Spruch:
Wird der Antrag auf Bewilligung des Armenrechtes erst während der Berufungsfrist gestellt, so muß innerhalb dieser Frist auch das Armenrechtszeugnis vorgelegt werden, widrigenfalls die Berufungsfrist durch den Antrag auf Bestellung eines Armenanwaltes nicht verlängert wird.
Entscheidung vom 21. Jänner 1959, 1 Ob 10/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems; II. Instanz:
Kreisgericht Steyr.
Text
Am 13. Mai 1958 war Versäumungsurteil nach dem Antrag der klagenden Partei gefällt und dieses dem Beklagten am 21. Mai 1958 zugestellt worden.
Am 3. Juni 1958 gab der Beklagte zu Gerichtsprotokoll, daß er beabsichtige, gegen das Versäumungsurteil Berufung zu ergreifen; gleichzeitig ersuche er das Gericht, ihm das Armenrecht zu bewilligen, ein Armenrechtszeugnis werde er in den nächsten Tagen beibringen,; außerdem bitte er um Bestellung eines Armenvertreters.
Im Akt erliegt ohne Eingangsvermerk ein am 18. Juni 1958, also nach Ablauf der Berufungsfrist, ausgestelltes Armenrechtszeugnis.
Mit Beschluß vom 25. August 1958 wurde dem Beklagten das Armenrecht bewilligt und sodann Rechtsanwalt Dr. Rudolf J. zum Armenvertreter bestellt. Der Beschluß über die Bewilligung des Armenrechtes und seine Bestellung zum Armenvertreter wurde Dr. Rudolf J. am 8. September 1958 zugestellt. Am 15. September 1958 überreichte er die Berufung.
Das Berufungsgericht wies die Berufung mit dem angefochtenen Beschluß als verspätet zurück, weil wegen der Vorlage des Armenrechtszeugnisses erst nach Ablauf der Berufungsfrist das Ansuchen auf Bewilligung des Armenrechtes nicht der Vorschrift des § 464 Abs. 3 ZPO. entsprochen habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 464 Abs. 3 ZPO. beginnt dann, wenn eine arme Partei innerhalb der Berufungsfrist um die Bestellung eines Armenanwaltes angesucht hat, für sie die Berufungsfrist mit der Zustellung des Beschlusses über die Beigabe und Bestellung des Armenanwaltes an ihn. Voraussetzung für die Verlängerung der Berufungsfrist ist demnach das während der Berufungsfrist gestellte Ansuchen um die Bestellung eines Armenanwaltes. Dabei wird regelmäßig das Armenrecht bereits für das Verfahren erster Instanz bewilligt gewesen sein, so daß bloß das fristgerechte Ansuchen um Bewilligung des Armenvertreters notwendig ist. Wenn aber die Partei noch nicht das Armenrecht genießt, muß auch noch das fristgerecht gestellte Ansuchen um Bewilligung des Armenrechts hinzukommen. Ein solches Ansuchen hat aber dem Gesetz zu entsprechen. Dies setzt gemäß § 65 Abs. 2 ZPO. voraus, daß mit dem Ansuchen das Armenrechtszeugnis vorgelegt wird. Ist dies - wie hier - nicht geschehen, sondern bloß eine, weil ohne Armenrechtszeugnis vorgetragene, gesetzwidrige Armenrechtsbitte fristgerecht erfolgt, so fehlt es auch an einem dem Gesetz entsprechenden Antrag um die Bestellung des Armenanwalts, so daß das Berufungsgericht zutreffenderweise angenommen hat, daß die Berufungsfrist nicht erst mit der Zustellung des Beschlusses über die Beigabe und die Bestellung des Armenanwaltes an diesen begonnen hat. Die Berufungsfrist war daher zur Zeit der Einbringung der Berufung längst verstrichen, so daß die Berufung mit Recht als verspätet zurückgewiesen wurde und der dagegen erhobene Rekurs erfolglos bleiben mußte.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)