OGH 3Ob230/60

OGH3Ob230/606.7.1960

SZ 33/76

Normen

Evangelische Kirchenbeitragsordnung §§8 ff
JN §1
Evangelische Kirchenbeitragsordnung §§8 ff
JN §1

 

Spruch:

Der Zivilrechtsweg ist zur Eintreibung von Kirchenbeiträgen erst nach Ausschöpfung aller Mittel zur Festsetzung und Einziehung der Kirchenbeiträge nach den Kirchenbeitragsordnungen zulässig.

Entscheidung vom 6. Juli 1960, 3 Ob 230/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya; II. Instanz:

Kreisgericht Krems.

Text

Die klagende evangelische Pfarrgemeinde beantragte, die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von 7200 S samt 5% Zinsen seit Klagszustellung zu verurteilen. Die Beklagten seien evangelischen Glaubensbekenntnisses und daher Mitglieder der klagenden Partei. Sie hätten trotz Aufforderung die Einkommensteuerbescheide zur Berechnung der Kirchenbeiträge nicht vorgelegt. Ihr Jahreseinkommen werde für die letzten sechs Jahre (1953 bis 1958) mit je 60.000 S eingeschätzt, wovon sie nach der genehmigten Kirchenbeitragsstaffel zwei Prozent als Kirchenbeitrag zur ungeteilten Hand zu zahlen hätten.

Die Beklagten gaben ihre Mitgliedschaft zur klagenden Partei zu, behaupteten aber, nie einen Kirchenbeitragsbescheid erhalten zu haben. Sie hätten von ihrer Zahlungspflicht erst durch das Mahnschreiben des Klagevertreters vom 6. März 1959 Kenntnis erhalten. Der eingeklagte Kirchenbeitrag sei daher nicht fällig. Er werde auch der Höhe nach bestritten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Diese sei verfrüht, weil es an den Voraussetzungen der Klagbarkeit, nämlich der Einstufung nach § 9 der evangelischen Kirchenbeitragsordnung vom 30. November 1956 (KBO.), an einer Zahlungsaufforderung nach § 10 KBO. und an der Einhaltung der dreißigtägigen Mahnfrist nach § 17 KBO. fehle.

Das Berufungsgericht gab in teilweiser Abänderung des erstgerichtlichen Urteils mit Teilurteil der Klage mit einem Betrag von 1633 S 60 g samt 4% Zinsen seit 21. April 1959 statt und wies das auf 5% gerichtete Zinsenmehrbegehren ab. Im übrigen hob es das erstgerichtliche Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache insoweit an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht vertrat den Standpunkt, daß die Vorschriften der Kirchenbeitragsordnung nicht auf das Gebiet des Zivilrechtes einzuwirken vermögen. Im Falle der gerichtlichen Geltendmachung von Kirchenbeiträgen komme es auf die Frage der Einhaltung der Vorschriften der §§ 8 ff. KBO. über die Einstufung der Beitragspflichtigen und über die Zahlung der Kirchenbeiträge nicht an, weil das Gericht selbständig die Grundlage der Beitragsschuld zu ermitteln und die Beitragshöhe festzustellen habe. Zu diesem Zweck erfolgte die Zurückweisung der Sache an die erste Instanz, und zwar ohne Rechtskraftvorbehalt, soweit nicht vom Berufungsgericht mit Teilurteil entschieden worden war.

Der Oberste Gerichtshof hob das Teilurteil hinsichtlich des Zuspruches von 1633 S 60 g samt 4% Zinsen seit 21. April 1959, ebenso das erstgerichtliche Urteil in seinem diesbezüglichen abweisenden Teil auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 1956, K I-1/56 (Slg. NF. 3039), erklärt, daß die von den Kirchenbeitragsordnungen berufenen Organe keine Verwaltungsbehörden im Sinn der Art. 94, 138 Abs. 1 lit. a B-VG. (über die Trennung der Justiz von der Verwaltung und über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden) sind. Es ist diesen Organen verwehrt, über die Beitragspflicht in einer der Rechtskraft fähigen Weise zu entscheiden. Die Festsetzung und Auferlegung von Kirchenbeiträgen durch diese Organe verbleibt vielmehr im Sinn des Kirchenbeitragsgesetzes 1939 im kirchlichen Bereich. Durch die Zuweisung der Entscheidung über Kirchenbeitragsstreitigkeiten an die Gerichte werden die Kirchenbeitragsschulden als zivilrechtliche Verpflichtungen qualifiziert.

Im vorliegenden Fall treten die beklagten Parteien diesen Rechtsgrundsätzen in ihren Revisionsausführungen auch nicht entgegen. Sie führen nur aus, daß der im § 17 der Kirchenbeitragsordnung der Evangelischen Kirche A. und HB. auf Grund des § 3 KirchenbeitragsG. 1939 normierte Rechtsweg erst dann zulässig sei, wenn im Sinne der §§ 8 bis 17 KBO. die Einstufung des Mitgliedes nach seinen Vermögensverhältnissen und die Zahlungsaufforderung mit der Zahlungsfrist von 30 Tagen und der Möglichkeit der Stellung eines Überprüfungsantrages (ohne aufschiebende Wirkung) sowie die Einmahnung mit einer Mahnfrist von mindestens 30 Tagen erfolgt seien.

Dieser Auffassung tritt der Oberste Gerichtshof bei, weil der klare Wortlaut der bezüglichen Bestimmungen der KBO. zu dieser Auslegung zwingt und es auch dem offenkundigen Zweck dieser Bestimmungen entspricht, den Zivilrechtsweg erst dann zu eröffnen, wenn alle Mittel des innerkirchlichen Bereiches zur Einhebung des Kirchenbeitrages erschöpft sind. Ist dies der Fall und wurde so die Kirchenbeitragspflicht zu einer vor den Zivilgerichten klagbaren zivilrechtlichen Verpflichtung, dann ist mit der Klagbarkeit der Eintritt des zivilrechtlichem Verzuges im Sinn des § 1334 ABGB. gegeben (Wolff in Klang 2. Aufl. VI 174). Die beklagten Parteien übersehen aber in ihren Revisionsausführungen, daß, wie schon hervorgehoben wurde, nach dem Parteivorbringen in erster Instanz die Frage, ob die klagende Partei im Sinn der Kirchenbeitragsordnung für die einzelnen Beitragsjahre Zahlungsaufforderungen erlassen und nachher die rückständigen Kirchenbeiträge entsprechend eingemahnt hat, ausdrücklich erörtert wurde und strittig blieb. Es liegen daher diesbezüglich für die Beurteilung der Klagbarkeit Feststellungsmängel vor, die von der Revisionsinstanz jedenfalls hinsichtlich der im Teilurteil abgesprochenen Teilforderung zu berücksichtigen sind. Da es diesbezüglich einer weiteren Verhandlung in erster Instanz bedarf, war mit einer Aufhebung des Teilurteils im verurteilenden Teil unter Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz vorzugehen. Steht fest, daß die in der Kirchenbeitragsordnung zur Festsetzung und Einziehung der strittigen Kirchenbeiträge vorgesehenen Mittel erschöpft wurden und daß daher die Klagbarkeit gegeben ist, dann wird das Erstgericht materiell nach allen Richtungen die von der klagenden Partei geltend gemachte gegenständliche Kirchenbeitragsforderung zu prüfen haben.

In der Frage der Mahnfrist ist darauf zu verweisen, daß § 17 KBO. nicht die ausdrückliche Setzung einer Mahnfrist von mindestens 30 Tagen, sondern nur das fruchtlose Verstreichen einer solchen Frist zur Voraussetzung der Klagbarkeit macht.

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