OGH 1Ob171/59

OGH1Ob171/593.6.1959

SZ 32/73

Normen

ABGB §785
ABGB §§892 ff
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII
ABGB §785
ABGB §§892 ff
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII

 

Spruch:

Bei einem Solidarschuldverhältnis ist jeder Mitgläubiger berechtigt, die Forderung geltend zu machen. Sie kann auch vom Gläubiger eines Mitgläubigers gepfändet werden. Vom Zeitpunkt der Pfändung an kann der Schuldner die Forderung einem anderen Mitgläubiger nicht mehr zahlen.

"Angehen" im Sinne des § 892 ABGB. bedeutet eine gerichtliche oder außergerichtliche Mahnung.

Vom Beschenkten (§ 785 ABGB.) kann der Noterbe weder Auskunft noch Offenbarungseid verlangen. Nur der Erbe ist dazu verpflichtet.

Entscheidung vom 3. Juni 1959, 1 Ob 171/59.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin stellt das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen,

1. unter Vorlage eines Verzeichnisses anzugeben, was ihr von der Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens der Klägerin, das sich in dem auf die Namen Edith B. und Frieda K. lautenden Depot bei der Schweizerischen Creditanstalt in Zürich befand, bekannt sei, und einen Eid dahin zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig seien,

2. die in ihrem Besitz befindlichen, der Klägerin gehörigen Vermögenswerte, deren bestimmte Angabe sich die Klägerin vorbehalte, bis die Beklagte die eidlichen Angaben über das Vermögen gemacht habe, an die Klägerin auszufolgen.

Sie stützt dieses Begehren auf folgendes Vorbringen:

