Normen
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §20
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §20
Spruch:
Die Verwirkungslehre ist auch im Wettbewerbsrecht abzulehnen.
Die Wortmarke "Marcel G. ..." ist mit den Wortmarken mit dem Zunamen "G. ..." und "Les Parfums de G. ..." verwechselbar ähnlich (§ 9 UWG.).
Entscheidung vom 4. Oktober 1960, 4 Ob 364/59.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin bringt vor, sie sei seit 1. Jänner 1897 im Handelsregister Seine (Frankreich) mit dem Gegenstande der Parfumeriefabrikation eingetragen. Der wesentliche Bestandteil ihrer Firma sei der Familienname G., der seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt für Qualitätserzeugnisse von Mitteln zur Körper- und Schönheitsspflege bekannt sei. Die Klägerin sei auch Inhaberin der international registrierten Wortmarke Nr. 125.163 "G." für Parfumerieerzeugnisse aller Art, Seifenwaren und Schminken, in Österreich geschützt seit 1. Jänner 1909, und der international registrierten Wortmarke Nr. 122.843 ("Les Parfums de G.") für Parfumerieerzeugnisse aller Art mit der Priorität seit 31. März 1925.
Die beklagte Partei benütze für ihre in Österreich hergestellten Erzeugnisse die Bezeichnung "Marcel G., Paris", ohne die örtliche Herkunft der Erzeugnisse sichtbar zu machen. Diese Bezeichnung könne mit dem Firmenschlagwort und den Marken der klagenden Partei verwechselt werden. Der Beklagte habe sich zwar bereit erklärt, das Wort "Paris" aus seiner Werbung für die Erzeugnisse seiner Firma zu entfernen, weigere sich jedoch, die Bezeichnung seiner Erzeugnisse mit "Marcel G." zu unterlassen.
Der Beklagte gibt zu, daß die klagende Partei seit 1. Jänner 1897 in Paris bestehe und Inhaberin der angeführten Marken sei. Er wendet ein, daß er die Marke "Marcel G." seit Jahrzehnten für seine Parfumerieerzeugnisse verwende. Im Jahre 1923 habe Marcel G. eine Firma "Societe Anonyme Parfums Marcel G." gegrundet; diese habe im Jahre 1924 die Wortmarke "Marcel G., Maison fondee en 1923 Paris" unter Nr. 117.171 registrieren lassen; der Beklagte habe von Marcel G. die markenrechtliche Lizenz zur Verwendung der internationalen Marke "Marcel G." in Österreich erhalten. Diese Lizenz sei auch nach Änderung des Firmennamens in "Societe des Parfumeurs Parisiens" (1930) und nach Übergang der Marke auf Robert M. aufrecht geblieben. Marcel G. sei auch einverstanden gewesen, daß der Beklagte am 7. Oktober 1948 die Wortmarke "Marcel G." unter Nr. 11.798 im Markenregister des Österreichischen Patentamtes habe eintragen lassen. Diese Bezeichnung habe seit Jahren Verkehrsgeltung für die Erzeugnisse der beklagten Partei in Österreich.
Weiters wendet der Beklagte ein, daß die Ausstattung seiner Erzeugnisse und seiner Werbung sich grundlegend von jener der klagenden Partei unterschieden. Er richte sich auch an eine ganz andere Gesellschaftsschichte, nämlich nicht an einen beschränkten Kreis besonders zahlungskräftiger und zahlungswilliger Personen, sondern an den sogenannten Mittelstand und die breite Masse der Bevölkerung; seine Preise seien auch wesentlich niedriger als die der Klägerin. Die beiden Wortmarken "G." und "Marcel G." seien auch nicht verwechselbar.
