Miteigentümern vorliege, ist unzutreffend; in dieser Kündigungsstreitigkeit steht doch lediglich der Beklagte als aufgekundigter Mieter dem Verwalter des gemeinschaftlichen Hauses, der namens sämtlicher Teilhaber auf der Seite der Bestandgeber mit Kündigung vorgegangen ist, gegenüber; die Beziehungen der Hausmiteigentümer untereinander sind davon zu unterscheiden, wie bereits das Berufungsgericht in Ablehnung der damit im Widerspruch stehenden Auffassung der ersten Instanz hervorgehoben hat. Zufolge der Ausführungen des Revisionsgegners muß aber noch erörtert werden, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß erst nach der Verwalterbestellung vom 3. Oktober 1958 die Zweitkläger das Eigentum an der Hälfte des Hauses erworben hat. Unter diesem Gesichtspunkt hat ja der Beklagte, wie oben dargestellt, in der Streitverhandlung die Einwendungen ergänzt, welches Vorbringen nicht als präkludiert anzusehen ist, weil in den Einwendungen ganz allgemein der Mängel der Vertretungsberechtigung des Hausverwalters geltend gemacht worden ist. Wenn aber der Revisionsgegner darauf verweist, daß die Bestellung des Verwalters nicht für die Zweitklägerin erfolgt sei und die gerichtliche Bestellung eines Verwalters den Rechtsnachfolger im Miteigentum nicht binde, dann setzt er sich mit den Ausführungen des Erstgerichtes in Widerspruch, daß sich die Zweitklägerin mit dem status quo abgefunden habe, als sich der Erstkläger weigerte, der Übernahme der Hausverwaltungsagenden durch die Zweitklägerin zuzustimmen. Die bezeichnete Ansicht des Revisionsgegners steht aber auch mit Lehre und Rechtsprechung nicht im Einklang. Die Wirkung der Verwalterbestellung auf den Einzelnachfolger eines Teilhabers der gemeinschaftlichen Sache ist schon in der Entscheidung ZBl. 1935 Nr. 386 anerkannt worden, und es besteht kein Anlaß, im vorliegenden Fall von dieser Praxis abzugehen, zumal sie in der Lehre (vgl. Klang a. a. O. 1117 Anm. 7) gebilligt worden ist. Wer zum Verwalter einer gemeinschaftlichen Sache nach § 836 ABGB. bestellt worden ist, bleibt Verwalter bis zu seiner Enthebung, die nach den Grundsätzen über die Verwalterbestellung vorzunehmen ist (vgl. Klang a. a. O. 1118); auch diesbezüglich müßte berücksichtigt werden, daß keiner der Miteigentümer über mehr als die Hälfte der Anteile der Liegenschaft verfügt. Die Enthebung des Verwalters hat der Beklagte aber selbst nicht behauptet.
Der vom Berufungsgericht gebrauchte Abweisungsgrund trifft also unter keinem Gesichtspunkt zu, vielmehr muß die Berechtigung des gerichtlich bestellten Verwalters zur Aufkündigung des Bestandverhältnisses mit dem Beklagten namens der Miteigentümer der Liegenschaft im Sinne des Revisionsvorbringens bejaht werden. Bei diesen Umständen muß sich das Berufungsgericht mit den noch offenen Fragen laut dem Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren auseinandersetzen.
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