Der Nachlaß nach ihrer am 19. Dezember 1956 verstorbenen Mutter Edith B. sei ihr als Universalerbin auf Grund des Testamentes vom 4. April 1952 zur Gänze eingeantwortet worden. Die Beklagte sei eine Schwester der Verstorbenen. Diese habe ein Konto bei der Schweizerischen Creditanstalt in Zürich besessen. Das auf diesem Konto erliegende Guthaben sei im Jahre 1938 nach Holland transferiert worden, wo es infolge der deutschen Besetzung blockiert gewesen sei. Nach der Auswanderung der Mutter aus Österreich habe die Klägerin ihr zur Deckung ihres Lebensunterhaltes ein ihr gehöriges Schweizer Depot zur Verfügung gestellt, wogegen die Mutter der Klägerin versprochen habe, daß sie dieses Geld wieder zurückbekommen werde, wenn das in Holland befindliche Konto frei würde. Dies sei nach Kriegsende geschehen und das Konto nach Zürich zur Schweizerischen Creditanstalt zurückverlegt worden. Davon habe die Mutter der Klägerin mit dem Bemerken Mitteilung gemacht, daß dieses Guthaben nach ihrem Tode der Klägerin zufallen werde. Als die Klägerin im August 1957 nach der Einantwortung des Nachlasses bei der Schweizerischen Creditanstalt in Zürich vorgesprochen habe, sei ihr von der Bank mitgeteilt worden, daß das ganze Depot kurz vorher von der Beklagten behoben worden sei; im Jahre 1955 hätte Edith B. der Bank den Auftrag erteilt, das ihr gehörige und auf ihren Namen lautende Konto in ein auf die Namen Edith B. und Frieda K. lautendes Depot zu übertragen. Gleichzeitig habe Edith B. angeordnet, daß für dieses Depot sowohl sie als auch die Beklagte selbständig zeichnungsberechtigt seien und das Depot an die Klägerin gegen Vorlage der Totenscheine der Edith B. und der Beklagten von der Bank auszufolgen sei. Die Bank habe nach ihrer Erklärung gegenüber der Klägerin den Auftrag der Beklagten ausgeführt, da keine Einschränkung der Zeichnungsbefugnis durch die Mutter der Klägerin erfolgt sei. Die Klägerin stehe nunmehr auf dem Standpunkt, daß mit der Einantwortung das Depot ihr Eigentum geworden sei. Die Beklagte bestreite nicht, das gesamte Depot behoben und die darin befindlichen Werte an sich genommen zu haben. Sie lehne es aber ab, der Klägerin irgendwelche Auskunft über die Höhe und den Verbleib der von ihr behobenen Werte zu geben. Das Depot gehöre nicht der Verlassenschaft, und es erliege ein eigenhändiges Schreiben der Mutter der Klägerin in einem Safe, nach welchem der Klägerin das Depot erst nach dem Tode der Beklagten zufallen solle. Erst in der Streitverhandlung vom 16. Juni 1958 stützte die Klägerin ihr Begehren auch noch darauf, daß ihr die Mutter erklärt habe, von ihrem Guthaben bei der Schweizerischen Creditanstalt gehöre der Betrag von 23.000 sfr ihr, weiters darauf, daß ihr, selbst wenn die von der Beklagten behauptete Schenkung erfolgt sein sollte, der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung zustehe, da der ihr zugefallene Nachlaß mit Rücksicht auf die Belastung durch das Fruchtgenußrecht der Beklagten den ihr unter Berücksichtigung der Schenkung gebührenden Pflichtteil nicht decke. Die Klägerin sei daher berechtigt, von der Beklagten Angaben über das erhaltene Geschenk und die Ausfolgung desselben zur Deckung des Fehlbetrages zu fordern.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, die verstorbene Schwester Edith B. habe ihr Depot bei der Schweizerischen Creditanstalt in Zürich auf ein Konto übertragen, über welches sie und die Schwester, jede einzeln für sich, hätten verfügen können. Dieses Depot sei für den Unterhalt der Beklagten bestimmt und die Beklagte berechtigt gewesen, über dieses Konto allein zu verfügen, wenn die Schwester vor ihr sterben sollte. Deshalb habe die Verstorbene auch die in der Klage richtig angeführte Verfügung getroffen, daß über dieses Konto derjenige verfügen könne, der sich mit ihrem Totenschein und mit dem Totenschein der Beklagten zu legitimieren vermöge. Damit sei klar, daß die Beklagte über das Konto, solange sie lebe, allein verfügen könne und die Klägerin keinerlei Anspruch auf Ausfolgung des Kontos gegen die Beklagte habe. Bei Einräumung der Verfügungsberechtigung über das Konto an die Beklagte habe es sich um die Erfüllung eines zweiseitigen Geschäftes gehandelt; selbst wenn der Standpunkt der Klägerin richtig wäre, würde ihr kein Anspruch zustehen, weil es sich nicht um ein Schenkungsversprechen, sondern um die Durchführung einer Schenkung handeln würde; denn die Übertragung des ursprünglichen Kontos auf die Beklagte und ihre Schwester wäre die erfolgte Übergabe.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es stellte fest, daß die Mutter der Klägerin der Beklagten das volle Verfügungsrecht über das Konto bei der Schweizerischen Creditanstalt eingeräumt habe. Die Beklagte sei daher berechtigt, ohne der Klägerin Rechenschaft abgeben zu müssen über das Konto zu verfügen. Es treffe sie nur die Auflage, über einen bei ihrem Tode vorhandenen Restbetrag keine Verfügungen zu treffen. Hinsichtlich des von der Beklagten verbrauchten Betrages liege daher Schenkung vor. Daß eine Übergabe erfolgt sei, gehe schon daraus hervor, daß die Beklagte nach dem Tode der Mutter der Klägerin über das Konto allein verfügungsberechtigt sei. In der Klage begehre die Klägerin die Ausfolgung von Vermögenswerten, die auf einem Konto der Schweizerischen Creditanstalt erliegen, da sie nach der Einantwortung Eigentümerin derselben geworden sei und ihr die Mutter erklärt habe, daß ihr dieses Guthaben (Konto) nach ihrem Tode zufallen werde. Später habe die Klägerin wieder vorgebracht, ihre Mutter hätte erklärt, der Betrag von 23.000 sfrs gehöre ihr und stehe ihr jederzeit zur Verfügung, weiters behauptet, daß ihr als pflichtteilsberechtigtem Kind bei Annahme einer Schenkung der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung zustehe, da der ihr zugefallene Nachlaß im Hinblick auf die Belastung durch die Fruchtgenußberechtigung der Beklagten den ihr bei Berücksichtigung der Schenkung gebührenden Pflichtteil nicht decke. Sie sei daher auch aus diesem Titel berechtigt, von der Beklagten die Angabe über das erhaltene Geschenk und die Ausfolgung desselben zur Deckung des Fehlbetrages zu verlangen. - Diesem Vorbringen der Klägerin müsse das Erstgericht entgegenhalten, daß die Klägerin in ihrem Schriftsatz selbst erklärt habe, eine letztwillige Verfügung ihrer Mutter respektieren zu wollen. Im übrigen habe die Klägerin die ihr auf Grund des Testamentes angefallene Erbschaft vorbehaltlos angenommen und könne daher den Pflichtteilsanspruch nicht mehr geltend machen. Nach dem Ergebnis des gegenständlichen Verfahrens seien noch zwei Sparbücher vorhanden, deren Einlagenhöhe jedoch im Briefe der Mutter der Klägerin, erliegend bei der evangelischen Mission, nicht genannt werde. Bei Feststellung des Pflichtteils müßten aber auch diese Spareinlagen berücksichtigt werden, worüber jedoch die Klägerin keinen Antrag gestellt habe. Nach dem Testament sei die Klägerin Universalerbin nach ihrer Mutter. Beschränkungen, die ihr hinsichtlich ihres Erbes auferlegt wurden und den Pflichtteil schmälerten, würden, soweit eine Pflichtteilsverletzung vorliege, als nicht auferlegt gelten. Das Fruchtgenußrecht der Beklagten werde also nicht wirksam, soweit es den Pflichtteil belaste. Die Klägerin habe nicht einmal behauptet, inwieweit selbst bei Wegfall des Fruchtgenußrechtes ihr Pflichtteilsanspruch verletzt würde.

