Spruch:
Kommt dem Dienstnehmer durch die nicht gebotene Anmeldung zur Gebietskrankenkasse ein Vermögensvorteil zu und soll dieser Vorteil das Entgelt für die zu leistenden Dienste sein, dann liegt eine an sich nicht sittenwidrige Entgeltsvereinbarung nach dem § 1152 ABGB. vor.
Entscheidung vom 1. Juli 1958, 4 Ob 68/58.
I. Instanz: Arbeitsgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Der Kläger, der behauptet, beim Beklagten als Buchhalter tätig gewesen zu sein, und der ursprünglich der Berechnung seiner klagsweise geltend gemachten Lohnforderung ein monatliches Bruttoentgelt von 1000 S zugrunde gelegt hatte, schränkte schließlich in der Streitverhandlung vom 11. März 1957 sein Begehren auf 18.657 S 20 g s. A. ein. Er brachte hiezu vor, daß Anfang Mai 1953 eine außergerichtliche Einigung zwischen den Streitteilen zustandegekommen sei, derzufolge er für die Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Dezember 1955 monatlich netto 300 S, zusammen 8400 S, ferner den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungsbeiträge für die Monate September bis Dezember 1955 im Betrage von zusammen 422 S 40 g, die Kinderbeihilfe für die Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Dezember 1955 im Betrage von 9360 S, die Wohnungsbeihilfe im Betrage von 840 S und den Ersatz der Barauslagen in der Höhe von 2948 S 80 g, zusammen eben den Betrag von 18.657 S 20 g, erhalten sollte.
Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Betrag von 14.016 S 40 g samt 4% Zinsen seit 2. November 1955 und die Prozeßkosten zu. Das Mehrbegehren wies es ab. In tatsächlicher Beziehung stellte es fest, daß der Kläger ab Beginn des Jahres 1952 meist in seiner Wohnung für den Beklagten in dessen Auftrag Buchhaltungsarbeiten verrichtete und für die Zeit bis 31. August 1953 mit einem Betrag von 2000 S entlohnt werden sollte, daß aber für die Zeit ab 1. September 1953 keine Lohnvereinbarung erweislich sei, sondern nur, daß der Kläger mit 1. September 1953 im beiderseitigen Einvernehmen zur Sozialversicherung angemeldet wurde, wobei in der Anmeldung eine Entlohnung von 1000 S brutto angegeben wurde. Es stellte ferner fest, daß der Kläger neben den eigentlichen Buchhaltungsarbeiten noch andere Besorgungen für den Beklagten durchführte, daß die Arbeit des Klägers seine Erwerbstätigkeit nicht hauptsächlich in Anspruch nahm, daß ihm hiefür ein angemessenes Entgelt von monatlich 300 S gebühre und daß die Lösung des Dienstverhältnisses mit Ende August 1955 - allerdings ohne stichhältigen Grund - durch Entlassung erfolgte. Es stellte endlich fest, daß sich der Kläger während der Dauer des Dienstverhältnisses im April 1955 durch 12 Tage in der Heil- und Pflegeanstalt K. befand und während dieser Zeit keine Arbeit verrichten konnte, daß der Kläger Barauslagen für den Beklagten in der Höhe von 2948 S 80 g hatte, die ihm nicht ersetzt wurden, daß der Beklagte dem Kläger auf Rechnung seiner Buchhaltungstätigkeit einen Betrag von 5314 S in Form von Geldzahlungen und sonstigen Leistungen leistete und daß der Beklagte für die Zeit ab 1. September 1953 durch 22 Monate Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger im Betrage von 194 S 40 g monatlich, insgesamt 4646 S, zahlte. Aus dem gegebenen Sachverhalte folgerte das Erstgericht, daß das Dienstverhältnis des Klägers nicht nach dem Angestelltengesetz, sondern nach § 1159a ABGB. zu beurteilen sei, daß für die Zeit ab 1. September 1953 das Entgelt gemäß § 1152 ABGB. zu bemessen war, daß der Kläger wohl unbegrundet entlassen wurde, aber gemäß § 1159a ABGB. nur eine Kündigungsentschädigung von vier Wochen in Anspruch nehmen könne und daß er sich den Betrag von 5314 S und außerdem die Hälfte der für ihn bezahlten Sozialversicherungsbeiträge, das ist den Betrag von 2323 S, anrechnen lassen müsse. Es kam demgemäß zur Aufstellung folgender Rechnung:
Gehalt für die Zeit vom 1. Jänner 1952 bis 31. August 1953
................................... 2.000 S 00 g, Gehalt für die
Zeit vom 1. September 1953 bis 30. September 1955 = 24 Monate a 300
S und 1 Monat (April 1955) a 200 S ...................... 7.400 S 00
g, Kinderbeihilfe für die Zeit vom 1. September 1953 bis 31.
