Normen
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Spruch:
Beihilfe eines Wettbewerbers zum eigenen Vorteil zum Vertragsbruch des Kunden eines Mitbewerbers verstößt gegen den geschäftlichen Anstand, selbst wenn der Kunde zum Vertragsbruch entschlossen war.
Entscheidung vom 14. Juni 1960, 4 Ob 321/60.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die klagende Partei verlangte, den beiden beklagten Parteien zu untersagen, in Ausübung ihrer auf den Vertrieb kinotechnischer Anlagen oder deren Teile gerichteten geschäftlichen Tätigkeit im Verkehr mit ihren Kunden bzw. den als Kunden in Aussicht genommenen Personen Beihilfe beim Bruch bestehender Verträge mit ihr zu leisten, ferner Verurteilung des Zweitbeklagten zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 25.000 S.
Das Erstgericht wies ab. Es stellte fest: Der Zweitbeklagte - Prokurist und Geschäftsführer der Erstbeklagten - hat den Anton B., der bei der klagenden Partei eine kinotechnische Anlage gekauft hatte, bei der Abfassung der Stornierungsbriefe vom 20. und 27. November 1956 beraten. Der Kaufvertrag sollte zwischen dem Anton R. und der klagenden Partei erst wirksam werden, wenn diese von dritter Seite den erforderlichen Kredit bekommen hätte. Kreditgewährung konnte nicht erreicht werden. Der Zweitbeklagte und seine Gattin waren dem Anton R. lediglich bei der Formulierung der von ihm frei und unbeeinflußt gefaßten Absicht behilflich, den Kaufvertrag mit der klagenden Partei infolge der Nichtgewährung des Kredites zu stornieren. Anton R. hat am 4. Juli 1957 mit der klagenden Partei einen Vergleich geschlossen, in welchem er sich zur Zahlung von 17.000 S (14.000 S Kapital und 3000 S Kosten) in Monatsraten verpflichtete. Gemäß den eigenen Angaben der Beklagten kaufte R. die Kinoeinrichtung am 20. November 1956 bei der erstbeklagten Partei.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 1 UWG.) schon deswegen nicht in Betracht komme, weil dem R. ein Vertragsbruch nicht zur Last liege, da ja der Vertrag mit der klagenden Partei mangels Eintritts der Bedingung der Kreditgewährung durch Dritte nicht rechtswirksam geworden sei. Davon abgesehen habe weder die erstbeklagte Partei noch der Zweitbeklagte dem Anton R. Beihilfe zum Bruch eines mit der klagenden Partei bestehenden Vertrages geleistet; der Zweitbeklagte habe nicht seinen eigenen Willen realisiert, als er bei der Formulierung der Stornobriefe vom 20. November 1956 und 27. November 1956 mitgewirkt habe. Der Zweitbeklagte habe vielmehr nur die Entschlüsse des Anton R. in eine Form gebracht, die sich aus den von ihm erteilten Informationen ergeben habe. Dieser Tatbestand allein sei nicht wettbewerbswidrig.
Die Berufung der klagenden Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht fand zwar die Würdigung der Beweise dazu, daß die Wirksamkeit des Geschäftsabschlusses mit Anton R. von der Gewährung eines Darlehens abhängig gemacht worden sei, nicht überzeugend begrundet. Es übernahm aber die Feststellung, daß der Zweitbeklagte und seine Gattin dem ohnehin schon zur Rückgängigmachung des Geschäftes mit der Klägerin entschlossenen Anton R. bei der Verfassung der Schreiben vom 20. und 27. November 1956 nur behilflich gewesen seien. Rechtlich meinte das Berufungsgericht, Beihilfe zu fremdem Vertragsbruch verstoße gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr, wenn der Gehilfe bewußt und planmäßig mit dem Schuldner zusammengewirkt habe, um dessen vertragswidrige wettbewerbliche Tätigkeit zu fördern. Davon könne nach dem festgestellten Sachverhalt für die Tätigkeit des Zweitbeklagten keine Rede sein.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Sache an dieses Gericht zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Zweitbeklagte die die Vertragsauflösung der klagenden Partei kundgebenden Briefe in ihrem wesentlichen Inhalt für R. verfaßt hat. Daß der Zweitbeklagte damit dem R., der selbst in der Formulierung geschäftlicher Mitteilungen ungewandt war, erheblich geholfen hat, die Vertragsauflösung herbeizuführen, kann nicht bezweifelt werden. Dem Berufungsgericht unterläuft das Mißverständnis, daß es Beihilfe zur Vertragsverletzung mit Anstiftung hiezu gleichsetzt. Diese Auffassung ist nicht zu billigen. Die Beihilfe kann auch geleistet werden, wenn der Dritte bereits zum Vertragsbruch entschlossen ist. Sie verfolgt dann - wie hier - den Zweck, den Vertragsbruch zu erleichtern. Der Wettbewerber ist auch in einem solchen Fall an dem Vertragsbruch fördernd beteiligt vgl. Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl. S. 350 ff. Anm. 265 ff.).
Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ist es von ausschlaggebender Bedeutung, ob R. vertragsbrüchig geworden ist. Das Berufungsgericht wird daher zu den diesbezüglichen Feststellungen des Erstrichters Stellung zu nehmen haben. Unklarheiten und Zweifel der Rechtslage müssen dabei zu Lasten der Beklagten gehen. Es verstößt auch gegen den geschäftlichen Anstand, wenn ein Wettbewerber, um selbst Vorteil zu ziehen (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, S. 84), den Kunden eines Mitbewerbers behilflich ist, einen Vertrag mit dem Mitbewerber abzuschütteln, obwohl erhebliche Gründe für die Gültigkeit dieses Vertrages sprechen. Nur dann, wenn sich der Vertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als ungültig darstellt, wird Sittenwidrigkeit nicht anzunehmen sein (in diesem Sinn auch BGH. in NJW. 1954 S. 388).
Da nach dieser Auffassung dem Obersten Gerichtshof erheblich scheinende Tatsachen vom Berufungsgericht nicht erörtert wurden, war dessen Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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