OGH 2Ob565/59

OGH2Ob565/5927.4.1960

SZ 33/47

Normen

Jagdgesetz für Niederösterreich §97
Jagdgesetz für Niederösterreich §99
Jagdgesetz für Niederösterreich §113
JN §1
Jagdgesetz für Niederösterreich §97
Jagdgesetz für Niederösterreich §99
Jagdgesetz für Niederösterreich §113
JN §1

 

Spruch:

Nach Aufhebung des Schiedsspruches kann das ordentliche Gericht wegen des Ersatzes von Wildschäden angerufen werden. Keine Verbindlichkeit des Eigentümers zur Einzäunung seines Weingartens zwecks Vermeidung von Wildschäden.

Entscheidung vom 27. April 1960, 2 Ob 565/59.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger im eigenen Namen und als Zessionar seiner Gattin mit dem noch strittigen Begehren vom Beklagten als dem Jagdausübungsberechtigten den Ersatz eines Wildschadens in der Höhe von 44.760 S mit der Behauptung begehrt, daß dieser im Jahr 1956 durch Wildverbiß von 1492 Weinstöcken in seinem 1 1/2 ha großen Weingarten entstanden sei.

Der Beklagte hat dagegen eingewendet, daß die Weinreben in einem Obst- und Hausgarten gepflanzt worden seien und der Kläger verpflichtet gewesen wäre, durch eine Umzäunung für den Schutz dieser hochwertigen Obstkultur selbst Vorsorge zu treffen (§ 97 nö. JagdG.), daß ferner der vom Kläger im August 1956 festgestellte Wildschaden nicht unverzüglich und daher nicht rechtzeitig angemeldet worden sei und der Kläger geeignete Abwehrmaßnahmen des Beklagten dadurch unmöglich gemacht habe, daß er ihm das Betreten des Gründes verboten habe. Das schlechte Wachstum der Reben sei hauptsächlich durch Engerlinge bewirkt worden; die infolge mangelhafter Betreuung zurückgebliebenen Setzlinge hätten auf jeden Fall zurückgeschnitten werden müssen, so daß der Schaden dadurch eingetreten wäre.

Das Erstgericht hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger 10.800 S zu zahlen; das Mehrbegehren von 33.960 S wurde abgewiesen. Es hat festgestellt, daß der Kläger (zusammen mit seiner Gattin) einen Besitz von zirka 10 ha habe und im obersten Teil seiner Liegenschaft eine Weinpflanzung im Ausmaß von 1 1/2 ha angelegt worden sei. Diese befinde sich innerhalb des Weinbaugebietes. Es sei einwandfreies Pflanzengut verwendet worden. Der die Liegenschaft umgebende Zaun sei vielfach durchbrochen, zum Teil zerfallen und überhaupt nicht vorhanden. Der Wildverbiß sei im Sommer 1956 an 1492 Weinreben festgestellt worden, der zu einem Verlust eines vollen Jahresertrages führte.

Das Erstgericht hat den Standpunkt eingenommen, daß es sich bei der Anpflanzung nicht um einen Hausgarten im Sinne des § 17 Abs. 1 nö. JagdG. handle, der Kläger zur Umzäunung des Weingartens nicht verpflichtet gewesen (§ 92 Abs. 1 nö. JagdG.) und die Haftung des Beklagten auch nach § 97 nö. JagdG. nicht ausgeschlossen sei, weil sich diese Bestimmung nicht auf Weingärten beziehe. Der Schaden sei nach den Bestimmungen des zitierten Gesetzes rechtzeitig geltend gemacht worden. An dem festgestellten Schaden hat das Erstgericht mehrere Abstriche, so insbesondere auch wegen Behinderung des Beklagten an der Vornahme wirksamer Wildabwehrmaßnahmen, für richtig erachtet.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers nicht Folge, der Berufung des Beklagten jedoch Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es das gesamte Klagebegehren abgewiesen hat. Es hat die Feststellungen des Erstgerichtes zum Grund des Anspruches übernommen und auch die rechtliche Beurteilung insoweit gebilligt, als es die rechtzeitige Geltendmachung des Schadens angenommen und den Weingarten nicht als Hausgarten gewertet hat. Es hat aber den Anspruch des Klägers deshalb nicht für gegeben erachtet, weil dieser den Beklagten durch das Verbot, den Weingarten zu betreten, daran gehindert habe, entsprechende Vorkehrungen zur Verhinderung des Wildschadens zu treffen. Der Kläger habe daher den Schaden selbst zu verantworten, sein Begehren widerspreche den guten Sitten.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers Folge gegeben, das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Vorerst war von Amts wegen die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges für den vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruch zu prüfen. Der Oberste Gerichtshof ist der Auffassung, daß nach der Unwirksamerklärung des Schiedsspruches im Sinne des § 113 Abs. 1 nö. JagdG. der Rechtsweg zulässig ist. Diese Auffassung hat der Oberste Gerichtshof bereits im SpR. 271 (AmtlSlg. NF. 1839) vertreten. Die erwähnte Entscheidung ist zu § 91 des mährischen Jagdgesetzes vom 26. Juli 1912, LGBl. Nr. 4/1914, ergangen, welche Gesetzesbestimmung dieselbe Regelung enthält wie der hier anzuwendende § 113 nö. JagdG. Die Erwägungen, die damals den Obersten Gerichtshof geleitet haben, die Zulässigkeit des Rechtsweges zu bejahen, sind auch jetzt noch maßgebend. Der Geschädigte kann sich zwar nicht von vornherein wegen Ersatzes des Jagd- oder Wildschadens an die ordentlichen Gerichte wenden, sondern er hat vorerst gemäß § 99 nö. JagdG. ein Schiedsgericht anzurufen. Der Schiedsspruch kann jedoch aus den Gründen des § 595 ZPO. angefochten und vom ordentlichen Gericht für unwirksam erklärt werden (§ 113 Abs. 1 nö. JagdG.). Das Gesetz enthält nun keine Bestimmung darüber, was in einem solchen Fall weiter zu geschehen hat. Aus dem Stillschweigen des Gesetzgebers kann aber keineswegs geschlossen werden, daß der Geschädigte in diesem Fall ohne weiteren Rechtsschutz bleiben soll. Mit dem Versagen des Schiedsspruches ist nur der vom Gesetzgeber beabsichtigte einfache Weg zur Entscheidung der Angelegenheit abgeschnitten, keineswegs aber die weitere Rechtsverfolgung unmöglich gemacht worden. In dem hier anzuwendenden Gesetz ist auch der ordentliche Rechtsweg vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden.

