OGH 2Ob184/60

OGH2Ob184/606.5.1960

SZ 33/52

Normen

ABGB §1118
ABGB §1118

 

Spruch:

Der bisherige alleinige Mieter eines Hauses muß einen Stockwerkaufbau dulden.

Entscheidung vom 6. Mai 1960, 2 Ob 184/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Klosterneuburg; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Kläger sind Eigentümer des aus Souterrainräumen, Parterreräumen und einem Dachboden bestehenden Hauses in W., L.-Gasse 6. Das Haus wird derzeit nur vom Beklagten und seiner Tochter bewohnt, andere Mieter sind nicht vorhanden. Bezüglich der Souterrainräume sind zwei Kündigungsverfahren anhängig. Der Beklagte weigert sich, den von den Klägern beabsichtigten Aufbau eines Stockwerkes zu dulden. Die Kläger beantragen daher, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Aufstockung es Hauses durch Aufbau eines Stockwerkes und die damit im Zusammenhang stehenden Arbeiten gemäß dem vorgelegten Bauplan zu dulden und zu diesem Zwecke den Dachboden von seinen Fahrnissen zu räumen. Der Beklagte hat eingewendet, daß die beabsichtigte Bauführung einen unzulässigen Eingriff in seine Mietrechte darstelle. Er habe das Haus mit Garten als Einfamilienhaus gemietet. Durch die Bauführung würde sein bisheriges Alleinmietrecht an diesem Einfamilienhaus vollständig umgeändert werden. Es würden ihm die Benützung des Dachbodens und der dort befindlichen Mansarde auf die Dauer der Bauarbeiten unmöglich gemacht sowie die Alleinbenützung des Vorraumes im Parterre, der Stiege, des Dachbodens und der dort befindlichen Mansarde entzogen. Außerdem wäre ein Urteil im Sinne des Klagebegehrens nicht exekutionsfähig.

Das Erstgericht hat auf Grund des außer Streit gestellten Sachverhaltes dem Klagebegehren mit der Einschränkung stattgegeben, daß die Räumungsverpflichtung auf die Dauer der Aufstockungsarbeiten beschränkt wurde. Der Erstrichter räumte zwar ein, daß durch die beabsichtigte Bauführung und die damit im Zusammenhang stehende Notwendigkeit der vorübergehenden Räumung des Dachbodens der bisher dem Beklagten zugestandene Gebrauch des Bestandgegenstandes beschränkt werde. Aus der Bestimmung des § 1109 ABGB. folge aber, daß sich der Bestandnehmer alle Maßnahmen des Eigentümers gefallen lassen müsse, die nicht mit einer wesentlichen Erschwerung oder Gefährdung der Ausübung seines Bestandrechtes verbunden seien. Diese - geringfügige - Einschränkung des Benützungsrechtes an Objekten, die üblicherweise zusammen mit anderen Mietparteien benützt würden, müsse sich jedoch der Mieter auch bei größeren Reparaturen gefallen lassen.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten Folge gegeben und das erstinstanzliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Es hielt die Frage für bedeutsam, ob der Beklagte das gesamte Haus zu seiner ausschließlichen Benützung gemietet habe, oder ob er nur Mieter der Parterre- und Souterrainwohnung mit entsprechender Mitbenützung des Vorraumes, der Stiege und des Dachbodens sei. Lägen keine ausschließlichen Benützungsrechte in diesem Belang vor, dann würde die Notwendigkeit, diese Teile des Hauses, künftig mit anderen Bewohnern teilen zu müssen, keine wesentliche Erschwerung oder Beeinträchtigung seines Mietrechtes darstellen. Anders wäre es aber, wenn der Beklagte Mieter des ganzen Hauses wäre, weil in diesem Fall auch die genannten Teile des Hauses Gegenstand des Mietvertrages wären. Es würde daher durch den von den Klägern angestrebten Aufbau eines Stockwerks der bedungene Alleingebrauch der Hauptsache derart geändert werden, daß dem Mieter ein Teil des eigentlichen Bestandgegenstandes ohne Kündigung faktisch entzogen würde und ihm nur ein Mitbenützungsrecht an diesen nunmehr zum Zubehör des Bestandgegenstandes gewordenen Teilen des Hauses verbliebe. Eine solche Entziehung eines Teiles des Mietgegenstandes könne nur bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auf Grund einer Kündigung im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 4 MietG. erfolgen. Die Frage, ob der Beklagte Mieter des ganzen Hauses sei oder ob hinsichtlich des Vorraumes, des Stiegenaufganges und des Dachbodens keine ausschließlichen Benützungsrechte bestunden, könne aber auf Grund der Außerstreitstellungen nicht beurteilt werden. Es bedürfe vielmehr der Durchführung der von den Parteien beantragten Beweise über den Umfang des Bestandrechtes.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Parteien Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht auf, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund neuerlich zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Mieter eine Bauführung des Vermieters zuzulassen hat, ist im § 1118 ABGB., letzter Satz, dahin geregelt, daß der Mieter eine nützlichere Bauführung zu seinem Nachteil zuzulassen nicht schuldig ist, wohl aber notwendige Ausbesserungen. Lehre und Rechtsprechung haben diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß der Mieter Bauführungen zuzulassen hat, wenn daraus kein wesentlicher Nachteil für ihn entsteht (Klang 2. Aufl. V 126; JBl. 1955 S. 406), wobei auch eine billige Interessenabwägung in Betracht kommen kann (NotZ. 1931 S. 171 und 242).