Dezember 1954 = 16 Monate a 315 S ............. 5.040 S 00 g,
Kinderbeihilfe für die Zeit vom 1. Jänner 1955 bis 30. September
1955 = 9 Monate a 360 S ................. 3.240 S 00 g,
Wohnungsbeihilfe für die Zeit vom 1. September 1953 bis 30.
September 1955 = 25 Monate a 30 S ............. 750 S 00 g,
Barauslagen ........................................... 2.948 S 80
g, ------------- zusammen
............................................. 21.378 S 80 g; hievon
ab ............................................ 5.314 S 00 g und
.................................................. 2.323 S 00 g, --
------------ verbleibt Rest .......................................
13.741 S 80 g.
Der Betrag, zu dem das Erstgericht gelangte, nämlich 14.016 S 40 g, beruht auf einem offenbaren Rechenfehler. Die Gesamtsumme der Ansprüche des Klägers macht 21.378 S 80 g aus. Wenn von diesem Betrage 5314 S und 2323 S, zusammen 7637 S, in Abzug gebracht werden, verbleiben nur mehr 13.741 S 80 g.
Der Kläger hat die Abweisung des Mehrbegehrens in Rechtskraft erwachsen lassen.
Das Berufungsgericht sprach dem Kläger in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils nur den Betrag von 3326 S samt 4% Zinsen seit 2. November 1955 zu, das Mehrbegehren von 10.690 S 40 g samt 4% Zinsen seit 2. November 1955 wies es ab. Es führte die Verhandlung von neuem durch und stellte nach Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens fest:
Der Kläger, der dem Beklagten, einem Jugoslawen, seine Frächterkonzession verpachtet hatte, besorgte für ihn auch verschiedene schriftliche Arbeiten. Als Entgelt war eine Stundenentlohnung von 5 S vereinbart. Im Sommer 1953 einigten sich die Streitteile dahin, daß der Beklagte dem Kläger für die bis einschließlich 31. August 1953 verrichteten Arbeiten einen Betrag von 2000 S bezahle. Ab 1. September 1953 meldete der Beklagte den Kläger bei der Gebietskrankenkasse mit einer Beitragsgrundlage von 1000 S monatlich bei einer Beschäftigung von 48 Wochenstunden an und zahlte für ihn den Beitrag zur Sozialversicherung, und zwar sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmerbeitrag. Weiters bezahlte der Beklagte dem Kläger die Kinderbeihilfe für drei Kinder. Als es zu Mißhelligkeiten gekommen war, meldete der Beklagte den Kläger am 20. August 1955 bei der Gebietskrankenkasse ab.
In der Zeit vom 1. Jänner 1952 bis 31. August 1953 war der Kläger nicht bei der Sozialversicherung gemeldet. Für seine Tätigkeit in dieser Zeit wurde er mit insgesamt 2000 S entlohnt. Nach dem 1. September 1953 trat keine Änderung in der Tätigkeit des Klägers für den Beklagten ein. Zur Anmeldung des Klägers bei der Gebietskrankenkasse kam es über sein Betreiben und über seinen Vorschlag. Er erklärte hiebei, daß es seine Sache sei, die Buchungen in bezug auf seine Person dieser Vereinbarung entsprechend vorzunehmen; für den Beklagten sei der fiktive Lohnbetrag eine Steuerabzugspost. Der Beklagte zahlte zur Gänze die Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt 4671 S 37 g für den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum; er zahlte dem Kläger die Kinderbeihilfe, die ihm dann vom Finanzamt den Vorschriften entsprechend rückverrechnet wurde. In der Zeit vom 13. April bis 24. April und vom 10. Oktober bis 28. Oktober 1955 war der Kläger wegen seiner chronischen Trunksucht in der Nervenheilanstalt K. untergebracht.