Schließlich wendet der Beklagte ein, daß die Klägerin ihr Recht, die Unterlassung des Gebrauches der Bezeichnung "Marcel G." zu begehren, verwirkt habe, da sie sich 32 Jahre lang nicht dagegen gewendet habe. Ihr Begehren widerspreche Treu und Glauben und sei nach § 1295 Abs. 2 ABGB. unzulässig.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig,
a) die Benützung der Bezeichnung "Marcel G." und "Marcel G., Paris" im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen;
b) die örtliche Herkunft der von ihr bisher unter der Verwendung der Bezeichnung "Marcel G." oder "Marcel G., Paris" gewerbsmäßig verkauften, feilgehaltenen oder sonst in den Verkehr gebrachten Mittel zur Körper- und Schönheitspflege auf ihrer äußeren Verpackung und auf ihren Behältnissen durch Anbringung der Aufschrift "Erzeugt in Österreich" oder "Österreichisches Erzeugnis" ersichtlich zu machen und die nicht so bezeichneten äußeren Verpackungen und Behältnisse, soweit ihr über diese die Verfügung zustehe, zu beseitigen.
Es ermächtigte auch die Klägerin zur Urteilsveröffentlichung in bestimmter Weise und wies ein im Revisionsverfahren nicht mehr interessierendes Mehrbegehren ab.
Rechtlich nahm das Erstgericht einen Verstoß gegen § 9 UWG. an und hielt die Verwirkungseinrede und die Einrede des Verstoßes gegen die guten Sitten für unbegrundet.
Das Berufungsgericht bestätigte, wozu es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die breiten Ausführungen, die in der Revision der Verwirkungseinrede gewidmet sind, vermögen nicht zu überzeugen.
Daß die herrschende Auffassung in Österreich die Verwirkungslehre insbesondere auch im Wettbewerbsrecht ablehnt (Klang 2. Aufl. VI 564; ebendort IV 738 f.; Rspr. 1929 Nr. 36 (mit zustimmender Bemerkung von Adler); Rspr. 1929 Nr. 307; Rspr. 1935 Nr. 192 (mit zustimmender Bemerkung von Abel); SZ. XXV 88), erkennt der Beklagte anscheinend selbst.
Davon, daß "§ 242 BGB. auf dem Gebiet des engeren Wettbewerbsrechtes selbstverständlich auch in Österreich" gilt, kann keine Rede sein. Es ist im Gegenteil selbstverständlich, daß eine ausländische Norm in Österreich nicht gilt (s. hiezu auch bereits GR. 1960 S. 4 ff.). Im übrigen haben sich die Verfasser der III. Teilnovelle mit dieser Norm eingehend beschäftigt und ihre Übernahme in die österreichische Rechtsordnung abgelehnt. Sie meinten, § 242 BGB. bedeute mehr als eine Auslegungsregel: "daß nämlich alles das, was aus dem richtig ausgelegten Vertrage, dem Vertragszwecke, über den die Parteien bei dessen Abschluß sich geeinigt hatten, als gewollt hervorgeht, doch bei dessen Erfüllung einer Prüfung, Einschränkung oder Berichtigung, nach Treu und Glauben" bedürftig und fähig ist. Darin liegt aber das Gefährliche jenes schönen Satzes des Deutschen BGB. Er kann zu schikanöser Einrede gegen jeden Anspruch verwendet werden und verleitet so zur Unterschätzung dessen, was das erste Gebot von "Treu und Glauben" ist, der Vertragstreue; den Richter aber führt er in die Versuchung, das, was ihm das Richtige scheint, zu Rate zu ziehen, bevor er nach dem Inhalt des Vertrages fragt. Vor dieser Gefahr möchte der Entwurf die österreichische Judikatur bewahren" (Kaiserliche Verordnung vom 19. März 1916, RGBl. Nr. 69, über die dritte Teilnovelle zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch. Mit Materialien. Wien 1916. Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, S. 275 f.). Dieser Gedankengang ist auch heute noch sehr beherzigenswert.
Da sohin § 242 BGB. in Österreich nicht gilt und die Einführung einer entsprechenden Norm ausdrücklich vermieden wurde, ist schon deswegen die deutsche Verwirkungslehre nicht in das österreichische Recht zu übertragen.
