OGH 5Ob115/60

OGH5Ob115/606.4.1960

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.^Kisser als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba, Dr. Lachout, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Otto A*****, vertreten durch Dr. Karl Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien Josef S*****, Landwirt in B*****, *****, und Anna S*****, Landwirtin, ebendort, beide vertreten durch Dr. Michael Burgstaller, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen Räumung (Streitwert S 10.001,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 16. Februar 1960, GZ 7 R 38/60-10, womit der Beschluss des Kreisgerichtes Korneuburg vom 30. Dezember 1959, GZ 2 b Cg 312/59-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger behauptet, bücherlicher Eigentümer der Grundstücke Nr 964/1 Weide und Nr 969 Acker KG B***** der Liegenschaft EZ ***** der niederösterreichischen Landtafel zu sein. Er begehrt von den Beklagten die Räumung der von ihnen benützten Teile der genannten Grundstücke.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und erklärte das bisher durchgeführte Verfahren für nichtig. Es vertrat den Standpunkt, dass ein Fall des § 1 Abs 1 des dritten Rückstellungsgesetzes, BGBl 1947, Nr 54, vorliege und daher gemäß § 15 dieses Gesetzes zur Entscheidung die Rückstellungskommission zuständig sei.

Das Rekursgericht änderte den Beschluss des Erstgerichtes dahin ab, dass es die von den Beklagten erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit die als Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges anzusehen sei, zurückwies und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auftrug. Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Eine Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung soll darin liegen, dass sich die Gründe der Entscheidung in einem wesentlichen Punkte widersprechen. Die Beklagten übersehen, dass die Nichtigkeit des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nur dann gegeben ist, wenn der Spruch selbst einen Widerspruch aufweist (vgl ZBl 1928, Nr 164 ua). Ein solcher Widerspruch wird von den Beklagten nicht behauptet. Er liegt auch nicht vor.

Richtig ist, dass das Vorbringen des Klägers auch unter dem Gesichtspunkte einer Vermögensentziehung nach den Rückstellungsgesetzen beurteilt werden kann. Der Kläger ist aber auch berechtigt, einen Anspruch unter Hintansetzung des Entziehungstatbestandes auf Grund der sonstigen Gesetzgebung vor den ordentlichen Gerichten zu erheben. Das ist ständige Rechtsprechung (vgl 1 Ob 557/52 ua). Der Kläger hat zunächst einen Rückstellungsanspruch wegen Entziehung der oben näher bezeichneten Grundstücke gegen die Republik Österreich und gegen Josef S***** und Maria H***** vor der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien geltend gemacht. Der gegen die Republik Österreich gerichtete Antrag wurde von der Rückstellungskommission der Finanzlandesdirektion Wien abgetreten, die mit Bescheid vom ***** den Rückstellungsantrag mit der Begründung abwies, dass der Kläger bücherlicher Eigentümer der Liegenschaften sei und daher eine Rückstellung nicht in Frage komme. Denn die Rückstellung nach dem zweiten Rückstellungsgesetz sei nur dann möglich, wenn es sich um Vermögen handle, das am 8. Mai 1945 im Eigentum des Deutschen Reiches gestanden sei (§§ 30 Abs 1 und 31 Abs 1 des Ersten Staatsvertragsdurchführungsgesetzes BGBl Nr 165/1956). Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Der Antrag des Klägers gegen Josef S***** und Maria H***** wurde mit Erkenntnis der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien vom ***** ua mit der Begründung abgewiesen, dass der Rückstellungswerber, der gar nicht behauptet, eine Vermögensentziehung erlitten zu haben, nach § 14 Abs 5 des dritten Rückstellungsgesetzes zur Erhebung eines Rückstellungsanspruches nicht berechtigt sei. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich ferner, dass der Vater und Rechtsvorgänger des Klägers im Jahre 1940 ohne Rechtsgrund durch das Deutsche Reich - Reichsfiskus (Heer) - von den Grundstücken vertrieben und durch ungerechten Zwang genötigt worden sei, diese Grundstücke neben anderen mit Kaufvertrag vom 15. August 1944 an den Reichsfiskus (Heer) zu verkaufen. Dieser Kaufvertrag sei grundbücherlich nicht durchgeführt und auch eine Entschädigungssumme nicht bezahlt worden. Es liege ein nichtiger Vertrag vor, auf den sich die Beklagten nicht berufen können. Aus dem oben festgehaltenen Vorbringen des Klägers ergibt sich, dass zwischen seinem Vater und Rechtsvorgänger als Verkäufer einerseits und der Reichsstelle für Landbeschaffung - offenbar nach § 2 Abs 2 des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 29. März 1935, DRGBl I, S 467 - unter Anwendung von Zwang (§ 870 ABGB) ein Kauf abgeschlossen wurde. Da die Verbücherung dieses Vertrages nicht erfolgt ist, ist der Kläger Eigentümer der mit diesem Vertrag erworbenen Liegenschaft geblieben. Der Kläger gründet seinen Anspruch auf Übergabe und Räumung der von den Beklagten benützten Grundstücksteile auf sein Eigentum und auf die wegen Zwang gegebene Nichtigkeit des mit der Reichsstelle für Landbeschaffung abgeschlossenen Vertrages. Er macht also keinen Rückstellungsanspruch geltend, sondern erhebt gegen die Beklagten eine Klage aus dem Eigentumsrecht, für die die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Dass auch ein Entziehungstatbestand vorgelegen ist, hindert nicht, wie bereits eingangs ausgeführt, die Erhebung von Ansprüchen nach den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzes. Der Oberste Gerichtshof teilt daher die Meinung der Beklagten nicht, das Rekursgericht habe die Sache unrichtig rechtlich beurteilt und es sei die Annahme des Rekursgerichtes, das Klagebegehren sei nicht auf die Wiederherstellung von entzogenen dinglichen Rechten gerichtet, aktenwidrig. Aus diesen Erwägungen musste dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben.

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