Der Oberste Gerichtshof ist der Auffassung, daß die im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Nachteile des Beklagten nicht so wesentlich sind daß der Beklagte berechtigt wäre, die von den Klägern als Eigentümern des Hauses geplante Bauführung zu verhindern. Durch den Aufbau des Stockwerkes werden, abgesehen davon, daß der Dachboden sodann ein Stockwerk höher zu liegen kommt, der Weiterbestand des bisher dem Beklagten als Mieter zur Verfügung gestandenen Gebäudes und das Alleinbenützungsrecht der Wohnräume nicht berührt. Daß die Bauführung insofern eine Beeinträchtigung der Benützungsrechte des Beklagten zur Folge hat, als er vorübergehend während der Dauer der Bauarbeiten den Dachboden räumen muß und nach dem Aufbau des Stockwerks und dem Beziehen der neu zu schaffenden Wohnräume nicht mehr wie bisher das ganze Haus für sich allein haben wird, sondern den Hauseingang, den Vorraum im Parterre, den Stiegenaufgang und den Dachboden mit den neuen Bewohnern wird teilen müssen, fällt gegenüber dem aus dem Eigentum fließenden Recht, das Gebäude durch den Aufbau eines Stockwerks zu vergrößern, und dem Interesse an der Schaffung neuen Wohnraumes nicht entscheidend ins Gewicht. Schuf doch der Gesetzgeber, als er Bestimmungen gegen die freie Kundbarkeit von Mieten erließ, durch die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 4 MietG. die Möglichkeit, unter gewissen Voraussetzungen im Interesse der Schaffung neuen Wohnraumes bestehende Mietverhältnisse sogar gänzlich zu lösen. Um so eher kann dem Beklagten, dessen Mietrecht hinsichtlich der Wohnräumlichkeiten uneingeschränkt aufrecht bleibt, zugemutet werden, Teile des Hauses, die auch sonst in von mehreren Mietern bewohnten Häusern allen Mietern zur Verfügung stehen, mit den Bewohnern der neu zu schaffenden Wohnräume zu teilen.

Der Oberste Gerichtshof vermag daher die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsauffassung, es sei entscheidend, ob der Beklagte schon bisher lediglich Mieter der im Hause vorhanden gewesenen Wohnräume mit entsprechender Mitbenützung der vorerwähnten Teile des Hauses gewesen sei, oder ob er Mieter des ganzen Hauses sei, nicht zu teilen, so daß sich auch die vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltene Aufnahme von Beweisen in dieser Richtung erübrigt. Der Beklagte hat allerdings auch vorgebracht, daß ihm während der Dauer der Bauarbeiten die Benützung der auf dem Dachboden befindlichen Mansarde unmöglich gemacht und deren Alleinbenützung dauernd entzogen würde, während die Kläger das Vorhandensein einer Mansarde überhaupt bestritten haben. Eine nähere Klärung ist aber auch in diesem Belang nicht erforderlich, weil die rechtliche Beurteilung der Sache auch bei Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens des Beklagten keine andere sein könnte. Der Beklagte hat nach dem maßgeblichen Vorbringen in erster Instanz selbst nicht die Befürchtung eines vollständigen Verlustes eines abgeschlossenen Mansardenraumes geäußert, sondern nur vorgebracht, daß ihm - abgesehen von der Unmöglichkeit der Benützung der Mansarde während der Bauführung - deren Alleinbenützung dauernd entzogen würde. Der in dem Verlust der Möglichkeit, den Mansardenraum künftig allein benützen zu können, gelegene Nachteil kann gleichfalls nicht als so schwerwiegend gewertet werden, daß er die Berechtigung des Mieters, den Aufbau des Stockwerks durch den Hauseigentümer zu verhindern, rechtfertigen könnte.

Der Meinung des Beklagten, ein Urteil im Sinne der Klage wäre nicht exekutionsfähig, weil sich aus ihm nicht das Maß der zu duldenden Bauarbeiten ergebe, ist entgegenzuhalten, daß das Maß der Bauarbeiten durch die Bezugnahme auf den vorgelegten Bauplan ausreichend bestimmt erscheint.

Das Klagebegehren erweist sich daher schon jetzt ohne weitere Verfahrensergänzung als begrundet. Es war daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

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