Das Dienstverhältnis des Klägers beim Beklagten hat seine Erwerbstätigkeit nicht hauptsächlich in Anspruch genommen. Ein versierter Buchhalter braucht höchstens 4 bis 6 Stunden monatlich zu den Buchhaltungsarbeiten, die der Kläger verrichtete. Selbst wenn er die doppelte Zeit benötigt und für den Beklagten tatsächlich einige Wege gemacht hätte, sei seine Erwerbstätigkeit nicht hauptsächlich in Anspruch genommen worden.
Das Berufungsgericht stellte ausdrücklich fest, daß über Art und Höhe des Entgelts zwischen den Streitteilen vereinbart worden war, daß der Beklagte für den Kläger den gesamten Beitrag zur Krankenversicherung bezahle, damit er in den Genuß der Kassenleistungen für sich und seine Familie komme; daß die Krankenkasse dem Kläger, obwohl sie hiezu zufolge der Vorschrift des § 213 RVO. nicht verpflichtet gewesen wäre, die satzungsmäßigen Leistungen erbrachte und darüber hinaus auch noch die freiwillige Weiterversicherung des Klägers ab 1. Jänner 1956 entgegennahm; daß zwischen den Streitteilen eine Vereinbarung über die Zahlung eines Entgeltes von 1000 S oder 300 S nie getroffen worden war; daß auch nachträglich keine Einigung über die Zahlung eines monatlichen Betrages von 300 S zustandekam;, ferner, daß der Kläger bereits Mitte August 1955 gekundigt wurde und daß daher sein Dienstverhältnis spätestens mit Ende August 1955 endete, da § 1159b ABGB. auf das Dienstverhältnis anzuwenden sei; endlich, daß der Kläger jedenfalls für die Dauer des Dienstverhältnisses, das ist für die Zeit vom 1. September 1953 bis 31. August 1955, Anspruch auf Zahlung der Kinderbeihilfe und der Wohnungsbeihilfe gegen den Beklagten hatte, daß die Kinderbeihilfe für drei Kinder bis Ende 1954 315 S, von da an 360 S monatlich betrug und daß die Wohnungsbeihilfe 30 S monatlich ausmachte. Die Feststellung, daß der Kläger für den Beklagten Auslagen im Betrage von 2948 S 80 g hatte, lehnte das Berufungsgericht ab. Es hielt die bezüglichen Angaben des Klägers für unglaubwürdig.
Aus dem von ihm festgestellten Sachverhalt folgerte das Berufungsgericht, daß eine Entgeltsvereinbarung zwischen den Streitteilen getroffen wurde, daß auf das Dienstverhältnis des Klägers § 1159b ABGB. anzuwenden sei und daß der Kläger nach der getroffenen Vereinbarung vom Beklagten zu fordern habe:
Krankenkassenbeiträge vom 1. September 1953 bis 31. August 1955
................................... 4.671 S 37 g, Kinderbeihilfe für
die Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Dezember 1954 a 315 S
monatlich ...... 5.040 S 00 g, Kinderbeihilfe für die Zeit vom 1.
Jänner 1955 bis 31. August 1955 a 360 S ...........................
2.880 S 00 g, Wohnungsbeihilfe vom 1. September 1953 bis 31. August
1955 ....................................... 720 S 00 g, ---------
---- zusammen ......................................... 13.311 S 37
g.
Hierauf habe der Beklagte geleistet die Krankenkassenbeiträge in der
Höhe von ........ 4.671 S 37 g und den weiteren Betrag von
...................... 5.314 S 00 g, ------------- zusammen
.......................................... 9.985 S 37 g, so daß eine
Restforderung von ..................... 3.326 S 00 g verbleibe.
