OGH 4Ob333/59

OGH4Ob333/5916.6.1959

SZ 32/80

Normen

Glückspielverordnung §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §28
Glückspielverordnung §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §28

 

Spruch:

Werbepreisausschreiben sind wettbewerbsrechtlich nur dann unzulässig, wenn sie einen Kaufzwang verfolgen oder sonst die freie Entschließung des Publikums in sittenwidriger Weise beeinflussen.

Entscheidung vom 16. Juni 1959, 4 Ob 333/59.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin erzeugt und vertreibt unter der Marke "Solcafe" einen Bohnenkaffee-Extrakt und steht daher mit der Beklagten, die den Alleinvertrieb des "Nescafe" in Österreich hat, in einem Wettbewerbsverhältnis.

Die Beklagte veranstaltete im Mai 1958 folgendes Preisausschreiben:

sie versandte an Lebensmittelgeschäfte Fensterkleber, auf deren oberem Teil ein Mädchen mit einer Schale Kaffee in der einen und mit einem Kärtchen mit den Worten "Mein liebster Kaffee" in der anderen Hand abgebildet ist; auf dem unteren Teil ist eine Nescafedose, bei welcher sich mit einem auf die Bezeichnung "Nescafe" hinweisenden Pfeil der Werbetext befindet: "Nur dieser Name bietet Ihnen die Garantie, das ist Nescafe aus 100% Bohnenkaffee".

Gleichzeitig mit den Fensterklebern versandte die beklagte Partei Prospekte, in denen die Lebensmittelhändler eingeladen wurden, mindestens einen der zwei beigeschlossenen Fensterkleber bis Ende Juni 1958 gut sichtbar an ihren Auslagenscheiben oder Eingangstürfenstern anzubringen.

Das Preisausschreiben bestand darin, daß die Konsumenten auf einer Postkarte den Text des Kärtchens in der Hand des Mädchens unter das Wort "Nescafe" zu schreiben hatten. Gleichzeitig mußten sie angeben, bei welchem Kaufmann sie die Fensterkleber gesehen hatten. Die Postkarten waren bis 16. Juni 1958 an die Beklagte einzusenden. Die Ziehung der Preisträger sollte Ende Juni 1958 erfolgen. Der Einsender der ausgelosten Postkarte und der auf ihr angegebene Lebensmittelhändler sollten den gleichen Preis erhalten. Als Preise waren ausgesetzt: ein Volkswagen, ein Musikschrank, ein Kompressorkühlschrank, eine Universal-Küchenmaschine, eine Schweizer Herren- oder Damenarmbanduhr und weitere zweimal 5000 Preise von je einer Dose Nescafe.

Der aus diesem unbestrittenen Sachverhalt abgeleitete und insbesondere auf § 1 UWG. und § 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 25. Mai 1950, BGBl. Nr. 137, gestützte Urteilsantrag der Klägerin in der Klage lautete auf Verurteilung der Beklagten

1. zur Unterlassung der Ankündigung und Durchführung von Preisausschreiben, bei denen

a) die Teilnahme von Kaufleuten daran gebunden ist, daß sie diese Reklametexte bietet Garantie, das ist Nescafe aus 100% Bohnenkaffee", in ihren Auslagen anbringen, oder bei denen

b) 10.000 Dosen Nescafe zur Verteilung gelangen oder die

c) nicht im Sinne der Verordnungen BGBl. Nr. 342/1932 und Nr. 395/1935 genehmigt sind;

2. zur Einstellung des mit ihrem Werbeschreiben vom Mai 1958 angekundigten Preisausschreibens mit dem Kennspruch "Mein liebster Kaffee", zur Unterlassung der Auslosung von Preisen und zur schriftlichen Verständigung der in Betracht kommenden Kaufleute bzw. der Öffentlichkeit durch entsprechende Zeitungseinschaltungen.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. September 1958 ließ die Klägerin das Klagebegehren zu Pkt. 1 c und 2 fallen und stellte unter Pkt. 2 folgendes neue Begehren: die beklagte Partei sei schuldig, sofort bei sonstigem Zwang die Ankündigung zu unterlassen: "Nur Nescafe bietet Garantie, das ist Nescafe aus 100% Bohnenkaffee".

