Spruch:
Keine Anfechtung eines zugunsten der Kinder in Erfüllung einer sittlichen Pflicht abgegebenen Erbverzichtes.
Entscheidung vom 13. April 1961, 2 Ob 69/61.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Der Kläger hat behauptet, daß ihm gegen die Eheleute Florian und Elfriede K. eine Forderung von 35.000 S aus einer Kreditgewährung zustehe und daß diese Eheleute mit Versäumnisurteil des Kreisgerichtes Wels vom 29. Juni 1959 zur Zahlung von 15.000 S aus diesem Titel verurteilt worden seien. Auch der weitere Betrag hafte trotz Fälligkeit noch ganz aus. Eine Exekutionsführung würde nicht zur Befriedigung führen.
Florian K. sei nach seinem am 8. Jänner 1959 verstorbenen Vater erbberechtigt. Er habe in der offenkundigen Absicht, die Befriedigung seiner gläubiger zu vereiteln, am 14. Jänner 1959 einen Erbverzicht zugunsten der drei Beklagten erklärt, von denen die Erst- und Zweitbeklagten seine ehelichen Kinder sind, während die Drittbeklagte sein außereheliches Kind ist. Die Drittbeklagte sei von seiner geschiedenen Ehefrau geboren worden. Durch den Erbverzicht sei der auf Florian K. aus dem gesamten Nachlaß von 64.000 S entfallende Erbteil auf die drei Beklagten mit je 5000 S entfallen. Den Beklagten sei bekannt gewesen, daß der Kläger zufolge des Erbverzichtes ihres Vaters nicht in der Lage sei, seine Ansprüche gegen diesen mit Erfolg geltend zu machen.
Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von je 5000 S s. A.
Die Beklagten bestritten, daß der Erbverzicht ihres Vaters in der offenkundigen Absicht erfolgt sei, die Befriedigung seiner Gläubiger zu vereiteln, sowie daß sie davon Kenntnis hatten. Florian K. sei ihnen gegenüber zur Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen; er habe für sie seit Jahren keinen Unterhalt geleistet und sei auch hiezu wegen seiner Krankheit und der damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen. Er habe den Erbverzicht zu ihren Gunsten abgegeben, um damit ihren Unterhalt sicherzustellen. Er habe in Erfüllung einer gesetzlichen und einer sittlichen Pflicht gehandelt. Der Erbverzicht sei gemäß § 3 Z. 1 AnfO. nicht anfechtbar.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß die Ehe des Florian K. mit Elfriede K. am 30. August 1956 rechtskräftig aus dem Verschulden des Erstgenannten geschieden worden sei. Florian K. habe bereits vor der Scheidung der Ehe und auch nachher weder für seine ehelichen Kinder noch für sein außereheliches Kind gesorgt. Er habe weder Lohneinkünfte noch ein sonstiges Einkommen gehabt. Infolge seiner beschränkten Arbeitsfähigkeit sei es ihm nicht möglich gewesen, eine ausreichend bezahlte Beschäftigung zu erhalten. Den drei Beklagten sei auf Grund des Erbverzichtes je ein Betrag von 6463 S 62 g zugekommen. Rechtlich sei davon auszugehen, daß im Zeitpunkt des Erbverzichtes wesentliche Unterhaltsrückstände bezüglich der drei Beklagten bestanden hätten. Florian K. habe daher in Erfüllung seiner gesetzlichen Sorgepflicht den Erbverzicht abgegeben. Das den Kindern zugekommene Vermögen halte sich auch im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es wertete den Erbverzicht als eine unentgeltliche Verfügung im Sinne des § 3 Z. 1 AnfO. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß Florian K. gegenüber den Beklagten unterhaltspflichtig sei. Die Unterhaltsberechtigten hätten aber nur Anspruch auf Vorauszahlung ihres Unterhaltes für einen Monat. Soweit durch den Erbverzicht der zukünftige Unterhalt sichergestellt werden sollte, könne dies, soweit es über einen Monat hinausgehe, nicht in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht geschehen sein. Diese Beträge fielen aber wegen ihrer Geringfügigkeit nicht ins Gewicht.
Für die Vergangenheit sei der Unterhaltsanspruch der Erst- und Zweitbeklagten einerseits und der Drittbeklagten andererseits verschieden zu beurteilen. Für die Drittbeklagte sei schon vor dem Erbverzicht ein gerichtlicher Beschluß über den von Florian K. zu leistenden Unterhalt vorhanden gewesen. Für die ehelichen Kinder sei eine solche Verpflichtung erst am 1. Juni 1959 gerichtlich festgestellt worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Erbverzicht bereits erklärt worden war.
Bei der Drittbeklagten könne der Unterhaltsrückstand am Tage des Erbverzichtes höchstens 1500 S, nämlich 150 S für zehn Monate, betragen haben. Jedem Kind sei ein Erbteil von 10.814 S 85 g, darunter 6463 S 62 g bar, zugekommen, so daß der vom Kläger bezüglich der Drittbeklagten verlangte Betrag darin Deckung finde.
Die Erst- und Zweitbeklagten hätten am 14. Jänner 1959 keine Möglichkeit gehabt, von ihrem Vater im nachhinein Unterhalt zu verlangen, da kein Titel dafür vorhanden gewesen sei. Es könnten daher bis zu diesem Zeitpunkt auch keine Unterhaltsrückstände entstanden sein. Der vom Kläger begehrte Betrag von je 5000 S finde in ihrem Erbteil Deckung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien Folge und wies das Klagebegehren ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat in der Klage behauptet, daß Florian K. den Erbverzicht zugunsten der drei Beklagten in der offenbaren Absicht, die Befriedigung seiner Gläubiger zu vereiteln, erklärt habe. Den Beklagten sei bekannt gewesen, daß K. infolge des Erbverzichtes nicht in der Lage sei, seine Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern zu erfüllen.