Das bestätigende, die Berufung der Klägerin abweisende Urteil des Berufungsgerichtes geht von den gleichen Tatsachengrundlagen wie das Erstgericht aus. Das Klagebegehren stehe und falle, so führt das Berufungsgericht aus, mit dem Nachweis eines Anspruchs der Klägerin auf das Depot der Edith B. als deren Universalerbin, gleichgültig, ob es auf den ersten oder zweiten Tatbestand des Art. XLII EGZPO. gestützt werde. Die Klägerin selbst habe als Partei angegeben, es sei zugleich mit der Umschreibung des Depots ein Vermerk hinterlegt worden, inhaltlich dessen sie bei Vorweisung der Totenscheine von Mutter und Tante (Beklagter) über das Depot verfügen könne. Daraus ergebe sich allein schon, daß die Klägerin nach ihrer eigenen Aussage jedenfalls zu Lebzeiten der Beklagten kein Verfügungsrecht über das Depot erwerben und ein Eigentumsübergang des Depots zu ihren Gunsten frühestens mit dem Tode der Beklagten eintreten könne. Die Klägerin habe auch als Partei angegeben, mit ihrer Mutter vereinbart zu haben, daß das der Mutter von der Klägerin nach deren Angabe geborgte Geld von 23.000 sfrs im Depot verbleiben solle, woraus sich wieder ergebe, daß im Falle erwiesener Richtigkeit dieser Vereinbarung die Klägerin nur bezüglich des Teilbetrages von 23.000 sfrs sofort verfügungsberechtigt hätte erscheinen können, nicht aber bezüglich des Restes. Die Beklagte habe weiters in ihrem Schreiben vom 18. November 1957 und in ihrer Parteiaussage angegeben, es sei zwischen ihr und ihrer Schwester Edith B. vereinbart worden, daß der Überlebende allein über das Konto verfügungsberechtigt sein solle, daß sie daher als Überlebende allein das Recht über das Konto habe und ihr kein Limit gegeben worden sei. Die Zeugin Franziska H. habe, wie vom Erstgericht festgestellt, angegeben, es sei der Beklagten als Aquivalent für den Verzicht auf Rückstellungsansprüche gegen den Gatten der Klägerin das volle Verfügungsrecht über das Schweizer Depot eingeräumt worden. Auf Befragen habe Edith B. erklärt, daß nach dem Tod beider Schwestern über den noch vorhandenen Depotrest unter Vorweisung beider Totenscheine verfügt werden könne. Das Depot sei somit der Beklagten zur freien Verfügung überlassen worden, welche Verfügungsberechtigung nur zu Lebzeiten der Edith B. durch deren gleichfalls bestehende freie Abhebungsmöglichkeit beschränkt gewesen sei. Der Unterschied, den die Berufungsschrift zwischen "vollem Verfügungsrecht" und "Mitverfügungsrecht" mache, sei belanglos. Daß das Depot nur zur Deckung des erforderlichen Unterhalts der Beklagten hätte verwendet werden dürfen, sei aus dem Beweisverfahren nicht hervorgekommen. Die Frage, ob die Klägerin wegen Verletzung ihres Pflichtteiles die Klärung des Verlassenschaftsvermögens im Wege einer Klage nach Art. XLII EGZPO. verlangen könne, sei ohne Bedeutung, sobald das Depot der Edith B. nach ihrem Tode nicht mehr einen Bestandteil ihres Vermögens gebildet habe. - Die körperliche Übergabe oder die Übergabe von Hand zu Hand bestehe darin, daß der Übernehmer in den Stand gesetzt werde, beliebig und ausschließlich über die Sache zu verfügen; es müsse nur neben dem Schenkungsakt noch ein anderer sinnfälliger, nach außen erkennbarer Akt hinzukommen, der derart beschaffen sein müsse, daß aus ihm der ernstliche Wille hervorgehe, das Objekt der Schenkung aus der Gewahrsame der Geschenkgeberin in den Besitz der Geschenknehmerin zu übertragen. Dieser Übergabsakt liege eindeutig in der Überschreibung des Depots auch auf den Namen der Beklagten, wodurch diese zur unbeschränkten Verfügung über das Depot berechtigt worden sei. Demgemäß habe auch die Schweizerische Creditanstalt die Verfügung der Beklagten über das Depot ohne weiteres anerkannt. Überdies werde die Verfügungsgewalt der Beklagten von der Klägerin grundsätzlich nicht bestritten. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch im Sinne des Art. XLII EGZPO.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin hält der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes entgegen, die Übertragung des ihrer Mutter allein gehörigen Kontos in das gemeinsame Depot Edith B. und Frieda K. hätte nicht zur Folge haben können, daß bereits in diesem Zeitpunkt ein Wechsel in der Person des Eigentümers der in das Depot übertragenen Werte eingetreten sei; dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Mutter der Klägerin der Schweizerischen Creditanstalt den Auftrag gegeben hätte, ihr Konto in ein Depot Frieda K. zu übertragen, über das die Beklagte allein verfügungsberechtigt sei. Tatsächlich habe aber Edith B. der Bank den Auftrag erteilt, das auf ihren Namen bestehende Konto aufzulösen und in ein Depot-Edith B. und Frieda K. zu übertragen, ferner die Bank angewiesen, daß über dieses neu errichtete Depot nunmehr sowohl Edith B. als auch die Beklagte, jede einzeln für sich, frei verfügungsberechtigt seien und ein nach dem Ableben der Edith B. und der Beklagten vorhandenes Restdepot von der Klägerin gegen Vorlage der Totenscheine behoben werden könne. Daraus gehe hervor, daß Edith B. keinesfalls beabsichtigt habe, bereits im Zeitpunkt der Übertragung ihres Kontos in das gemeinsame Depot der Beklagten das alleinige Eigentumsrecht an den im Depot erliegenden Werten einzuräumen. Wäre die Beklagte vor Edith B. gestorben, dann hätte das Depot keinen Bestandteil des Nachlasses der Beklagten gebildet. Das Berufungsgericht übersehe in gleicher Weise wie das Erstgericht, daß zwischen der Einräumung eines "Mitverfügungsrechtes" und der Einräumung des "vollen Verfügungsrechtes" ein Unterschied insofern bestehe, als es im ersten Fall an einer wirksamen Übergabe mangle. Nur rücksichtlich jener Beträge, die die Beklagte auf Grund des ihr eingeräumten Mitverfügungsrechtes zu Lebzeiten der Edith B. aus dem Depot entnommen habe, liege eine durch wirksame Übergabe vollzogene Schenkung an die Beklagte vor. Durch das ihr zustehende Verfügungsrecht sei Edith B. praktisch in der Lage gewesen, jederzeit das ganze Depot zu beheben und damit das der Beklagten eingeräumte Verfügungsrecht illusorisch zu machen. Dieses Recht müsse daher so angesehen werden, als ob sich Edith B. hiedurch den jederzeitigen Widerruf der angeblich erfolgten Schenkung vorbehalten hätte. Ein derartiges Widerrufsrecht schließe aber die Annahme einer bereits vollzogenen Schenkung aus. Sei aber das Eigentum am Depot nicht im Zeitpunkt der Errichtung desselben auf die Beklagte übergegangen, so bleibe nur die Annahme übrig, daß der Eigentumsübergang nur unter der Voraussetzung, daß Edith B. vor der Beklagten versterbe, mit dem Ableben der Edith B. hätte erfolgen sollen; nur dies sei der Wille der Edith B. gewesen. Eine derartige Zuwendung setze jedoch voraus, daß die im § 956 ABGB. für die Wirksamkeit derartiger Verfügungen vorgesehenen Förmlichkeiten eingehalten würden. Im vorliegenden Fall hätte das Schenkungsversprechen der Edith B. vereinbarungsgemäß erst mit ihrem Tode erfüllt werden sollen, welche Konstruktion sich aber als Schenkung auf den Todesfall darstelle, die im Hinblick auf die nicht erfüllten Formvorschriften wirkungslos sei. Gehe man aber von der Annahme aus, daß anläßlich der Errichtung des gemeinsamen Depots die tatsächliche Übergabe erfolgt sei, der Eigentumsübergang aber erst im Zeitpunkt des Ablebens der Edith B. erfolgen sollte, dann handle es sich um ein ungültiges Vermächtnis, d. h. um eine sogenannte Übergabe auf den Todesfall; gültig sei in einem solchen Fall nur der Verwahrungsvertrag.

