Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen, wobei auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen sein wird.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Bezahlung von 8.916,90 S samt Anhang mit der Begründung, er hätte den Beklagten in den Jahren 1955 bis 1958 freiwillig zur Sozialversicherung angemeldet, ohne hiezu verpflichtet gewesen zu sein, weil kein versicherungspflichtiges Dienstverhältnis bestanden habe; der Beklage habe ihm versprochen, die vom Kläger geleisteten Sozialversicherungsbeiträge diesem zu ersetzen.
Der Beklagte hat eingewendet, er sei beim Kläger als Verkäufer angestellt gewesen und habe niemals die vertragliche Verpflichtung übernommen, dem Kläger die Sozialversicherungsbeiträge zu vergüten. Der Beklagte hat außerdem eine Gegenforderung von 3.674,95 S eingewendet, weil der Kläger ihm rechtswidrig die Ausfolgung von Krankenscheinen verweigert habe.
Das Erstgericht hat erkannt, dass die eingeklagte Forderung zu Recht, die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und hat dem Klagebegehren stattgegeben. Es hat angenommen, dass es sich um eine freiwillige Versicherung des Beklagten gehandelt habe, weil das monatliche Einkommen des Beklagten aus seiner Tätigkeit für den Kläger in der Hauptsache unter 270 S monatlich gelegen gewesen sei und weil es die Zusage des Beklagten als erwiesen angenommen hat, dem Kläger die Sozialversicherungsbeiträge voll zu ersetzen. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte berufen. Er hat in zweiter Instanz auch den Zwischenantrag auf Feststellung gestellt, es möge festgestellt werden, dass die zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vereinbarungen vom Feber 1955 und 4. März 1957 ungültig seien, weil sie den zwingenden Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs widersprechen und weil es sich um ein im Sinne des ASVG versicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis gehandelt habe. Das Berufungsgericht hat das Verfahren neu durchgeführt und die Parteienvernehmung der Streitteile ergänzt. Es hat den Zwischenantrag des Beklagten auf Feststellung abgewiesen, weil dessen Wirkung nicht über den vorliegenden Rechtsstreit hinausgehen würde. Im Übrigen hat es der Berufung Folge gegeben und das Ersturteil auf Abweisung der Klage abgeändert. Zwischen den Streitteilen habe kein Dienstverhältnis bestanden. Diese Frage sei überdies auch bedeutungslos. Hätte ein Dienstverhältnis vorgelegen, so hätte der Kläger den Unternehmerteil an den Sozialversicherungsbeiträgen selbst zu tragen gehabt und hätte den Arbeitnehmerteil bei sonstigem Verlust spätestens bei der auf die Fälligkeit des Beitrages folgenden nächsten Entgeltszahlung einbehalten müssen. Hätte aber kein Dienstverhältnis vorgelegen, so wäre die Vereinbarung, dass der Beklagte dem Kläger die Beiträge einer freiwilligen Versicherung zu ersetzen habe, eine Vereinbarung zur Erreichung eines gesetzwidrigen Erfolges gewesen, weshalb der Kläger diese Beiträge vom Beklagten gemäß § 1174 ABGB nicht zurückfordern dürfe.
Gegen dieses Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision des Klägers, in der die Revisionsgründe der Z 2 bis 4 des § 503 ZPO geltend gemacht werden und beantragt wird, das Ersturteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte hat beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist begründet.