Das Erstgericht gab nur diesem Begehren statt und wies alle anderen Begehren der Klägerin ab. Hiezu führte es in rechtlicher Beziehung aus, daß in der Aufgabe einzelner Teile des Klagebegehrens, die gesonderte und selbständige Begehren darstellten, eine teilweise Zurücknahme der Klage liege. Da diese Zurücknahme von der Klägerin in der mündlichen Streitverhandlung, somit in einem Prozeßstadium ausgesprochen worden sei, in dem nach § 237 Abs. 1 ZPO. die Klage ohne Zustimmung der Beklagten nur unter gleichzeitigem Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen werden könne, einerseits aber die Klägerin einen Verzicht, andererseits die Beklagte eine Zustimmung zur Klagsrücknahme ausdrücklich abgelehnt hätten, sei auch über diese Begehren mit Urteil abzusprechen gewesen. Das in derselben mündlichen Streitverhandlung gestellte neue Begehren sei eine Klagserweiterung, die auch ohne Zustimmung der Beklagten mangels erheblicher Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung zuzulassen gewesen sei.

Das Preisausschreiben falle nicht unter das Verbot der Verordnung BGBl. Nr. 137/1950, weil weder in der Aussetzung von zweimal 5000 Dosen Nescafe als Preisen etwas Wettbewerbswidriges zu erblicken noch der Warenbezug Voraussetzung für die Teilnahme an der Verlosung sei. Auch werde auf den Kaufmann kein Zwang zum Kauf von Nescafe ausgeübt. Ebensowenig liege in der Einwirkung auf den Spieltrieb des Kaufmannes eine sittenwidrige Werbung. Es könnten auch auf dem Umweg über § 1 UWG. im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf keine strengeren Regeln angewendet werden, als sie aus dem Gesetz selbst hervorgingen. Das Begehren nach Pkt. 1 a des Klageantrags gehe, soweit es allgemein die Unterlassung von Preisausschreiben, die mit der Anbringung von Reklametexten für Nescafe verbunden seien, zum Gegenstand habe, zu weit, denn die Verwendung von Reklametexten, die nicht wettbewerbswidrig seien, könne nicht untersagt werden; soweit es das Verbot von Preisausschreiben bezwecke, bei denen die Teilnahme daran gebunden sei, daß der Reklametext "Nur Nescafe bietet Garantie .... " in den Auslagen angebracht werde, sei es in dem in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. September 1958 neu gestellten Begehren inbegriffen. Das Begehren zu Pkt. 1 b des Klageantrages sei ohne jede Anführung von konkreten Tatsachen und ohne Beweisanerbieten geblieben, weshalb es infolge Unschlüssigkeit nicht näher zu behandeln gewesen sei. Das Begehren zu Pkt. 1 c schließlich sei abzuweisen gewesen, weil der Verfassungsgerichtshof den § 2 des Glückspielgesetzes, StGBl. Nr. 117/1945, u. a. insoweit als verfassungswidrig aufgehoben habe, als durch ihn die Ausspielungsverordnung BGBl. Nr. 342/1932 und die diese Verordnung abändernde Verordnung BGBl. Nr. 395/1935 wieder in Kraft gesetzt worden seien. Diese Aufhebung sei mit Ablauf des 21. Juni 1958 wirksam geworden (Kundmachung des Bundeskanzleramtes vom 9. August 1957, BGBl. Nr. 201/1957); auf diese Änderung der Rechtslage sei vom Gericht in jeder Lage des Rechtsstreites Bedacht zu nehmen. Die Ausspielungsverordnung in der Fassung des BGBl. Nr. 395/1935 sei daher nicht mehr anzuwenden. Dem Begehren hätte auch kein Erfolg beschieden werden können, wenn die Ausspielungsverordnung in der novellierten Fassung noch Geltung hätte; denn diese Verordnung verbiete nur glücksspielartige Formen des Vertriebes von Waren und Leistungen, wenn sie von einem Warenbezug oder von der Inanspruchnahme einer Leistung abhängig seien; beides sei bei dem Preisausschreiben der Beklagten nicht der Fall.