Mit diesen Ausführungen hat der Kläger seinen Anfechtungsanspruch eindeutig auf § 2 Z. 1 AnfO. gestützt. Diesen Rechtsgrund hat er auch im Laufe des Verfahrens nicht geändert. Die Untergerichte haben einen Nachweis in der behaupteten Richtung nicht als erbracht angesehen und nicht als erwiesen angenommen, daß Florian K. den Erbverzicht in der den Beklagten bekannten Absicht, seine Gläubiger zu schädigen, erklärt habe, noch daß im Sinne des § 2 Z. 3 AnfO. den Beklagten die Benachteiligungsabsicht des Florian K. bekannt war oder bekannt sein mußte.
Wollte man den in der Rechtsprechung vertretenen strengen Standpunkt einnehmen, daß im Falle der Geltendmachung eines bestimmten Anfechtungsgrundes das Gericht daran gebunden ist und aus eigenem nicht einen anderen Anfechtungsgrund annehmen darf (SZ. XXIII 74, JBl. 1960 S. 391), dann wäre schon aus diesem Gründe die Abweisung des Klagebegehrens gerechtfertigt.
Schließt man sich aber der Auffassung an, daß der Kläger nicht verpflichtet gewesen ist, einen bestimmten Anfechtungsgrund in der Klage anzuführen, und bei einer unentgeltlichen Verfügung des Schuldners in der dem anderen Teil bekannten Absicht, die Gläubiger zu schädigen, die Anfechtungsgrunde nach den §§ 2 und 3 AnfO. gegeben sein können (SZ. X 247; Bartsch - Pollak, KO., AO., AnfO.,
3. Aufl. II S. 547), und geht man davon aus, daß durch das Vorbringen in der Klage beide Anfechtungsgrunde gedeckt seien, dann ist das Klagebegehren aus einem anderen Gründe abzuweisen.
Den Revisionsausführungen kann allerdings insoweit nicht gefolgt werden, als damit die Auffassung des Berufungsgerichtes bekämpft wird, daß der Erbverzicht des Florian K. anfechtbar sei, weil es sich dabei nicht um die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung gehandelt habe. Das Erstgericht hat festgestellt, und das Berufungsgericht hat diese Feststellung übernommen, daß Florian K. wegen seiner beschränkten Arbeitsfähigkeit nicht in der Lage gewesen sei, den Beklagten Unterhalt zu leisten. Bis zum Zeitpunkte des Erbverzichtes am 14. Jänner 1959 ist seine Unterhaltsverpflichtung bezüglich der Erst- und Zweitbeklagten gerichtlich nicht festgestellt worden, so daß diese damals für die Vergangenheit keinen Unterhaltsanspruch hatten. Bezüglich der Drittbeklagten ist Florian K. damals verpflichtet gewesen, höchstens 1500 S an Unterhalt zu zahlen.
Mit Recht wird aber in der Revision geltend gemacht, daß Florian K. auf jeden Fall die sittliche Verpflichtung hatte, den drei beklagten Kindern Unterhalt zu leisten, so daß er den Erbverzicht in Erfüllung dieser sittlichen Pflicht erklärt hat. Dieser Umstand ist bereits in der Klagebeantwortung von den Beklagten geltend gemacht worden. Die vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen reichen aus, um die Frage beurteilen zu können, ob es sich bei dem Erbverzicht des Florian K. um eine Verfügung in angemessener Höhe gehandelt hat. Besonderer Behauptungen der Beklagten in dieser Richtung bedurfte es nicht mehr. Es kann daher auch dem Berufungsgericht darin nicht gefolgt werden, daß mangels solcher Behauptungen diese Frage überhaupt nicht zu prüfen war. Ob es sich um eine Verfügung in angemessener Höhe gehandelt hat, ist eine Rechtsfrage, die auf Grund des festgestellten Sachverhaltes gelöst werden kann. Es steht fest, daß Florian K. für seine in den Jahren 1954, 1955 und 1958 geborenen Kinder schon vor dem Jahre 1956, aber auch nachher keinen Unterhalt geleistet hat. Die Beklagten sind vielmehr von ihrer Mutter und deren Eltern und auch von der öffentlichen Fürsorge erhalten worden. Den Kindern sind auf Grund des Erbverzichtes ihres Vaters bisher je rund 6000 S bar zugekommen. Das Erbteil von rund 10.000 S ergibt sich unter Berücksichtigung der noch ausständigen Forderungen des Erblassers. Berücksichtigt man nun den Umstand, daß Florian K. seit Jahren für die Kinder keinen Unterhalt geleistet hat und nach der Sachlage auch in naher Zukunft nicht in der Lage sein wird, einen Unterhalt zu leisten, dann erscheinen die den Kindern in Erfüllung seiner sittlichen Verpflichtung durch den Erbverzicht des Florian K. zugekommenen Beträge angemessen. Eine Anfechtung dieses Erbverzichtes ist daher gemäß § 3 Z. 1 AnfO. ausgeschlossen. Es war daher das erstgerichtliche Urteil, wenn auch aus anderen rechtlichen Erwägungen, wiederherzustellen.
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