Die Prüfung der Frage, ob der Beklagte Dienstnehmer des Kläger war, ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht zu umgehen. Hiezu hat das Berufungsgericht festgestellt: Der Beklagte betreibt in St. M***** gewerbsmäßig den Handel mit Tierhäuten und besitzt hiefür ein Geschäftslokal. Der Kläger ist Schuherzeuger in G***** und hat auch die Gewerbeberechtigung erworben, mit dem Standort in St. M***** den Schuhhandel zu betreiben. Der Kläger hat mit dem Beklagten im Feber 1955 vereinbart, dass im Lokal des Beklagten auf Rechnung des Kläger Schuhe des Klägers verkauft werden und dass der Kläger hiefür dem Beklagten fünf oder zehn Prozent Provision für den jeweiligen Verkauf bezahlt, je nachdem ob der Verkauf im Lokal oder außerhalb des Lokals stattgefunden hat. Für die Benützung des Lokals zahlte der Kläger dem Beklagten monatlich 400 S. Mit 1. 2. 1957 entfiel diese Zahlung, dafür bezog der Beklagte fünfzehn Prozent vom Umsatz der Schuhe und musste sämtliche im Geschäft anfallenden Spesen aus eigenem tragen. Neben diesen Feststellungen des Berufungsgerichtes muss aber bei der Beurteilung des Rechtsverhältnisses der Streitteile auch berücksichtigt werden, dass unbestritten ist, dass am Lokal in St. M***** auch ein Firmenschild des Klägers angebracht worden war und dass der Kläger selbst zugibt, dass der Beklagte bezüglich des Schuhverkaufes an seine Weisungen gebunden war, dass der Kläger die Preise der Schuhe bestimmte, zu denen der Beklagte die Schuhe verkaufen musste und dass es ihm freistand, die zum Verkauf zur Verfügung gestellten Schuhe jederzeit wieder abzuziehen (S 47 und 90).
Hinsichtlich der ersten Zeit der Beziehungen der Streiteile muss daher rechtlich gesagt werden, dass zwischen den Streitteilen ein Mietvertrag über ein Geschäftslokal abgeschlossen wurde, weil dem Kläger das Geschäftslokal des Beklagten gegen Bezahlung von 400 S monatlich zur Ausübung des Schuhhandelsgewerbes des Klägers zur Verfügung gestellt wurde. Dass das gleiche Lokal vereinbarungsgemäß auch vom Beklagten für seinen Fellhandel benutzt werden durfte und benutzt wurde, ändert nichts daran, dass dem Kläger der Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis überlassen wurde, dass demnach gemäß § 1090 ABGB ein Mietvertrag vorliegt.
Daneben übernahm der Beklagte die vertragliche Verpflichtung, im Namen des Klägers, auf Rechnung desselben und im Rahmen der diesem zustehenden Gewerbeberechtigung Schuhe zu verkaufen, wobei es dem Kläger überlassen war zu bestimmen, welche Schuhe feilgehalten wurden und zu welchem Preis sie feilgehalten werden mussten. Als Gegenleistung sollte der Beklagte einen gewissen Prozentsatz des Umsatzes erhalten. Ob auch eine Vereinbarung dahingehend zustande kam, dass der Beklagten dem Kläger die Kosten einer "freiwilligen Sozialversicherung" zu ersetzen zugesagt hat, ist allerdings strittig. Ob nun diese Vereinbarung getroffen wurde oder nicht, das zwischen den Streitteilen bezüglich des Verkaufes der Schuhe geschlossene Übereinkommen trägt alle Merkmale eines Dienstvertrags. Ein solcher liegt nach § 1151 ABGB vor, wenn sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet. "Dienste" im Sinne dieser Gesetzesstelle sind gleichbedeutend mit "Arbeiten" und umfassen Arbeiten jeder Art (vgl Adler-Höller in Klang, 2. Aufl, 5. Band S 155). Die Verpflichtung des Beklagten bestand im Verkauf der vom Kläger zum Zwecke des Verkaufs zur Verfügung gestellten Schuhe, er hatte daher für den Kläger Dienste im Sinne des § 1151 ABGB zu leisten. Der Umstand, dass er mit dem Kläger gleichzeitig einen Mietvertrag über das Lokal geschlossen hatte, besagt nichts, weil nicht einzusehen ist, warum der Mieter eines Lokals nicht auch den Vermieter desselben in seine Dienste nehmen und mit ihm neben dem Mietvertrag gleichzeitig auch einen Dienstvertrag abschließen könnte. Auch der Umstand, dass das Entgelt des Beklagten für die Verkaufstätigkeit mit einem gewissen Prozentsatz des Umsatzes vereinbart wurde, ändert nichts am Vorliegen eines Dienstvertrages, weil im gegebenen Falle ein Gesellschaftsverhältnis - woran allenfalls auch gedacht werden könnte - von niemand behauptet wurde und auch nicht vorliegt, weil das wesentliche Element eines Gesellschaftsvertrages darin liegt, dass zwei oder mehrere Personen ihre Mühe oder Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen vereinigen (§ 1175 ABGB). Auch ein Kommissionsverhältnis liegt nicht vor, weil die Schuhe nicht im Namen des Beklagten, sondern im Namen des Klägers verkauft wurden. Auch dass der Beklagte weiterhin seinen Fellhandel, also ein selbständiges Gewerbe, betrieb, ist für die rechtliche Beurteilung des Verhältnisses der Streitteile ohne Bedeutung, weil das Gesetz nicht ausschließt, dass jemand ein selbständiges Gewerbe betreibt und daneben mit einem anderen einen Dienstvertrag abschließt.