Diesen Betrag sprach es dem Kläger zu, das Mehrbegehren wies es ab.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In bezug auf die rechtliche Beurteilung ist als erste Frage zu prüfen, ob in der Vereinbarung über die Anmeldung des Klägers bei der Gebietskrankenkasse, über die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge, die Kinderbeihilfe und die Wohnungsbeihilfe eine gültige Entgeltsvereinbarung zu erblicken ist. Diese Frage war zu bejahen. Entgelt für Dienstleistungen kann jeder Vermögensvorteil sein, der dem Dienstnehmer für seine Dienste zugesagt und geleistet wird. Sogar die bloße Chance der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist als Gegenleistung für Dienste anzusehen und daher Entgelt im Sinne des Gesetzes. Ist dem Kläger durch die Anmeldung zur Gebietskrankenkasse, die nach den Feststellungen der Untergerichte sonst nicht geboten gewesen wäre, ein Vermögensvorteil zugekommen und sollte dieser Vorteil das Entgelt für die zu leistenden Dienste darstellen, dann liegt eine Entgeltsvereinbarung im Sinne des § 1152 ABGB. vor und die Frage nach einem angemessenen Entgelt ist nicht mehr zu stellen und zu prüfen, dies allerdings unter der Voraussetzung, daß diese Vereinbarung gültig zustandegekommen ist und nicht aus dem Gründe der Gesetz- oder Sittenwidrigkeit von einem der Vertragsteile bekämpft werden kann. Eine Gesetz- und Sittenwidrigkeit der Vereinbarung ist im konkreten Falle nicht gegeben. Richtig ist wohl, daß der Beklagte über Wunsch des Klägers seine Pflicht als Dienstgeber, wahre Angaben zu machen, gegenüber der Kärntner Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte verletzt hat. Er hat aber die der Anmeldung entsprechenden Beiträge geleistet. Die Versicherungsanstalt hatte keinen Nachteil. Was die Kinder- und die Wohnungsbeihilfe anlangt, so hatte der Kläger, wie das Berufungsgericht an Hand der gesetzlichen Bestimmungen ausdrücklich feststellte, Anspruch auf die Beihilfen, bezüglich der ersteren jedenfalls als Familienbeihilfen. Auch hier erwuchs keiner Stelle ein Nachteil. In der Entgeltsfrage ist demnach dem Berufungsgericht zu folgen. Die vom Berufungsgericht aufgestellte Rechnung entspricht der Sachlage.
Es bleibt nur noch die Frage, ob § 1159b ABGB. zur Anwendung kommt und dem Kläger demnach nur eine 14tägige Kündigungsentschädigung gebührt. In diesem Punkt erhebt die Revision keine Rüge. Sie könnte es auch nicht, da davon, daß die Erwerbstätigkeit des Klägers hauptsächlich in Anspruch genommen wurde, weder nach den erstgerichtlichen noch nach den zweitinstanzlichen Feststellungen die Rede sein kann. Das Dienstverhältnis war demnach nach § 1159b ABGB. zu beurteilen.
Für die Entscheidung hat völlig außer Betracht zu bleiben, ob dem Beklagten die von ihm gezahlten Beträge an Kinderbeihilfen refundiert wurden. Das war bei der Absprache der Streitteile über die Gegenleistungen, die vom Beklagten für die Dienste des Klägers zu erbringen waren, in Kauf genommen. Die Gegenleistungen sollten nur in der Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse zu den vereinbarten Bedingungen, in der vollständigen Tragung der Sozialversicherungsbeiträge durch den Beklagten und in der Zahlung der Kinder- und Wohnungsbeihilfen bestehen. Diese Leistungen hat der Beklagte in dem vom Berufungsgericht festgestellten Ausmaß erbracht. Die offene Differenz hat er dem Kläger zu zahlen. Eine Bereicherung des Beklagten ist nicht erfolgt; eine solche läge nur dann vor, wenn dem Beklagten ein Vermögensvorteil zum Nachteil des Klägers zugekommen wäre. Dies ist nicht der Fall.
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