OGH 1Ob212/59

OGH1Ob212/5914.10.1959

SZ 32/120

Normen

ABGB §36 f.
ABGB §36 f.

 

Spruch:

Die Form einer letztwilligen Verfügung ist grundsätzlich nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dem der Erblasser angehörte; es genügt aber auch die Beobachtung der am Ort der Testamentserrichtung geltenden Gesetze.

Entscheidung vom 14. Oktober 1959, 1 Ob 212/59.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin ist die Enkelin, die Beklagte eine Nichte der am 20. November 1954 in der Tschechoslowakei verstorbenen österreichischen Staatsangehörigen Elfriede N. Die Erblasserin soll am 22. August 1954 in ihrem Wohnort S. in der Tschechoslowakei ein mündliches Testament errichtet haben. Die Klägerin verlangte die Feststellung, daß ein solches mündliches Testament nicht vorliege; die Beklagte beantragte, dieses Begehren abzuweisen.

Die Untergerichte entschieden übereinstimmend, daß die von der Erblasserin am 22. August 1954 abgegebenen Erklärungen nicht als mündliches Testament anzusehen seien. Sie stellten im wesentlichen fest:

Hedwig M. und Josef Sch. trafen mit der Erblasserin am 22. August 1954 bei Helene St. zusammen. Hiebei war von einer schweren Erkrankung der Hedda M. die Rede. Die Erblasserin machte im Zusammenhang damit die Bemerkung, wie rasch man "Weg sein" könne. Daran anschließend äußerte sich die Erblasserin, sie sollten sich merken, daß, falls ihr einmal etwas passieren sollte, die Hälfte des Vermögens die Klägerin und die Hälfte die Beklagte bekommen sollten. Die Erblasserin lehnte es aber ab, ein schriftliches Testament zu errichten; sie äußerte, sie werde, wenn sie in Wien sei, dort ein schriftliches Testament errichten, denn sie werde erst sehen, ob die Beklagte bei ihr bleiben werde; falls dies zutreffe, dann bekomme sie von ihr alles. Dies erklärte die Erblasserin noch einige Tage vor ihrem Tod. Daraus müsse aber geschlossen werden, daß die Erblasserin noch nach dem 22. August 1954 andere Kombinationen erwogen habe, so daß es damit zweifelhaft erscheine, ob ihre Äußerungen vom 22. August 1954 als rechtsgültiges mündliches Testament angesehen werden könnten. Die Erblasserin habe am 22. August 1954 nicht eröffnet, sie wolle nun mündlich ihren letzten Willen kundtun; sie habe auch nicht darauf verwiesen, daß sie ihren letzten Willen oder ihr Testament errichten wolle. Den drei Zeugen habe das Bewußtsein ihrer Aufgabe, einem Testierakt als Zeugen beizuwohnen, ebenso gefehlt wie die Absicht, als Zeugen eine letztwillige Erklärung entgegenzunehmen.

Die Frage, ob österreichisches Recht oder tschechoslowakisches Recht anzuwenden sei, beantwortete das Erstgericht dahin, daß österreichisches Recht angewendet werden müsse, weil die Erblasserin bis zu ihrem Tode österreichische Staatsangehörige war.

Das Berufungsgericht nahm zu dieser Frage nicht Stellung. In der Sache selbst verneinten beide Untergerichte die Gültigkeit eines mündlichen Testamentes, weil festgestellt sei, daß ein ernstlicher Testierwille nicht vorgelegen sei und die Zeugen nicht das Bewußtsein gehabt hätten, Testamentszeugen zu sein.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach der im Schrifttum herrschenden Auffassung ist die Form einer letztwilligen Verfügung grundsätzlich nach dem Recht zu beurteilen, das für die erbrechtlichen Verhältnisse überhaupt maßgeblich ist, das ist nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser angehörte; es genügt aber auch die Beobachtung der am Ort der Testamentserrichtung geltenden Gesetze (Walker - Verdross - Satter in Klang 2. Aufl. I/1 S. 264; Walker, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. S. 907; vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. III S. 122; Bolla, Grundriß des österreichischen internationalen Privatrechtes, S. 76 f.; vgl. ferner Art. 11 EGBGB.). Auf Abgrenzungen im einzelnen und Zweifelsfragen braucht dazu nicht eingegangen zu werden, weil sowohl die Beurteilung nach tschechoslowakischem wie nach österreichischem Recht die Ungültigkeit des angeblichen mündlichen Testamentes ergibt.

Zum tschechoslowakischen Recht hat der Erstrichter zutreffend darauf verwiesen, daß gemäß § 540 Abs. 1 des seit 1. Jänner 1951 geltenden Zivilgesetzbuches ein Testament nur in schriftlicher Form errichtet werden kann. Ein gültiges mündliches Testament kommt daher nicht in Frage.

Nach österreichischem Recht ist zur Gültigkeit eines mündlichen Testamentes erforderlich, daß der Erblasser vor drei fähigen Zeugen ernstlich seinen letzten Willen erklärt hat (§ 585 ABGB.). Im vorliegenden Fall haben aber die Untergerichte festgestellt, daß ein ernstlicher Testierwille nicht vorlag. Darüber hinaus ist für die Gültigkeit des Testamentes im Sinne der eben bezogenen Gesetzesstelle notwendig, daß alle drei Zeugen bei der Äußerung des Erblassers das Bewußtsein hatten, Zeugen einer letztwilligen Verfügung zu sein (EvBl. 1955 Nr. 42, 1 Ob 505/55, 7 Ob 185/56, 7 Ob 365/56, 7 Ob 71/57). Dazu haben aber die Untergerichte als erwiesen angenommen, daß die Zeugen dieses Bewußtsein nicht hatten. Soweit in der Revision auszuführen versucht wird, daß doch eine ernstliche Testierabsicht der Erblasserin bestanden habe und die Zeugen wohl gewußt hätten, daß sie Zeugen einer letztwilligen Verfügung seien, handelt es sich um Angriffe gegen tatsächliche Feststellungen der Untergerichte (1 Ob 28/58, EvBl. 1955 Nr. 42, 1 Ob 505/55) und damit gegen die Beweiswürdigung, auf die im Revisionsverfahren nicht eingegangen werden kann.

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