Der Beklagte war also Dienstnehmer des Klägers, zugleich bestand zwischen den Streitteilen bis zum 4. 3. 1957 auch ein Mietverhältnis. Daran hat auch die Vereinbarung von diesem Tage nur insofern etwas geändert, als damals das Mietverhältnis aufgelöst wurde, dafür aber, dass nunmehr der Verkauf in den Räumen des Beklagten durchgeführt wurde, diesem ein höherer Prozentsatz am Umsatz als Gegenleistung des Klägers zugesagt wurde. Der Beklagte war daher entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes Dienstnehmer des Klägers.
Das Berufungsgericht wird daher zu prüfen haben, ob und welchem Kollektivvertrag das Arbeitsverhältnis des Beklagten unterlag und ob und welchem Mindestverdienst der Beklagte nach einem allenfalls geltenden Kollektivvertrag jeweils zu bekommen hatte, weil der Beklagte, wenn für ihn ein Kollektivvertrag gelten sollte, auf diesen Mindestverdienst nicht wirksam verzichten konnte, gleichgültig, wie groß der Umsatz beim Schuhverkauf war. Diesem Auftrag an das Berufungsgericht steht die Abweisung (richtig wohl Zurückweisung) des Zwischenantrages des Beklagten auf Feststellung durch die zweite Instanz nicht entgegen, weil diese Abweisung nur aus formellen, nicht aber aus materiellen Gründen erfolgte.
Das Berufungsgericht wird aber auch festzustellen haben, ob der Kläger nicht in einzelnen Monaten auf Grund der vereinbarten Umsatzprozente mehr als den Mindestlohn nach einem allfälligen Kollektivvertrag verdient hat, weil in einem solchen Falle der Beklagte Anspruch auf den höheren Betrag hat. Steht solcherart fest, was der Beklagte vom Kläger rechtlich an Entgelt zu erhalten hatte, wird die Sozialversicherungspflicht für die einzelnen Monate gesondert zu beurteilen sein, weil es nicht darauf ankommt, ob der Beklagte im Durchschnitt weniger als den Betrag von 270 S verdient hat, sondern darauf, was er in den jeweiligen Monaten verdient hat, um seine Versicherungspflicht abschließend beurteilen zu können. Für die einzelnen allenfalls versicherungspflichtigen Monate wird sodann der Sozialversicherungsbeitrag festzustellen und die auf den Arbeitgeber und Arbeitnehmer entfallenden Teile zu ermitteln sein. Den vom Arbeitgeber zu tragenden Teil der Sozialversicherungsbeiträge wird der Kläger nicht ersetzt verlangen können, weil dieser Teil unüberwälzbar ist. Hinsichtlich dieses Teiles wird die Klage jedenfalls abzuweisen sein. Ebenso wird der Kläger vom Beklagten nichts fordern können, was er allenfalls über das gesetzliche Ausmaß hinaus an die Gebietskrankenkasse Salzburg geleistet hat. Bezüglich des Beitragsteiles des Arbeitsnehmers wird bezüglich der Zeit vor und nach Inkrafttreten des ASVG (1. 1. 1956) zu unterscheiden sein. Zur Zeit der Geltung der RVO bestimmte deren § 394 Abs 1, dass sich die Versicherungspflichtigen bei der Lohnzahlung ihre Beitragsteile vom Barlohn abziehen lassen müssen. Die Arbeitgeber durften die Beitragsteile nur auf diesem Wege wieder einziehen. Nach § 394 Abs 2 RVO konnte das Bundesministerium für soziale Verwaltung bestimmen, wie dem Arbeitgeber der Beitragsteil des Versicherungspflichtigen zu erstatten ist, wenn das Entgelt desselben ganz oder überwiegend aus Sachbezügen bestand oder von Dritten gewährt wurde. Der Gesetzgeber der RVO hatte daher für Fälle, in denen der Lohn dem Arbeitnehmer nicht bar ausbezahlt wurde, sondern der Barlohn dem Arbeitnehmer anderweitig zukam, Ausnahmebestimmungen vorgesehen. Da solche abweichende Bestimmungen nicht erlassen wurden und zur Zeit der Geltung der Reichsversicherungsordnung abweichende Vertragsabreden nach § 139 Abs 2 RVO nichtig waren (vgl auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. 