OGH 5Ob75/61

OGH5Ob75/6115.3.1961

SZ 34/37

Normen

ABGB §1480
ABGB §1480

 

Spruch:

Die jährlichen Kirchenbeiträge verjähren in drei Jahren.

Entscheidung vom 15. März 1961, 5 Ob 75/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die klagende Erzdiözese behauptet, der Beklagte schulde auf den mit rechtskräftigem Kirchensteuerbescheid festgesetzten Kirchenbeitrag für die Jahre 1953 bis 1959 den Betrag von 4079 S, den er trotz Mahnung nicht gezahlt habe. Sie begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung dieses Betrages samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1960. Zufolge Teilanerkenntnisses des Beklagten erging ein Teilanerkenntnisurteil auf Zahlung von 2843 S s. A.

Mit Endurteil wies das Erstgericht das Begehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von 2236 S s. A. ab. Hiezu führte es aus: Gemäß §§ 1 und 3 der Kirchenbeitragsordnung hebe die klagende Partei zur Deckung ihres Personal- und Sachaufwandes jährliche Kirchenbeiträge ein. Diese stellten wiederkehrende Leistungen in Sinne des § 1480 ABGB. dar und verjährten daher in drei Jahren. Diese Verjährungsfrist gelte auch gegenüber den privilegierten Personen des § 1472 ABGB. Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede sei begrundet, das restliche Klagebegehren demnach abzuweisen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Da nach dem Teilanerkenntnisurteil nur mehr ein Betrag von 1236 S s. A. streitanhängig geblieben sei, habe das Erstgericht durch Abweisung von 2236 S s. A. gegen die Bestimmung des § 405 ZPO. verstoßen.

Das erstgerichtliche Verfahren sei insofern mangelhaft geblieben, als nicht geklärt wurde, ob die klagende Partei alle Schritte, die die Kirchenbeitragsordnung der römisch-katholischen Kirche in Österreich zwecks Einbringung der Kirchenbeiträge vorsehe, schon unternommen habe, bevor der Rechtsweg beschritten wurde. Auch sei nicht geklärt worden, auf welche Jahre sich der noch streitverfangene Betrag beziehe, da nur ein globaler Betrag ohne Spezifizierung auf bestimmte Jahre anerkannt wurde. Eine abschließende rechtliche Beurteilung der Streitsache sei daher noch nicht möglich.

Das Berufungsgericht pflichtete jedoch der Rechtsansicht des Erstgerichtes bei, daß Kirchenbeiträge wie Vereinsbeiträge klagbar seien und daher zu den nach § 1480 ABGB. in drei Jahren verjährenden wiederkehrenden Leistungen gehörten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rekurswerberin versucht zunächst daraus, daß im ersten Halbsatz des § 1480 ABGB. die dreijährige Verjährung der Forderungen auf wiederkehrende Leistungen, im zweiten Halbsatz dagegen die dreißigjährige Verjährung des Rechtes selbst geregelt wird, zu folgern, daß der erste Halbsatz nur auf solche wiederkehrende Leistungen Anwendung finde, bei denen auch das zugrunde liegende Recht verjähren könne, was bei dem Recht der Kirche auf Einhebung der Kirchenbeiträge nicht zutreffe. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Es ist zu bedenken, daß die Verbindlichkeit zur Kirchenbeitragsleistung durch Zeitablauf nur deshalb nicht verlorengehen kann, weil sie die Wirkung eines fortdauernden, vom freien Willensentschluß des Verpflichteten abhängigen Zustandes, nämlich der Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche ist. Der Oberste Gerichtshof hat daher schon in der Entscheidung GlUNF. 3564 die dreijährige Verjährbarkeit von Vereinsmitgliedsbeiträgen ausgesprochen, obwohl auch bei diesen eine Verjährung des Grundrechtes durch Zeitablauf nicht in Betracht, kommt.

Auch der Rekurshinweis auf § 1472 ABGB. ist verfehlt, da die kürzeren Fristen der §§ 1480, 1487 und 1489 ABGB. auch gegen privilegierte Personen gelten (JB. 18, ferner GlU. 10.207).

Daß die katholische Kirche nach dem Konkordat eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes ist, hat für die Frage der Verjährung keine Bedeutung. Die katholische Kirche hat damit so wie andere gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaften das Recht, der Selbstverwaltung im Sinne des Art. 15 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und damit das Recht, ihre inneren Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten (Adamovich - Spanner, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts, 5. Aufl. S. 457). Im Zuge dieser Regelung ihrer inneren Angelegenheiten hat die katholische Kirche Kirchenbeitragsordnungen erlassen, auf Grund deren die Angehörigen der Kirche zur Deckung des Personal- und Sachbedarfes jährlich wiederkehrende Leistungen, nämlich die Kirchenbeiträge, zu erbringen haben. Diese stellen demnach keine öffentlichen Abgaben dar, sondern sind Leistungen aus zivilrechtlicher Verpflichtung, die im Zivilrechtsweg einzuklagen sind (Pfundtner - Neubert, Das neue Deutsche Reichsrecht, Ausgabe Österreich, I d 8; EvBl. 1960 Nr. 284, JBl. 1958 S. 449, SZ. XXV 222, ferner VerfGHSlg. NF. 3039).

Es erscheint daher trotz der Sonderstellung, die die anerkannten Religionsgesellschaften und insbesondere die katholische Kirche auf öffentlich-rechtlichem Gebiet einnehmen, gerechtfertigt, die von den Angehörigen der Religionsgesellschaften zu leistenden Beiträge ebenso wie die Beiträge von Vereinsmitgliedern der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1480 ABGB. zu unterwerfen. Der Grundgedanke des § 1480 ABGB., den Schuldner davor zu schützen, daß der Gläubiger wiederkehrende Schuldigkeiten anwachsen läßt, die der Schuldner dann nicht mehr begleichen kann, trifft jedenfalls auch auf Kirchenbeiträge zu.

Die Rekurswerberin meint, diese Gesetzesstelle sei nur anzuwenden, wenn feststehe, daß überhaupt eine regelmäßig wiederkehrende Leistung erbracht werden müsse und wenn auch die Höhe dieser Leistung für eine vorhersehbare Zeit feststehe, was bei dem Kirchenbeiträgen nicht der Fall sei, weil dann, wenn ein Beitragspflichtiger in einem Jahr kein Einkommen erziele, ein Kirchenbeitrag nicht vorgeschrieben werden könne.

Diese Ansicht hat im Gesetz keinerlei Grundlage. Sie läßt sich auch nicht aus dem Begriff der jährlichen Leistung folgern. Die für die Anwendung des § 1480 ABGB. erforderliche regelmäßige Periodizität fällt nicht dadurch weg, daß der Forderungsberechtigte überhaupt oder unter bestimmten Voraussetzungen auf einzelne Leistungen verzichtet, so wie es z. B. an der dreijährigen Verjährbarkeit von Vereinsmitgliedsbeiträgen nichts ändert, wenn die Mitglieder nach den Satzungen im Fall der Arbeits- oder Einkommenslosigkeit von der Beitragsentrichtung befreit werden.

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