Da der Schadenersatz des Klägers an sich privatrechtlicher Natur ist, hat das ordentliche Gericht darüber zu entscheiden. Eine Entscheidung durch die ordentlichen Gerichte wäre nur dann ausgeschlossen, wenn kraft gesetzlicher Bestimmung die Entscheidung einer anderen Behörde vorbehalten wäre. Dies ist hier nicht der Fall. Aus der in SZ. XVI 237 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ist eine entgegengesetzte Auffassung nicht abzuleiten.

In rechtlicher Hinsicht billigt der Oberste Gerichtshof die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Anlage des Weingartens durch gesetzliche Bestimmungen nicht verboten gewesen sei, der Kläger seinen Schaden im Sinne des § 103 Abs. 2 nö. JagdG. rechtzeitig geltend gemacht habe, daß es sich bei der in Anspruch genommenen Haftung des Beklagten gemäß § 93 des zitierten Gesetzes nicht um eine Verschuldens-, sondern um eine Verursachungshaftung handle und daß der vom Wildschaden betroffene Weingarten nicht als Hausgarten im Sinne des § 17 Abs. 1 des zitierten Gesetzes anzusehen sei. Soweit der Beklagte die zuletzt angeführte Auffassung des Berufungsgerichtes als unrichtig bekämpft, kann seinen Ausführungen nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat den Begriff "Hausgarten" im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung keineswegs zu eng ausgelegt. Die Aufzählung der Örtlichkeiten im § 17 Abs. 1 des zitierten Gesetzes, an denen die Jagd ruht, läßt deutlich erkennen, daß als Hausgärten nur solche Gärten anzusehen sind, die mit dem Haus, Hof und Wirtschaftsgebäude in engem Zusammenhang stehen und durch eine Umzäunung eingeschlossen sind. Es steht nun fest, daß der Grundbesitz des Klägers 10 ha beträgt und der 1 1/2 ha große Weingarten am äußersten Ende der Liegenschaft angelegt worden ist. Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß keine solche räumliche Beziehung zwischen dem Weingarten und dem Haus, und den Wirtschaftsgebäuden besteht, um jenen als Hausgarten im Sinne des Gesetzes zu werten. Ein Haftungsausschluß des Beklagten gemäß §§ 17 Abs. 1, 93 Abs. 1 lit. b nö. JagdG. liegt somit nicht vor.

Mit Recht wendet sich der Kläger gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß er durch das mit Schreiben vom 20. Juni 1956 an den Beklagten gerichtete Verbot, den Grund des Klägers zu betreten, die Jagdruhe auf seinem Grund unter schwerwiegenden Drohungen für den Fall der Übertretung des Verbotes in Anspruch genommen habe und der Beklagte dadurch von seiner Verpflichtung zum Ersatz des in dieser Zeit entstandenen Wildschadens befreit sei.