6. 1954, Zl 2251/54 = Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes 1954, Teil A, Nr 3440), kann der Kläger vom Beklagten für die Zeit der Geltung der Reichsversicherungsordnung die Erstattung des Arbeitnehmerteiles nicht mehr fordern. Seit Inkrafttreten des ASVG ist gemäß § 60 Abs 1 der Dienstgeber berechtigt, den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil vom Entgelt in barem abzuziehen. Dieses Recht muss bei sonstigem Verlust bei der auf die Fälligkeit des Beitrags nächstfolgenden Entgeltszahlung ausgeübt werden, es sei denn, dass die nachträgliche Entrichtung der vollen Beiträge oder eines Teiles dieser vom Dienstgeber nicht verschuldet ist. § 60 Abs 2 ASVG bestimmt hingegen, dass dann, wenn das Entgelt in barem ganz oder teilweise aus Leistungen Dritter besteht, es der Vereinbarung zwischen dem Versicherten und dem Dienstgeber überlassen bleibt, auf welche Weise der Dienstgeber den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil einziehen kann. Das ASVG lässt daher für vom Normalfall (Auszahlung des Barlohnes durch den Arbeitgeber) abweichende Verhältnisse Abreden der Partner des Arbeitsvertrages zu § 60 Abs 2 ASVG wird daher auf den vorliegenden Rechtsfall sinngemäß anzuwenden sein. Haben die Streiteile also - was das Berufungsgericht noch festzustellen haben wird - eine Abrede getroffen, dass der Beklagte dem Kläger die ganzen Sozialversicherungsbeiträge oder wenigstens den Arbeitnehmerteil derselben vergütet, so wird diese Abrede soweit wirksam sein, als sie den Arbeitnehmerteil betrifft. Haben sie aber keine solche Abrede getroffen, wie dies der Beklagte behauptet, kann der Beklagte zur Tragung des Arbeitnehmerteiles nicht herangezogen werden (so auch Anm 4 zu § 60 Abs 2 ASVG in Gehrmann-Rudolph-Teschner).
Sollte aber das Arbeitsverhältnis des Beklagten keinem Kollektivvertrag unterliegen und sollte daher in einigen oder allen Monaten eine Beitragspflicht zur Sozialversicherung nicht bestanden haben, könnte entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes die Bestimmung des § 1174 ABGB nicht angewendet werden. Der Kläger hätte zwar in einem solchen Falle seine Verpflichtung, gegenüber der Salzburger Gebietskrankenkasse wahre Angaben zu machen, über Wunsch des Klägers verletzt, er hätte aber die der unrichtigen Anmeldung entsprechenden Beiträge geleistet, die Gebietskrankenkasse hätte keinen Nachteil erlitten. Die vom Erstgericht als erwiesen angenommene Vereinbarung, dass der Beklagte dem Kläger die Sozialversicherungsbeiträge ersetzt, kann daher weder als gesetznoch als sittenwidrig angesehen werden, falls ein versicherungspflichtiges Dienstverhältnis nicht vorgelegen haben sollte (so auch schon 4 Ob 68/58 = SOZ III E S 208). § 1174 ABGB steht dieser einem allfälligen Rückforderungsanspruch des Klägers nicht entgegen, falls dem Kläger im Sinne dieser Rechtsausführungen ein Anspruch zusteht, wird das Berufungsgericht auch zur eingewendeten Gegenforderung Stellung zu nehmen haben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
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