Spruch:
Zur Vertragsaufhebung gemäß § 1118 ABGB. genügt eine formlose, auch außergerichtliche Erklärung. Die Klage auf Räumung und Übergabe des Bestandgegenstandes nach § 1118 ABGB. ist eine Leistungsklage, § 406 ZPO. ist anzuwenden.
Entscheidung vom 11. November 1959, 6 Ob 336/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Im Jahre 1952 verpachtete Johann H. der Klägerin seinen Kaffeehausbetrieb in Wien mit gewerbebehördlicher Genehmigung auf die Dauer von zehn Jahren. Nach Pkt. VII des Pachtvertrages soll der Verpächter berechtigt sein, das Pachtverhältnis sofort zur Auflösung zu bringen, wenn die Pächterin mit der Bezahlung des Pachtschillings oder der Lokalmiete trotz eingeschriebener Mahnung und Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen säumig ist. Nach Pkt. XI des Pachtvertrages sollen im Fall des Ablebens eines Vertragsteiles alle seine Rechte und Pflichten auf seine Erben übergehen. Die Beklagte, die Witwe und Alleinerbin des 1953 verstorbenen Johann H., hat unterlassen, die Fortführung des Betriebes als "Witwenbetrieb" nach § 56 GewO. anzuzeigen; sie hat vielmehr auf ihr Ansuchen eine eigene Konzession am 21. März 1956 verliehen erhalten. Ihrem Ansuchen um Genehmigung der Ausübung des Gewerbes durch einen Pächter und um Genehmigung der Klägerin als Pächterin wurde mangels wichtiger Gründe im Sinne des § 19 Abs. 2 GewO. keine Folge gegeben. Gegen diesen Bescheid hat nur die Klägerin Berufung ergriffen, welche Berufung mangels Parteistellung der Klägerin als unzulässig zurückgewiesen wurde. Infolge Verfügung der Gewerbebehörde wurde der Kaffeehausbetrieb ab 20. November 1957 geschlossen und erst wieder eröffnet, nachdem der Klägerin selbst auf ihr am 5. Oktober 1957 überreichtes Ansuchen mit Bescheid vom 20. Dezember 1957 die Konzession auf die Dauer des zwischen ihr und der Beklagten beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu 46 C 411/57 schwebenden Räumungsprozesses, längstens aber bis 31. Dezember 1958, erteilt worden war. Die Beklagte hatte nämlich gegen die Klägerin zu diesem Aktenzeichen (früher 46 C 285/56) mit am 24. Juli 1956 übrreichter, der Klägerin als dort Beklagter am 5. August 1956 zugestellter Klage das Klagebegehren gestellt, die Klägerin als dort Beklagte schuldig zu erkennen, der Beklagten als dortiger Klägerin das Kaffeehaus geräumt von ihren Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben. In diesem Räumungsprozeß wurde nach Verhandlungen am 6. September 1956, 19. November 1956, 30. September 1957 und 29. November 1957 die Verhandlung am 29. November 1957 gemäß § 193 Abs. 3 ZPO. zur Vorlage von zwei Originalurkunden geschlossen. Dem Klagebegehren wurde stattgegeben. Das dieses Räumungsverfahren abschließende Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 17. Oktober 1958 geht davon aus, daß die dort beklagte Klägerin seit 1. März 1956 die Zahlung eines Pachtzinsteiles von 300 S monatlich verweigert habe, daß die Mahnung und Setzung der 14 tägigen Nachfrist im Sinn des Pkt. VII des Pachtvertrages jedenfalls durch die Räumungsklage ersetzt erscheine und es gemäß § 406 ZPO. in Ansehung der klagsgegenständlichen Leistung, nämlich der Räumung und Übergabe des Kaffeehauses, genüge, daß die Fälligkeit dieser Leistung zur Zeit des Verhandlungsschlusses am 29. November 1957 jedenfalls schon eingetreten war.
Mit vorstehender Klage verlangt die Klägerin 89.430 S als Ersatz des ihr durch die Schließung des Kaffeehauses vom 19. November 1957 bis 27. Dezember 1957 entstandenen Schadens.
Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß der Anspruch dem Gründe nach zu Recht bestehe, da, wenn die Beklagte den Witwenfortbetrieb angezeigt hätte, eine neuerliche Genehmigung der Verpachtung an die Klägerin nicht erforderlich gewesen wäre. Auf Berufung der Beklagten wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab, da der Pachtvertrag zur Zeit der Kaffeehaussperre vom 19. November bis 27. Dezember 1957 schon aufgelöst gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Da der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nur aus der Pflicht der Beklagten als der Verpächterin abgeleitet werden kann, der Klägerin als der Pächterin den bedungenen Gebrauch des verpachteten Unternehmens zu verschaffen und sie in diesem Gebrauch nicht zu stören, ist die Frage entscheidend, ob der Pachtvertrag in der Zeit vom 19. November bis 27 Dezember 1957 noch aufrecht bestanden hat oder schon früher aufgehoben worden ist. Im vorliegenden Fall ist der Vertrag wegen Verweigerung der Zahlung des der Beklagten zustehenden Pachtzinses gemäß § 1118 ABGB. zur Aufhebung gelangt. Zu einer solchen Aufhebung genügt eine formlose (auch außergerichtliche) Erklärung. Von dem Zeitpunkt dieser Erklärung an ist die Aufhebung wirksam (RiZ. 1936 S. 247; Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 471; Klang 2. Aufl. V 119). Es bedarf also keiner Klage. Die Klage auf Räumung und Übergabe des Bestandgegenstandes, den zu behalten der Bestandnehmer keinen rechtlichen Grund mehr hat (§ 1435 ABGB.), ist eine Leistungsklage und nicht etwa eine Rechtsgestaltungsklage; § 406 ZPO. kommt zur Anwendung. Das Urteil hat keine konstitutive Wirkung (RiZ. 1936 S. 247; RiZ. 1934 S. 219; ZBl. 1931 Nr. 271; Ehrenzweig a. a. O; Klang a. a. O.; wenn Klang im offenbaren Widerspruch zu seiner an der zitierten Stelle vertretenen Meinung in Anm. 2 zu § 8 ABGB. (a. a. O. S. 122) die Ansicht vertritt. Die Klage aus § 1118 ABGB. sei eine Rechtsgestaltungsklage, der die Rechtsänderung rechtfertigende Tatbestand müsse schon bei Klagsanbringung vorliegen, § 406 ZPO. sei nicht anzuwenden, dann kann diese bei einem Leistungsbegehren causa flnita auf Übergabe abzulehnende Ansicht nicht auf die von ihm bezogene Entscheidung RiZ. 1934 S. 219 gestützt werden, die in ihrem Wesen nur auf der richtigen Erkenntnis beruht, daß, wenn einmal der Bestandvertrag rechtmäßig durch eine Aufhebungserklärung aufgehoben worden ist, später eingetretene Umstände, wie z. B. eine nachträgliche Zinszahlung, wenn nicht § 21 Abs. 3 MietG. Anwendung findet, ihn nicht wieder zum Leben erwecken können). Wenn also die Klägerin in ihrer Revision gegen den Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichtes nur ins Treffen führt, daß die Beklagte so lange durch den Pachtvertrag gebunden gewesen sei, bis sie gegen die Klägerin Räumungsexekution führen konnte, übersieht sie, daß der Pachtvertrag, wenn im Sinn der oberstgerichtlichen Entscheidung 6 Ob 183/58 spätestens in der Räumungsklage die zur Vertragsauflösung erforderliche Mahnung und Nachfristsetzung erblickt wird, spätestens durch Verlauf von 14 Tagen nach der Zustellung der Räumungsklage an die dort beklagte Klägerin am 5. August 1956 und durch die Antragstellung der dort klagenden Beklagten im Sinn ihres dortigen Räumungsbegehrens bei der folgenden Verhandlung vom 6. September 1956 außer Kraft gesetzt worden ist.
Bei dieser Rechtslage erübrigen sich Rechtsausführungen in der Richtung, ob - abgesehen von der Vertragsauflösung - die Beklagte der Klägerin gegenüber verpflichtet gewesen wäre, den Witwenfortbetrieb anzuzeigen, und es kann deshalb in der Unterlassung von Feststellungen in dieser Richtung entgegen dem Ständpunkt der Revision auch ein Mangel des Berufungsverfahrens nicht gelegen sein.
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