OGH 1Ob194/58

OGH1Ob194/5830.4.1958

SZ 31/70

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9

 

Spruch:

Zwischen dem Firmenwortlaut der Klägerin "Wäschefabrik Paul oHG."

und der Kurzform "Wäschefabrik Paul" einerseits und dem Firmenwortlaut der Beklagten "Paultex-Textilgroßhandelsgesellschaft m. b. H." und ihrer Kurzform "Paultex" andererseits besteht Verwechslungsgefahr.

Entscheidung vom 30. April 1958, 1 Ob 194/58.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Oskar Paul betrieb 1938 bis 1945 in W. eine Wäscheerzeugung. Ende 1947 grundete er in S. ein gleichartiges Unternehmen unter der Firma "Wäschefabriks-Ges. m. b. H.", welche Ende 1951 in die Firma "Wäschefabrik Paul" geändert und seit 26. August 1945 in die oHG. mit der derzeitigen Firma geändert wurde. Im Geschäftsverkehr bezeichnet sie sich als "Wäschefabrik Paul" oder bloß "Paul". Ihre Gewerbeberechtigung lautet seit 16. Juni 1955 auf die fabriksmäßige Erzeugung von Oberbekleidung (Herren-, Damen- und Kinderoberbekleidung) sowie Wäschewaren. Nunmehr werden auch Oberbekleidung für Damen und Kinder in größerem Umfang, ferner Herrenpullover hergestellt. Die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin belieferten und beliefen Spezial- und Detailgeschäfte und Warenhäuser, niemals aber Letztverbraucher, in ganz Österreich. Sie steht in Wien mit etwa 200 Detaillisten in Geschäftsverbindung, wozu noch 100 bis 120 nicht ständige Abnehmer, darunter Großwarenhäuser, kommen.

Im März 1957 erfuhr Oskar Paul durch die Firma T., Textilhandel in W., von der Existenz der Beklagten. Die Firma T., die die Firma beider Streitteile miteinander verwechselte, war der Ansicht, daß die Klägerin in W. direkt zu erreichen sei.

Das Unternehmen der Beklagten wurde im Jahre 1954 unter der gegenwärtigen Firma "Paultex"-Textilgroßhandelsgesellschaft m. b. H. gegrundet. Die Beklagte ließ zum Teil verschiedene Textilien bei der Firma Alois B. herstellen, die sie dann in ihrem Betrieb ausfertigte und konfektionierte. Es handelte sich dabei um Schals, Kopftücher, Flanelltücher, Barchent-, Khaki-, Turn- und Badehosen und Zwittauerhosen. Zum Teil handelte sie auch mit Erzeugnissen aus fremden Betrieben, und zwar mit Gabardine, Meterware und Frottierware. Sie besitzt einen Gewerbeschein für den Großhandel mit Textilien aller Art und einen zweiten Gewerbeschein zur handwerksmäßigen Wäscheerzeugung, um die der Betrieb seit 31. Jänner 1955 erweitert wurde. Die Beklagte verkauft nur an Händler in W., die in das Geschäftslokal kommen. Im Geschäftsverkehr bezeichnet sie sich mit "Paultex".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Unterlassung, des Gebrauches und auf Beseitigung des Firmenbestandteiles "Paul" sowie auf Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteiles in der "Österreichischen Textilzeitung" statt und wies das Begehren auf Ermächtigung zur Veröffentlichung in der Zeitung "Die Presse" ab. Es nahm eine Verwechslungsfähigkeit der beiden in Frage kommenden Bezeichnungen "Paul" und "Paultex" an. Da die Silbe "-tex" eine vielfach gebrauchte Kurzform für Textilien sei, ergebe sich eine völlige Übereinstimmung der von der Klägerin häufig gebrauchten Kurzform "Paul" mit dem Schlagwort der Beklagten "Paultex". Auch die Bezeichnung "Wäschefabrik Paul" werde lediglich von dem Wort "Paul"- , dem Familiennamen der beiden Gesellschafter der Klägerin, charakterisiert. Die Verwechslungsfähigkeit werde dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Händler in das Geschäft der Beklagten kämen, weil sich der Geschäftsverkehr auch anderweitig abwickeln könne. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin sei daher aus dem Gründe des § 9 Abs. 1 UWG. gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, das im abweislichen Teil in Rechtskraft erwuchs, in seinem stattgebenden Teil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Wohl besäßen häufig vorkommende Namen, wie Paul, als solche keine Unterscheidungskraft. Sie seien jedoch zu schützen, wenn sie sich für eine bestimmte Warengattung als Kennzeichen eines bestimmten Unternehmers im Verkehr durchgesetzt hätten. Dies treffe im vorliegenden Fall zu, weil der Einzelbetrieb des Gesellschafters Oskar Paul, sohin der Name Paul, im Zusammenhang mit Textilerzeugnissen schon durch eine frühere siebenjährige Lieferantentätigkeit in W. seit dem Jahre 1938 in der Textilbranche in W. bekannt geworden sei. Er sei daher genügend individualisiert und unterscheidungskräftig. Beim Gebrauch eines verwechselbaren Firmennamens komme es auf die Verkehrsgeltung nicht an, sondern es genüge die objektive Verwechslungsfähigkeit. Diese sei gegeben, da die von der Beklagten gemachten Zusätze nicht unterscheidungskräftig seien. Auch das Begehren auf Veröffentlichung in der Fachzeitung sei begrundet, weil nur dadurch ein weiteres Umsichgreifen einer unrichtigen Meinung über die Inhaber der beiden Firmen vermieden werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte bekämpft die Ansicht der Untergerichte, wonach sowohl die Kurzform als auch der volle Firmenwortlaut beider Streitteile verwechslungsfähig seien.