Das neu gestellte Begehren habe das Begehren auf Unterlassung von Preisausschreiben, bei welchen die teilnehmenden Kaufleute den Reklametext "Nur Nescafe bietet Garantie, das ist Nescafe aus 100% Bohnenkaffee" an ihrer Auslage anbringen mußten, enthalten. Der Auftrag, das angekundigte Preisausschreiben zu unterlassen usw., hätte aber möglicherweise in die Rechte dritter Personen eingegriffen, was unzulässig sei. Das neue Begehren sei aber berechtigt. Wenn auch der Werbetext infolge seiner sprachlichen Unvollkommenheit keinen eindeutigen Sinn ergebe, sei die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß beim Publikum der Eindruck entstehe, nur der Name Nescafe, nicht aber andere Bezeichnungen gäben eine Garantie dafür, daß der Kaffee-Extrakt aus 100% Bohnenkaffee bestehe. Daraus könne die Warnung entnommen werden, daß gleichartige Erzeugnisse anderer Firmen nicht aus 100% Bohnenkaffee bestunden. Damit seien alle anderen Erzeuger gleichartiger Waren verdächtig gemacht, daß ihre Erzeugnisse nicht 100% Bohnenkaffee seien. Zumindest sei darin eine gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes vorgenommene Handlung gelegen (§ 1 UWG.).

Das Berufungsgericht verwarf mit dem in sein Urteil aufgenommenen Beschluß die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung der Klägerin, die sich dagegen gewendet hatte, daß das Erstgericht mit seinem Urteil über die aufgegebenen Klagebegehren (Pkt. 1 c und 2) entschieden habe. Im übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung der Klägerin, deren Berufungsantrag dahin lautete, daß ihrem Klagebegehren, soweit es nicht fallengelassen wurde, vollinhaltlich stattgegeben werde, nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision wird ausgeführt, durch Preisausschreiben der gegenständlichen Art werde ein psychologischer Kaufzwang auf die Kaufleute ausgeübt, die dadurch veranlaßt würden, anstatt Bohnenkaffee anderer Marken gerade Nescafe zu beziehen; das sei im Sinne des § 1 UWG. sittenwidrig. Davon abgesehen, verstoße das Preisausschreiben der Beklagten auch gegen § 1 der Verordnung vom 25. Mai 1950, BGBl. Nr. 137. Unter dem Vertrieb einer Ware sei nicht nur der Umsatz von Waren gegen Entgelt zu verstehen, sondern jegliche Verteilung von Waren, deren gewerbsmäßige Veräußerung Gegenstand des verteilenden Unternehmens sei. Ansonsten würde § 1 l.

c. nicht vom Vertrieb von Waren, sondern von deren Veräußerung sprechen. Im übrigen sei in der Befriedigung des Reklamebedürfnisses der beklagten Partei durch Anbringen der Fensterkleber oder sonstigen Werbematerials ein Entgelt gelegen. Dadurch, daß die beklagte Partei die Anbringung dieser Fensterkleber zur ausdrücklichen Bedingung für die Teilnahme von Kaufleuten an dem gegenständlichen Preisausschreiben gemacht habe, werde der entgeltliche Charakter der glücksspielartigen Warenverlosung offenkundig.

Das Revisionsgericht vermag den Ausführungen der Revision nicht zu folgen.

