OGH 3Ob500/58

OGH3Ob500/5817.12.1958

SZ 31/156

Normen

ABGB §865
ABGB §865

 

Spruch:

Die im § 865 ABGB. getroffene Regelung ist sinngemäß auf alle anderen Fälle beschränkter Geschäftsfähigkeit auszudehnen.

Entscheidung vom 17. Dezember 1958, 3 Ob 500/58.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Unbestritten ist, daß im 22. Mai 1953 zwischen dem Kläger und dem nunmehrigen Klagevertreter mit dem Rechtsanwalt Dr. Friedrich S. als Vertreter der Beklagten eine Besprechung wegen Veräußerung von im Besitze der Beklagten befindlichen Marken der ehemaligen Deutschen Reichspost und des ehemaligen Generalgouvernements stattfand. Hiebei stellte die Beklagte laut dem am gleichen Tag aufgenommenen Protokoll vom 22. Mai 1953 dem Kläger ein Anbot, in welchem der Kaufgegenstand, der Preis und die näheren Bedingungen des Geschäftes zusammengefaßt wurden. Gemäß Punkt 12 sollte der Kauf nach Einlangen der Genehmigung des Anbotes durch das Bundesministerium für Finanzen und Einzahlung der im Punkt 3 näher bezeichneten Sicherstellung durch den Kläger rechtsverbindlich sein.

Der Kläger beantragte, die beklagte Republik Österreich zu verurteilen, die Genehmigung des Übereinkommens durch das Bundesministerium für Finanzen "einzuholen bzw. beizuschaffen".

Das Erstgericht wies dieses Klagebegehren ab und stellte nachstehenden Sachverhalt fest:

Der frühere Direktor der Österreichischen Staatsdruckerei, Dr. Ferdinand R., versuchte sofort nach Abfassung des Protokolls die Genehmigung des Bundesministeriums für Finanzen zu erlangen, doch blieben seine Bemühungen erfolglos. Hievon wurde der Kläger zu Handen seines Vertreters laufend verständigt. Der derzeitige Generaldirektor Dr. Franz S. sprach sich jedoch gegen den beabsichtigten Verkauf aus. Das Bundeskanzleramt als Aufsichtsbehörde der Österreichischen Staatsdruckerei erklärte schließlich mit Schreiben vom 5. März 1958, daß es im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen nicht gewillt sei, die Verkaufsverhandlungen zu genehmigen oder dem Verkaufsvorschlag zuzustimmen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß das Klagebegehren verfehlt sei, weil die Beklagte nicht zur Einholung einer Genehmigung eines ihrer Organe, nämlich des Bundesministeriums für Finanzen, verurteilt werden könne. Das Protokoll vom 22. Mai 1953 enthalte keinen bloßen Antrag, sondern einen Kaufvertrag, der aber nach Punkt 12 durch die Genehmigung des Bundesministeriums für Finanzen, die erst nach Zustimmung der Aufsichtsbehörde der Staatsdruckerei, nämlich des Bundeskanzleramtes, erteilt werden könne, bedingt sei. Der Kläger hätte selbst unter Vorlage des Protokolls beim Bundesministerium für Finanzen um Genehmigung des Kaufes einreichen können.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus, daß die Österreichische Staatsdruckerei zufolge § 1 der V. vom 23. März 1934, BGBl. I Nr. 181, dem Bundeskanzleramt unterstehe. Die Österreichische Staatsdruckerei sei nicht berechtigt gewesen, ohne Zustimmung des Bundesministeriums für Finanzen über Bestandteile des beweglichen Bundesvermögens zu verfügen, sie sei also nur beschränkt handlungsfähig. Selbst wenn man, wie das Erstgericht, die im Protokoll vom 22. Mai 1953 festgehaltene Erklärung nicht als ein bloßes Anbot, sondern bereits als einen Kaufvertrag auffasse, würde es sich doch nur um ein hinkendes Rechtsgeschäft handeln. In einem solchen Fall sei der Vertragsgegner des beschränkt Geschäftsfähigen nur berechtigt, im Sinne des § 865 ABGB. eine Frist zur Genehmigung des Vertrages zu setzen. Hingegen habe er kein Recht auf Genehmigung des Vertrages.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wenn ein beschränkt Geschäftsfähiger einen Vertrag ohne Zustimmung aller zu dessen Genehmigung berufenen Stellen oder Personen schließt, hat der Vertragsgegner nicht das Recht, Genehmigung des Geschäftes zu verlangen. Er ist auf die im § 865 ABGB. genannten Rechte beschränkt. Diese für physische Personen, die unter Pflegschaft stehen, aufgestellte Regel ist sinngemäß auf alle anderen Fälle beschränkter Geschäftsfähigkeit auszudehnen. Da das Gesetz für solche Fälle keine Regel aufstellt, ist gemäß § 7 ABGB. diejenige Vorschrift anzuwenden, die dem im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Fall rechtsähnlich ist. Daß dem Vertragsgegner des Pflegebefohlenen oder sonst beschränkt Geschäftsfähigen kein Recht auf Genehmigung zusteht, zeigt die Entstehungsgeschichte des § 865 ABGB. In der Gesetzgebungskommission wurde der Vorschlag gemacht, dem Vertragsgegner des Pflegebefohlenen ein Recht einzuräumen, selbst die Genehmigung beantragen zu können. Dieser Vorschlag wurde jedoch abgelehnt und hiebei geltend gemacht, daß der Vormund, wenn das Geschäft für den Minderjährigen nachteilig sei, der Genehmigung widerraten müsse (Ofner Protokolle, II S. 555).

Der Kläger will nun einen Unterschied zwischen einer eigentlichen und einer bloß konfirmatorischen Genehmigung machen. Diese Unterscheidung ist jedoch dem Gesetz fremd. Lag bereits vor Abschluß der Vereinbarung vom 22. Mai 1953 eine Genehmigung der zuständigen Stelle vor, dann war Punkt 12 des Vertrages, soweit er sich auf die Einholung einer solchen bezieht, überflüssig, und es könnte der Kläger sofort die Übergabe der gekauften Marken begehren. War dies jedoch nicht der Fall, so sind die oben dargelegten Rechtssätze anzuwenden.

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