OGH 2Ob26/61

OGH2Ob26/6110.2.1961

SZ 34/17

Normen

AHG §1
AHG §9
AHG §1
AHG §9

 

Spruch:

Unzulässigkeit des Rechtsweges für eine Forderung gegen einen Angehörigen des Bundesheeres auf Ersatz des von ihm als Lenker eines der Republik Österreich gehörigen Kraftwagens einem Dritten während einer Dienstfahrt zugefügten Schadens.

Entscheidung vom 10. Februar 1961, 2 Ob 26/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Imst; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Am 11. Dezember 1959 hat sich auf der vereisten Bundesstraße in N. ein Verkehrsunfall ereignet, bei dem der vom Erstbeklagten als Wehrdienstpflichtigen des Präsenzdienstes gelenkte LKW. des Bundesheeres eine Kuh niederstieß, die sich vom Kläger losgerissen hatte. Als der Erstbeklagte die Kuh auf der Straße erblickte, bremste er sein Fahrzeug ab, konnte aber den Zusammenstoß nicht mehr vermeiden. Die Kuh wurde schwer verletzt und mußte notgeschlachtet werden. Das Strafverfahren gegen den Erstbeklagten wurde gemäß § 90 StPO. eingestellt.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger Schadenersatz von 5931 S vom Erstbeklagten als Lenker und von der zweitbeklagten Republik Österreich als Halterin des Kraftfahrzeuges.

Die Beklagten wendeten ein, daß das Verhalten des Tiers für den Erstbeklagten ein unabwendbares Ereignis darstelle; den Kläger treffe ein erhebliches, mindestens 50%iges Mitverschulden. Die zweitbeklagte Partei hat den am Wehrmachtsfahrzeug entstandenen Schaden von 1213 S 80 g unter Berücksichtigung einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1. somit in der Höhe von 606 S 90 g, compensando eingewendet.

Das Erstgericht nahm eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 1 : 1 vor, stellte die Klagsforderung mit 2965 S 50 g, die Gegenforderung mit

06 S 90 g fest und erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger 2358 S 60 g zu zahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es unter Zugrundelegung einer Verschuldensaufteilung im Verhältnis 2 : 1 zum Nachteil der Beklagten die Klageforderung mit 3954 S, die Gegenforderung mit 404 S 60 g feststellte und die Beklagten schuldig erkannte, dem Kläger 3549 S 40 g zu zahlen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der erstbeklagten Partei Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen und das diesen vorangegangene Verfahren, soweit es sich auf die erstbeklagte Partei bezog, als nichtig auf und wies die gegen die erstbeklagte Partei gerichtete Klage zurück. Der Revision der zweitbeklagten Partei gab der Oberste Gerichtshof nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Zur Revision der erstbeklagten Partei:

Der Erstbeklagte begrundet seinen Antrag auf Nichtigerklärung des Verfahrens damit, daß er den LKW. als Dienstpflichtiger des Präsenzdienstes gelenkt und daher auf Befehl und als Organ des Bundes gehandelt habe. Nach § 1 AmtshaftungsG. dürfe er zum Ersatz des Schadens nicht herangezogen werden.

Diesen Ausführungen ist beizupflichten. Es steht fest, daß der Erstbeklagte am Unfallstag einen LKW. des Bundesheeres als Wehrpflichtiger des Präsenzdienstes gelenkt hat. Es fuhren zwei Beifahrer mit, nämlich der Zeuge Horst Z. und der Zeuge Franz R. Ersterer hat im Strafverfahren angegeben, daß er damals Wagenkommandant gewesen sei. Im Verfahren sind keine Umstände hervorgekommen, die die Annahme rechtfertigen könnten, daß der Erstbeklagte am Unfallstag den LKW. widerrechtlich und ohne Wissen und Willen seines Dienstvorgesetzten gelenkt habe. Es ist daher davon auszugehen, daß der Erstbeklagte als Wehrmachtsangehöriger mit dem der Zweitbeklagten gehörigen LKW. eine Dienstfahrt unternommen, also in Ausführung eines dienstlichen Befehles gehandelt hat. Seine Fahrt stellt daher einen hoheitsrechtlichen Akt der zweitbeklagten Partei dar, den der Erstbeklagte als ihr Organ in Vollziehung der Gesetze ausgeführt hat. Gemäß § 1 AmtshaftungsG. haftet der Erstbeklagte dem Kläger nicht. Der Rechtsweg gegen ihn ist gemäß § 9 Abs. 5 AmtshaftungsG. unzulässig. Es war daher das bisherige Verfahren, soweit es den Erstbeklagten betroffen hat, für nichtig zu erklären und die Klage in diesem Umfang zurückzuweisen.

