OGH 3Ob169/59

OGH3Ob169/5914.7.1959

SZ 32/92

Normen

EO §37
EO §37

 

Spruch:

Ein Mitbesitzer kann die Durchsetzung eines gegen den anderen Mitbesitzer gerichteten Endbeschlusses auf Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht hindern.

Entscheidung vom 14. Juli 1959, 3 Ob 169/59.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Bartholomäus Sch. ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ. 873 KG.

V G. Mit Notariatsakt vom 17. Oktober 1956 schenkte er seiner Gattin Margarethe Sch. die ideelle Hälfte eines Trennstückes dieser Liegenschaft. Am 18. Februar 1957 wurde dieses Trennstück der im Eigentum beider Ehegatten stehenden Liegenschaft EZ. 872 KG. V G. zugeschrieben. Am 10. Dezember 1956 errichtete Bartholomäus Sch. entlang der neugebildeten Grundgrenze einen neuen Bretterzaun mit Betonsäulen und entfernte Teile der früheren Gartenumzäunung. Johann Sch. brachte gegen seinen Bruder Bartholomäus Sch. am 24. Dezember 1956 die Besitzstörungsklage ein. Bei der Verhandlung am 23. Jänner 1957 wurde Margarethe Sch. als Zeugin vernommen. Mit Endbeschluß vom 4. April 1957 wurde festgestellt, daß Bartholomäus Sch. den ruhigen Besitz des Johann Sch. gestört habe, und er wurde zur Wiederherstellung des früheren Zustandes verhalten. Mit Beschluß vom 18. Juli 1957 wurde Johann Sch. die Exekution zur Erwirkung der Wiederherstellung des früheren Zustandes bewilligt, und er wurde ermächtigt, auf Kosten der verpflichteten Partei die Entfernung des von der verpflichteten Partei errichteten Bretterzaunes und der Betonsäulen sowie die Wiedererrichtung der abgerissenen Teile der früheren Gartenumzäunung durch einen anderen befugten Gewerbsmann (Zimmermeister) durchführen zu lassen.

Gegen diese Exekution erhob Margarethe Sch. in der am 23. August 1957 beim Erstgericht eingebrachten Klage Widerspruch, weil ihr das Miteigentumsrecht zur ideellen Hälfte an den Grundstücken, auf denen der neue Zaun errichtet wurde, und an dem neuen und alten Zaun sowie Rechte auf Grund des Schenkungsvertrages vom 17. Oktober 1956 zustunden.

Nachdem ein stattgebendes Urteil vom Berufungsgericht ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben worden war, wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es steht fest, daß die Klägerin als bücherliche Hälfteeigentümerin erst auf Grund des Beschlusses vom 18. Februar 1957 im Grundbuch eingetragen wurde. Erst damit ist sie Hälfteeigentümerin der Liegenschaft geworden. Da sie im Besitzstörungsprozeß am 23. Jänner 1957 als Zeugin vernommen wurde, war ihr die Tatsache des gegen ihren Gatten anhängigen Besitzstörungsverfahrens bekannt. Sie mußte daher mit der Möglichkeit eines Endbeschlusses rechnen, der auf Wiederherstellung des vor der Störung bestandenen tatsächlichen Besitzstandes gerichtet war. Sie konnte das bücherliche Eigentum nur mit dieser sich aus dem Besitzstörungsprozeß möglicherweise ergebenden Beschränkung erwerben. Ihre aus der Einverleibung des Hälfteeigentums erworbenen Rechte können daher auch eine Exekutionsführung aus dem Endbeschluß nicht hindern und nicht unzulässig machen.

Es ist richtig, daß die Klägerin in der Klage behauptet hat, daß ihr schon am Tag der Errichtung des Schenkungsvertrages am 17. Oktober 1956 die ideelle Hälfte der geschenkten Grundflächen samt Zubehör wirklich und tatsächlich in ihren Besitz und Genuß gegeben wurde. Diese Behauptung steht allerdings im Widerspruch mit dem Notariatsakt, wonach die tatsächliche Übergabe und Übernahme der Grundstücksteile in den Besitz und Genuß der Geschenknehmerin mit Fertigung des Vertrages als vollzogen gilt. Die Klägerin übersieht auch, daß die Rechtswirksamkeit des Schenkungsvertrages von der Genehmigung durch das Rechtsamt des Magistrates G. gemäß den Bestimmungen des Wohnsiedlungsgesetzes abhängig gemacht wurde, so daß eine wirksame Besitzübergabe vor der Genehmigung des Notariatsaktes gar nicht erfolgen konnte. Die Klägerin hat im Verfahren nicht vorgebracht, wann die Genehmigung und eine wirksame Übergabe daher tatsächlich erfolgt ist. Aber selbst wenn es richtig wäre, daß die Klägerin bereits, sei es vor der Besitzstörung, sei es nach der Besitzstörung, den Besitz an den geschenkten Grundstückshälften durch Übergabe erworben hätte, könnte sie eine Exekutionsführung aus dem Endbeschluß nicht hindern, weil ihr keine Rechte zustehen, die die Exekutionsführung unzulässig machen. Im Endbeschluß wurde nur die Tatsache der Störung des letzten Besitzstandes festgestellt und der Gatte der Klägerin zur Wiederherstellung des alten Zustandes verurteilt. Die Durchsetzung eines solchen Beschlusses kann weder ein Miteigentümer noch ein Mitbesitzer durch Berufung auf eigene Rechte hindern, weil jeder Miteigentümer oder Mitbesitzer den dem Kläger des Besitzstörungsprozesses zuerkannten Anspruch berücksichtigen muß, auch wenn er sich nur gegen einen Miteigentümer, der den Besitz des Klägers faktisch gestört hat, richtet. Andernfalls käme man zu dem Ergebnis, daß die Durchsetzung eines Endbeschlusses gegen einen Miteigentümer gegen den Willen der übrigen Miteigentümer, gegen die kein Endbeschluß erlassen werden konnte, überhaupt nie möglich wäre.

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