Im weiteren führt die Klägerin aus, daß sie den Klageanspruch auf ihre Stellung als Universalerbin nach Edith B. und darauf gestützt habe, daß die im Depot bei der Schweizerischen Creditanstalt erliegenden Werte einen Bestandteil des Nachlasses der Edith B. bildeten. Nehme man aber an, daß es sich um ein durch tatsächliche Übergabe vorweg vollzogenes Vermächtnis handle, so sei der Klageanspruch berechtigt, weil auch in diesem Fall die im Depot erliegenden Werte einen Bestandteil des Nachlasses der Edith B. bildeten und die Beklagte daher verpflichtet sei, darüber Auskunft zu geben. Mit Rücksicht auf die Einwendungen der Beklagten habe die Klägerin geltend gemacht, daß ihr im Falle einer Schenkung unter Lebenden ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung und damit auf die Herausgabe des Fehlbetrages gemäß § 951 ABGB. zustehe. Wenn die Klägerin trotz gegenteiliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes den Klageanspruch hilfsweise auch auf diesen Anspruch gestützt habe, so sei dies aus der Erwägung geschehen, daß die herrschende Rechtsansicht unrichtig sei.

Soweit obige Ausführungen einen Sachverhalt unterstellen, der mit dem durch die Untergerichte festgestellten nicht übereinstimmt, sind sie nicht zu berücksichtigen, weil die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung nur auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen der Untergerichte überprüft werden kann. Es gilt dies vor allem von der Behauptung, daß es keineswegs der Wille der Edith B. gewesen sei, bereits im Zeitpunkt der Übertragung ihres Kontos in das gemeinsame Depot der Beklagten das alleinige Eigentumsrecht an den im Depot erliegenden Werten einzuräumen, ihr Wille vielmehr nur darauf gerichtet gewesen sei, ein Mitverfügungsrecht einzuräumen, und die Beklagte die im Depot erliegenden Werte erst nach dem Tode der Edith B. erhalten sollte. Mit der Beantwortung der Frage, von welchen Absichten sich die Verstorbene Edith B. bei Errichtung des Depots leiten ließ, ist keine Rechts-, sondern eine Tatfrage entschieden worden, die im Revisionsverfahren keiner Überprüfung mehr zugänglich ist.

