OGH 1Ob258/60

OGH1Ob258/609.8.1960

SZ 33/81

Normen

AnerbG §5 Abs1 Z2
AnerbG §5 Abs1 Z2

 

Spruch:

Nur ein besonders schweres Gebrechen bildet einen Ausschließungsgrund nach § 5 Abs. 1 Z. 2 AnerbenG.

Entscheidung vom 9. August 1960, 1 Ob 258/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Mank; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Josef S., Theresia E. und Johanna B. sind die Geschwister des Erblassers und kommen als dessen gesetzliche Erben in Betracht. Der erblasserische Besitz ist ein Erbhof. Die beiden Letztgenannten behaupten, daß Josef S. wegen schwerer körperlicher Gebrechen als Anerbe ausgeschlossen sei, da er zur Bewirtschaftung des Erbhofes offenbar unfähig sei. Er könne beinahe nicht mehr gehen, habe starkes Asthma, einer seiner Füße sei verschwollen, sein Körper sei krankhaft und übermäßig wasserhältig. Er könne nicht einmal von seinem Wohnhaus zu dem in derselben Gemeinde liegenden Haus des Erblassers gehen. Er sei außerstande, die Grundstücke zu besichtigen und die Wirtschaft zweckentsprechend zu leiten.

Josef S. bestritt dieses Vorbringen und legte das Zeugnis eines Arztes vor, wonach er an einer derzeit vollkompensierten arteriosklerotischen Cardiopathie leide, gehfähig sei und kleine Arbeiten selbständig durchführen könne. Für die Leitung eines Bauernhofes sei er voll geeignet, wenn ihm die nötigen Hilfskräfte zur Verfügung stunden.

Das Erstgericht wies gemäß § 10 Abs. 1 AnerbenG. den Erbhof dem Josef S. zu, da kein geistiges oder körperliches Gebrechen vorliege, welches ihn zur Führung des Erbhofes offenbar unfähig mache.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug die Ergänzung des Verfahrens durch Vernehmung eines gerichtsärztlichen Sachverständigen auf. Die vom Erstgericht herangezogenen Unterlagen reichten nach Ansicht des Rekursgerichtes zu einer verläßlichen Beurteilung nicht aus.

Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs des Josef S. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 AnerbenG. ist von der Übernahme des Erbhofes ausgeschlossen, wer wegen schwerer körperlicher Gebrechen zur Bewirtschaftung des Erbhofes offenbar unfähig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 des Gesetzes spricht die Vermutung für das Fehlen von Ausschließungsgrunden. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurden diese strengen Bedingungen zur Vermeidung von mißbräuchlicher Inanspruchnahme von Ausschließungsgrunden festgesetzt. Ferner bedeutet Bewirtschaftung nicht, daß der Anerbe selbst mit Hand anlegen müßte. Es genügt, wenn er die Leitung innehaben kann. Die Vermutung bewirkt, daß den Antragstellern die Beweislast obliegt.

Nicht richtig ist die Ansicht des Rechtsmittelwerbers, daß unter offenbarer Unfähigkeit nur eine solche zu verstehen sei, die jedem Laien erkennbar sei. Wie sich aus den Erläuterungen ergibt, soll damit nur zum Ausdruck gebracht werden, daß nur ein besonders schweres Gebrechen einen Ausschließungsgrund bildet. Hingegen sollte damit nichts über die Art der Feststellung des Gebrechens gesagt sein. Denn es könnte z. B. der Fall sein, daß der vorgesehene Anerbe ein schweres inneres Gebrechen hat, das nicht für jedermann erkennbar ist, ihn aber doch zur Bewirtschaftung unfähig macht. Es würde der Absicht des Gesetzes völlig widersprechen, den Anerben in diesem Fall doch zuzulassen.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen erscheint der angefochtene Beschluß begrundet. Die Frage, ob der Rechtsmittelwerber ein solches schweres körperliches Gebrechen hat, daß er im Sinne des Gesetzes als Anerbe auszuschließen ist, kann nur durch einen Arzt beantwortet werden. Wie das Rekursgericht zutreffend ausführt, bietet nur die Untersuchung durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen die Gewähr der Vollständigkeit und völligen Unbefangenheit und daher letzten Endes auch der Richtigkeit des Befundes und des Gutachtens. Auf eine gerichtsordnungsgemäße Klärung haben die Antragsteller ein Anrecht.

Wenn der Rechtsmittelwerber ausführt, er beabsichtige, den Hof gleich nach Beendigung der Abhandlung seinem Sohn zu übergeben, so ist dies weder ein Grund, die Voraussetzungen für seine Eignung leichter zu beurteilen, noch ein Argument, das für seine Eignung spricht.

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