2. Zur Revision der zweitbeklagten Partei:

Gegenüber der zweitbeklagten Partei wäre der Rechtsweg erst nach Einhaltung des im § 8 AmtshaftungsG. vorgesehenen Verfahrens zulässig. Der Kläger hat zwar nicht behauptet, daß dieses Verfahren eingehalten worden sei. Da aber die zweitbeklagte Partei keinen Einwand gegen die Klage in dieser Hinsicht erhoben hat, ist in sinngemäßer Anwendung des § 267 ZPO. davon auszugehen, daß die Voraussetzungen des § 8 AmtshaftungsG. vorliegen und die Klage zu Recht erhoben worden ist.

Die Klage hätte allerdings gemäß § 9 AmtshaftungsG. beim Landesgericht Innsbruck eingebracht werden müssen. Da aber sowohl das Bezirksgericht Imst wie auch das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht ihre Zuständigkeit, wenn auch nicht durch einen besonderen Beschluß, so doch dadurch bejaht haben, daß sie in der Sache selbst entschieden haben, ist damit auch für den Obersten Gerichtshof bindend über die Zuständigkeit entschieden worden. Der Oberste Gerichtshof schließt sich in dieser Hinsicht den früheren Entscheidungen an, die dahin gehen, daß die Entscheidung über die Zuständigkeit auch dann bindend ist, wenn sie von den Untergerichten nicht ausdrücklich getroffen worden, sondern in der Sachentscheidung enthalten ist (RiZ. 1957 S. 121 und die dort zitierte Rechtsprechung sowie neuerdings 2 Ob 477/60).

Es ist daher auf die Revision der Zweitbeklagten sachlich einzugehen. Sie ist nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht hat festgestellt, daß sich die Kuh vom Kläger losgerissen hat und auf die Bundesstraße gelaufen ist. Bei einem Haus habe ein Knabe die Kuh aufgehalten und zurückgetrieben. Die Kuh sei nun quer über die Straße gegen ein anderes Haus auf die gegenüberliegende Straßenseite gelaufen. Die Kuh blieb 2 bis 3 m vor dem Kläger stehen, der ihr gefolgt war. Er habe versucht, das Tier zu beruhigen. Ehe er es jedoch festhalten konnte, habe sich das Tier wieder umgewendet und sei abermals auf die Straße gesprungen, bevor der vom Erstbeklagten gelenkte Wehrmachtswagen herangekommen war. In Richtung I. habe der Erstbeklagte auf zirka 200 m freie Sicht gehabt. Der Erstbeklagte sei mit einer Geschwindigkeit von rund 39 km/h gefahren.

Das Erstgericht hat angenommen, daß der Erstbeklagte die Kuh bereits gesehen haben müsse, als sie über die Straße gesprungen sei, und daß er daher mit einem "verkehrswidrigen" Verhalten des Tieres hätte rechnen müssen. Er wäre daher verpflichtet gewesen, seine Geschwindigkeit schon früher herabzusetzen, um sein Fahrzeug rechtzeitig anhalten zu können.

Bei der rechtlichen Beurteilung der Sache ist von den Feststellungen auszugehen, die oben angeführt worden sind. Bei der festgestellten Sachlage hätte der Erstbeklagte bei gehöriger Aufmerksamkeit das Tier bereits früher sehen müssen als zu dem Zeitpunkt, als dieses wieder zum Kläger zurückgekehrt war und er sich bemühte, es einzufangen. Der Erstbeklagte hätte erkennen müssen, daß sich das Tier ohne Aufsicht auf der Fahrbahn befand. Er hätte, wenn er bei gehöriger Aufmerksamkeit die Situation richtig erkannt hätte, seine Geschwindigkeit bedeutend früher wesentlich herabsetzen müssen. Es wäre ihm dann gelungen, den Kraftwagen rechtzeitig anzuhalten. Das Berufungsgericht ist richtig davon ausgegangen, daß der Erstbeklagte den Unfall bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte verhindern können. Es war daher durchaus gerechtfertigt, dem Erstbeklagten einen größeren Teil des Verschuldens anzulasten. Das von der zweitbeklagten Partei herangezogene Beispiel einer Verschuldensteilung bei einem durch einen Hund herbeigeführten Verkehrsunfall kann für den vorliegenden Fall nicht ausschlaggebend sein, weil hier andere Voraussetzungen vorliegen.

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