Was nun die rechtliche Beschaffenheit des Depots bei der Schweizerischen Creditanstalt anlangt, so ist hiezu folgendes zu erwägen: Der Bank (dem Schuldner) gegenüber handelte es sich um eine durch Vertrag begrundete Gesamtforderung der Schwestern Edith B. und Frieda K. (Beklagte), insofern beiden ausdrücklich das Recht eingeräumt wurde, eine Leistung zur ungeteilten Hand zu fordern (§§ 892, 889 ABGB.). Auch bei der Gesamtforderung entscheidet zunächst das zwischen den mehreren Gläubigern bestehende besondere Rechtsverhältnis darüber, ob der das Ganze eintreibende Gläubiger den anderen von dem Eingetriebenen etwas und wieviel zukommen lassen müsse (§ 895 ABGB.). Der Unterschied gegenüber der Bevollmächtigung eines Gläubigers durch die übrigen besteht bei der Gesamtforderung darin, daß der einzelne Gläubiger eine Forderung zur ungeteilten Hand nicht im Namen aller Gläubiger geltend macht, sondern nur im eigenen Namen. Zur Vereinbarung eines solchen Gesamtverhältnisses ist nicht nur notwendig, daß der Schuldner eine und dieselbe Leistung mehreren Personen verspricht, sondern auch noch die weitere Vereinbarung, daß jeder dieser Gläubiger berechtigt sein soll, die Leistung zur ungeteilten Hand zu fordern. Die Geltendmachung der Forderung kann gerichtlich und außergerichtlich geschehen. Aus dem Wesen der Gesamtforderung zur ungeteilten Hand folgt, daß die Schuld mit der Leistung an einen der Mitgläubiger erlischt, die übrigen also keine weitere Forderung mehr an den Schuldner stellen können (§ 893 2. Satz ABGB.). Ob aber die übrigen Gläubiger an denjenigen, der die Leistung empfangen hat, Forderungen stellen können, hängt von dem zwischen ihnen bestehenden inneren Rechtsverhältnis ab (§ 895 ABGB.). Dazu ist also ein besonderer Rechtsgrund erforderlich. Da jeder Mitgläubiger berechtigt ist, die Forderung geltend zu machen, kann sie auch von den Gläubigern eines Mitgläubigers in Exekution gezogen und gepfändet werden. Vom Zeitpunkt der Pfändung an kann der Schuldner die Forderung einem anderen Gläubiger nicht mehr zahlen, weil darin schon eine Exekutionsvereitlung läge (SZ. XII 89; Swoboda, Das österreichische ABGB., 2. Aufl. III S. 36 f.). Wenn mehrere Mitgläubiger einem Schuldner mit einer Gesamtforderung zur ungeteilten Hand gegenüberstehen, so wird durch die vom Schuldner einem Gläubiger gegenüber vorgenommene Erfüllung das Recht der übrigen Gläubiger zum Erlöschen gebracht. Auch die Vereinigung von Schuldnern und Mitgläubigern wird gegen alle übrigen Gläubiger wirken. Ob dadurch ein Anspruch der übrigen Gläubiger auf teilweisen Ersatz der erloschenen Forderung entsteht, hängt, wie schon gesagt, vom Innenverhältnis zwischen den Mitgläubigern ab (Swoboda a. a. O. S. 38; Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 93, 100). Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV führt auf S. 299 als typische Fälle einer Gesamtforderung das compte joint des schweizerischen und französischen Rechtes - ein Bankdepot für mehrere Gläubiger - und die alternativ genannten Remittenten beim Wechsel an. Ein solches Verhältnis hat gegebenenfalls bei der Schweizerischen Creditanstalt hinsichtlich des strittigen Depots bestanden; nur so erklärt es sich auch, daß die im Depot erliegenden Werte, wie von der Klägerin selbst zugegeben, der Beklagten von der Bank ohne weiteres ausgefolgt wurden. Bei der aktiven Korrealität ist der Schuldner berechtigt, jedem Gläubiger nach freier Wahl zu leisten, bis ihn einer um die Leistung angeht. Bei Gesamtgläubigerschaft wird keine Rechtsgemeinschaft angenommen, daher kein Regreß angeordnet, wenn er sich nicht aus den besonderen, zwischen den Mitgläubigern bestehenden rechtlichen Verhältnissen ergibt. "Angehen" heißt jede Mahnung, ob gerichtlich oder außergerichtlich; hat ein Gläubiger den Schuldner angegangen, so sind die Ansprüche der übrigen suspendiert; der Schuldner hat eine aufschiebende Einrede. Die Ansprüche leben wieder auf, wenn das Angehen durch den Gläubiger aufhört, wenn er seine Eintreibung nicht gehörig fortsetzt (Klang 2. Aufl. IV 317). Ob die Errichtung des Depots darauf zurückgeht, daß sich Edith B. ihrer Schwester gegenüber irgendwie, sei es auch nur moralisch, verpflichtet fühlte oder eine auf reinem Schenkungswillen beruhende Zuwendung machen wollte, tut nichts zur Sache, weil nach dem festgestellten Sachverhalt mit dem Ableben der Edith B. deren Forderungsrecht gegen die Schweizer Creditanstalt auf Ausfolgung des Depotinhalts unterging, so daß mit dem Wegfall der Gesamtgläubigerin Edith B. nur mehr die Beklagte Gläubigerin war, und zwar mangels besonderer Vereinbarung mit dem Erfolg, daß sie jederzeit das Depot beheben konnte, ohne irgendjemandem rechenschaftspflichtig zu sein. Eine Schenkung auf den Todesfall liegt hier nicht vor; denn das wesentliche Begriffsmerkmal einer solchen Schenkung liegt darin, daß sie aus dem Nachlaß des Geschenkgebers zu erfüllen ist, woraus folgt, daß der geschenkte Gegenstand einen Teil des Nachlasses bildet. Da nach den vorliegenden Feststellungen die Beklagte seit Errichtung des Depots ebenso wie Edith B. schon immer - also nicht erst nach dem Tod ihrer Schwester - die Befugnis hatte, allein über das Depot zu verfügen, sofern nicht schon von der Schwester darüber verfügt worden war, ist die mit dem Moment des Ablebens der Edith B. schon bei Lebzeiten, wenn auch nur relativ, vollzogen gewesene Schenkung voll wirksam geworden. Nur bei der Schenkung auf den Todesfall bildet der Verzicht auf Widerruf eine der Voraussetzungen ihrer Gültigkeit, nicht aber bei einer Schenkung unter Lebenden. Wenn der Schenker schon bei Lebzeiten die Schenkung durch Leistung des geschenkten Gegenstandes vollzieht, liegt Schenkung unter Lebenden vor, und zwar auch dann, wenn z. B. etwas unter einer auflösenden Bedingung verschenkt wird. Ein Bestandteil des Nachlasses nach der verstorbenen Edith B. wäre der Anspruch auf Ausfolgung der im Depot befindlichen Werte nur dann geworden, wenn die Beklagte ihre Schwester nicht überlebt hätte.