Daß die Klägerin, die von ihrem Firmen- und Markenrecht Gebrauch gemacht hat, dadurch "in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden" zugefügt (§ 1295 Abs. 2 ABGB.) hätte, läßt sich schon deswegen nicht sagen, weil der für den Beklagten allenfalls durch die Rechtsausübung der Klägerin entstehende Schaden notwendigerweise mit dieser Rechtsausübung verbunden ist; auch das Interesse der Klägerin an der Ausübung ihrer Firmen- und Markenrechte und damit am Ausschluß des Beklagten vom Gebrauch dieser Rechte kann nicht im Ernst bezweifelt werden. "Auf dem Umweg über die guten Sitten kann nicht ein Gegenrecht entstehen, das unser Recht lahmlegen würde" (Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 626). Aus der in der Revision in diesem Zusammenhang zitierten, meist länger zurückliegenden und untergerichtlichen Rechtsprechung - insbesondere auch aus der sogenannten "Mokka-Linde"-Entscheidung SZ. XXV 88 - läßt sich nichts Entscheidendes für die beklagte Partei ableiten; die Ausführungen der letztangeführten Entscheidung sprechen im Gegenteil gegen sie.
Die Entscheidung SZ. XIII 200, die die beklagte Partei besonders für sich in Anspruch nimmt, ist in sich widersprechend (so schon Klang a. a. O. IV 738 f. Anm. 196). Die Entscheidung Rspr. 1936 Nr. 257 behandelt einen ganz anders gelagerten Fall. Es waren nämlich Strümpfe aus Kunstseide als solche aus Waschseide angepriesen worden. Auch hier spricht aber der Oberste Gerichtshof aus, wie ein Nachsehen an der oben angeführten Veröffentlichungsstelle ergibt, daß, solange im Falle des § 2 UWG. die Täuschungs- und Irreführungsmöglichkeit besteht, der auch erst nach Jahren erhobenen Unterlassungsklage die Verschweigungseinrede überhaupt nicht entgegengesetzt werden kann. Die in der Revision weiters zitierte, bei Schönherr - Saxl - Wahle, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. S. 382 Nr. 10, auszugsweise wiedergegebene Entscheidung stammt von einem Untergericht, die Entscheidung Nr. 11 betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Rechtlich läßt sich aus beiden Auszügen nichts hier Entscheidendes ableiten.
Auch den Ausführungen in der Revision zur Verwechslungsgefahr und Verkehrsgeltung kann nicht gefolgt werden, zumal sie gedanklich eng an den zuvor abgelehnten Verwirkungseinwand anknüpfen, was etwa äußerlich das auch in diesem Zusammenhang wiederkehrende Zitat der Entscheidung SZ. XIII 200 zeigt. Die Firma der klagenden Partei lautet: "Societe G. (Societe en Nom collectif)"; ihre Marken lauten:
"G." und "Les Parfums de G."; die jüngere Marke des Beklagten lautet "Marcel G.". Bei allen diesen Bildungen hat das unterscheidungskräftige Wort "G."; sie sind daher untereinander verwechselbar ähnlich. An diesem Ergebnis könnte sich auch nichts ändern, wenn die beklagte Partei mit großem Kostenaufwand für die Bezeichnung "G." geworben und dadurch bei einem Teil des Publikums sogar die Meinung erweckt hätte, die Erzeugnisse stammten von ihr. Es bleibt dennoch zweifellos die Eignung der Bezeichnung "G."
bestehen, mit den für die klagende Partei geschützten Namens- und Markenrechten verwechselt zu werden. Dies genügt aber, um die Wettbewerbshandlung der beklagten Partei nach § UWG. unlauter und verboten zu machen. Die beklagte Partei hätte dann eben ihren Werbeaufwand unrichtig angewendet und hätte eine andere mit den für die Klägerin geschützten Bezeichnungen nicht verwechselbare Marke oder Bezeichnung wählen müssen. Wenn ihr nunmehr der von vornherein rechtswidrige Gebrauch des für die Klägerin geschützten Unternehmenskennzeichens untersagt wird, so kann sie sich bei solchem eigenen Verhalten nicht beschweren.
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