Die Frage, ob Preisausschreiben wettbewerbsrechtlich zulässig sind, wird in der Rechtsprechung und in der Lehre grundsätzlich bejaht (s.

SZ. XVI 15: NJW. 1952 S. 70; Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 7. Aufl. S. 196 f.; Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl. S. 586 f.; Tetzner, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl. S. 153 f.). Sie sind nur dann wettbewerbswidrig, wenn damit ein Kaufzwang verfolgt oder sonst die freie Entschließung des Publikums in sittenwidriger Weise beeinflußt wird. Das ist diesmal nicht der Fall.

Das Preisausschreiben der Beklagten wendet sich sowohl an die Wiederverkäufer wie an die Konsumenten. Daß es auf letztere weder direkt noch in versteckter Form einen Kaufzwang ausübt, sondern lediglich deren Interesse für den von der beklagten Partei vertriebenen Nescafe zu wecken sucht, ergibt sich aus den Teilnahmebedingungen und wird von der Revision nicht bestritten. Aber auch hinsichtlich der Wiederverkäufer liegt entgegen der Meinung der Revision ein psychologischer Kaufzwang nicht vor. Diesen ist es vollkommen freigestellt, ob sie die Fensterkleber anbringen und damit die Voraussetzungen für die Teilnahme an dem Preisausschreiben schaffen wollen. Der Umstand, daß allenfalls die ausgesetzten Preise einen Anreiz zur Teilnahme an dein Preisausschreiben bieten und die Wiederverkäufer veranlassen könnten, die in den Teilnahmebedingungen von ihnen geforderte Werbereklame (nämlich die Anbringung von Fensterklebern) für die Beklagte durchzuführen und damit im Zusammenhang allenfalls auch Nescafe, den sie bisher nicht führten, in ihr Warenlager aufzunehmen, läßt die Werbeaktion der Beklagten noch nicht als sittenwidrig erscheinen. Denn letztlich bestimmen die Konsumenten und nicht das Preisausschreiben den Entschluß des Kaufmannes, Nescafe in seinem Geschäft für seine Kunden feilzuhalten.

Rechtsirrig ist auch die Ansicht der Revision, daß das Vorgehen der Beklagten gegen § 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 25. Mai 1950, BGBl. Nr. 137, über das Verbot gewisser glückspielartiger Formen des Vertriebes von Waren oder Leistungen verstoße. Der Text des § 1 dieser Verordnung stimmt mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 der ehemals in Geltung gestandenen Verordnung des Bundesministeriums für Handel und Verkehr vom 8. November 1924, BGBl. Nr. 401, wörtlich überein. Bereits in der Entscheidung SZ. XVI 15 wurde vom Obersten Gerichtshof der Rechtssatz ausgesprochen, daß ein Preisausschreiben zu Reklamezwecken für die Lösung eines Rätsels, wobei die Beteiligung nicht an den vorherigen Einkauf von Waren gebunden ist, weder unter den § 28 UWG. und die Verordnung vom 8. November 1924, BGBl. Nr. 401, noch unter den § 1 UWG. fällt. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Beklagte für die Gewinner des Preisrätsels Waren aus seinem Betrieb ausgesetzt. In der vom Obersten Gerichtshof gebilligten Entscheidung der ersten Instanz wurde die Rechtsansicht vertreten, daß es sich hier nicht um einen Vertrieb von Waren handle, weil der Vertrieb Absatz gegen Entgelt zur Voraussetzung habe. Das Preisausschreiben diene lediglich der Reklame auf Kosten des Preisausschreibers (Beklagten). Die gleichen Erwägungen treffen auch für den vorliegenden Fall zu. Das Revisionsgericht findet keinen Anlaß, von der in der angeführten Entscheidung SZ. XVI 15 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht abzurücken. Die Meinung der Revision, daß schon in dem bloßen Anbringen der Fensterkleber ein Entgelt zu sehen sei, kann nicht geteilt werden.

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