Die Tatsache, daß der Kläger in diesem Schreiben den Weingarten als Hausgarten bezeichnet und sich deshalb für berechtigt gehalten hat, die Jagd auf seiner Liegenschaft zu verbieten, ist für den Rechtsstreit nicht von entscheidender Bedeutung. Diese Frage war vom Gericht zu entscheiden und ist auch richtig gelöst worden. Der Kläger hat sich mit seinem Schreiben auch nicht das Ruhen der Jagd erzwungen, vielmehr hat er damit nur das zum Ausdruck gebracht, was im § 91 Abs. 1 des zitierten Gesetzes bereits festgelegt ist, nämlich daß vom Beginn des Frühjahrs bis nach beendeter Ernte, vorbehaltlich einer besonderen Gestattung des Grundbesitzers, auf bebauten Feldern und in Weingärten weder gejagt noch getrieben noch das Wild mit Hunden aufgescheucht werden darf. Der Beklagte mußte aber auch zur Verhinderung des Wildschadens den Weingarten des Klägers nicht betreten. Er hätte vielmehr, wie der Kläger in seiner Revision richtig ausführt, andere geeignete Maßnahmen treffen können, um das Wild aus dem an und für sich nicht großen Weingarten zu verscheuchen. So hätte er insbesondere die Weingartengrenzen abschreiten und Schreckschüsse in unmittelbarer Nähe des Weingartens abgeben können. Ob der Beklagte solche Maßnahmen getroffen hat, war nicht festzustellen, da er gemäß § 92 Abs. 2 des zitierten Gesetzes für den Wildschaden, welcher trotz der von ihm zur Abhaltung des Wildes getroffenen Vorkehrungen entstanden ist, haftbar bleibt, wenn er nicht beweist, daß der Zweck dieser Vorkehrungen durch ein Verschulden des Geschädigten vereitelt worden ist. In dem festgestellten Verhalten des Klägers ist ein Verschulden nicht zu erblicken. Durch das an den Beklagten gerichtete Verbot, den Grund nicht zu betreten, sind geeignete Abwehrmaßnahmen zur Verhinderung des Wildschadens nicht vereitelt worden. Dem Beklagten kommt daher der Haftungsausschluß nach § 92 Abs. 2 des zitierten Gesetzes nicht zu.

Der Kläger wendet sich auch mit Recht gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Bestimmung des § 97 Abs. 1 nö. JagdG. bezüglich des Weingartens sinngemäß anzuwenden sei. Diese Auffassung ist im Gesetz nicht begrundet. Hätte der Gesetzgeber diese Bestimmung auch auf Weingärten anwenden wollen, dann ist anzunehmen, daß er diese Anpflanzungsart, die in anderen Gesetzesstellen (§§ 91, 92 Abs. 4 nö. JagdG.) besonders erwähnt wird, auch in dieser Gesetzesbestimmung ausdrücklich angeführt hätte. Die Unterlassung deutet darauf hin, daß der Gesetzgeber die Weingärten von dieser Bestimmung ausnehmen und die Anpflanzungen in dieser Gesetzesstelle taxativ aufzählen wollte. Es ist auch in Weinbaugebieten nicht allgemein üblich, Weingärten durch Umzäunung gegen Wildschäden zu schützen. Vielmehr werden in solchen Gebieten zu bestimmten Zeiten Hüter eingesetzt, denen der Gesetzgeber im § 92 Abs. 4 des zitierten Gesetzes das Recht einräumt, das Wild durch blinde Schreckschüsse zu verscheuchen. Der Kläger war daher nicht verpflichtet, den Weingarten zu umzäunen oder die schadhaft gewordene Umzäunung auszubessern oder zu erneuern. Gemäß § 92 Abs. 1 des zitierten Gesetzes ist der Kläger zwar berechtigt, seine Kulturen durch Zäune, Gitter, Mauern u. dgl. gegen Wildschaden zu schützen. Er ist aber hiezu nicht verpflichtet, sofern nicht eine Verbindlichkeit auf Grund eines Vertrages gegeben ist. Eine solche vertragliche Verpflichtung ist aber weder behauptet noch nachgewiesen worden. Aus der Unterlassung der Wiederherstellung der schadhaft gewordenen Umzäunung des Besitzes des Klägers kann somit ein Ausschluß der Haftung des Beklagte nicht abgeleitet werden. Ebenso kann es nicht haftungsbefreiend für den Beklagten wirken, daß der Kläger die Wildvergrämungsmittel zu wenig intensiv angewendet hat. Dieser Umstand könnte allenfalls zu einer Haftungseinschränkung Anlaß geben.

Die Haftung des Beklagten für den eingetretenen Wildschaden ist somit grundsätzlich zu bejahen. Eine Entscheidung in der Sache selbst war aber dem Obersten Gerichtshof nicht möglich, weil das Berufungsgericht, ausgehend von einer anderen Rechtsauffassung, zur Höhe des Schadens noch nicht Stellung genommen hat. Das Berufungsgericht wird nunmehr unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes das erstgerichtliche Urteil auch hinsichtlich der Höhe des Anspruches im Rahmen der Berufungsanträge zu überprüfen haben.

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