Ausgehend von dem durch die Unterinstanzen festgestellten Sachverhalt, ist es daher rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das angefochtene Urteil es ablehnt, das Depot bei der Schweizerischen Creditanstalt als Bestandteil eines Verlassenschaftsvermögens der Edith B. zu behandeln.

Auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes sind bei Berechnung des Nachlasses die Schenkungen in Anschlag zu bringen, die der Erblasser unter Lebenden gemacht hat. Der Gegenstand der Schenkung ist in diesem Falle dem Nachlaß mit dem Werte hinzuzurechnen, der für die Anrechnung nach § 794 ABGB. maßgebend ist (§ 785 ABGB.). Vom Beschenkten kann indessen der Noterbe nicht Auskunft oder gar den Offenbarungseid fordern. Nur der Erbe ist verpflichtet, ihm über Schenkungen, insbesondere auch über selbsterhaltene, nach Tunlichkeit Auskunft zu geben und nötigenfalls einen Offenbarungseid zu leisten (Ehrenzweig 2. Aufl. II/2 S. 598; RGZ. 84, 204). Unabhängig davon ist zu dem erst in der Streitverhandlung vom 16. Juni 1958 erstatteten Vorbringen über einen der Klägerin angeblich zustehenden Anspruch auf Pflichtteilsergänzung zu sagen, daß dieses Vorbringen jegliche Konkretisierung in der Richtung vermissen läßt, wieso die Klägerin gerade im gegenwärtigen Fall in ihrem Noterbrecht so weit verkürzt sein soll, daß nicht einmal der Nachlaß unter Außerachtlassung des Fruchtgenußrechtes der Beklagten zur Deckung ihrer Pflichtteilsforderung ausreiche.

Es zeigt sich demnach, daß zum Teil aus den gleichen Gründen, mindestens aber im Ergebnis der unterinstanzlichen Entscheidung beizutreten, das angefochtene Urteil zu bestätigen und der Revision ein Erfolg nicht zuzubilligen war.

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