Hinsichtlich der Kurzform führt die Beklagte als nach ihrer Ansicht genügende Unterscheidungsmerkmale die Anzahl der Silben, wobei die Silbe "-tex" zwei deutliche Konsonanten enthalte, den Tonfall und den Wortklang sowie das Laut- und Schriftbild an. Sie meint, daß gerade deshalb, weil Firmenbezeichnungen mit der Silbe "-tex" in der Textilbranche sehr häufig vorkämen, die Wiederverkäufer auf die Unterschiede sehr achteten. Kein Fachmann werde annehmen, daß die unter dem Namen "Paul" eingeführte Firma sich der Kurzform "Paultex" bedienen werde. Bei Anwendung der durchschnittlichen Aufmerksamkeit könne daher eine Verwechslung nicht unterlaufen.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Die angeführten Unterschiede wurden auch von den Untergerichten beachtet, doch mit Recht als nicht genügend unterscheidungskräftig angesehen. Denn das den Eindruck bestimmende Wort, auf das sich die Aufmerksamkeit des Kunden richtet und das sich seinem Gedächtnis einprägt, ist der Name "Paul". Die zweite Silbe ist, wie außer Streit gestellt wurde, eine allgemein gebräuchliche Abkürzung für Textilien und kann daher bei den Kunden den Eindruck erwecken, daß der Zusatz lediglich der Kenntlichmachung der Branche dient, um etwa das Unternehmen von einem gleichnamigen, jedoch einer anderen Branche angehörenden zu unterscheiden. Zur Unterscheidung verschiedener derselben Branche angehörender Unternehmen erscheint es daher ungenügend.

Der Vergleich mit den Worten "Paul" und "Pauli" ist deshalb verfehlt, weil es sich in diesem Fall um zwei verschiedene Namen handelt, während es sich im gegenständlichen Fall nur um einen Namen handelt, der einmal mit einem Zusatz versehen ist. Der Hinweis auf eine bestehende Firma "Poltex" ist eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung.

Hinsichtlich des vollen Firmenwortlautes führt die Beklagte als Unterschiede die Gesellschaftsformen und die Betriebsformen (Fabrik und Großhandel) an. Auch diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Daß die Gesellschaftsform keine genügende Unterscheidungskraft besitzt, wurde von den Untergerichten zutreffend ausgeführt. Dies ergibt sich auch aus der Erwägung, daß die Gesellschaftsform häufigen Änderungen unterworfen ist (Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 7. Aufl. S. 440 Anm. 48 zu § 16 dUWG.).

Ebenso kommt der Bezeichnung als Fabrik oder Großhandel keine entscheidende Bedeutung zu. Das Argument, daß der Einkauf beim Händler stets teurer als in der Fabrik sein müsse, ist keinesfalls zwingend. Ferner sind die Grenzen zwischen Erzeugung und Handel fließend, so daß die Bezeichnungen sich nicht immer mit den Tatsachen decken müssen. Dies trifft gerade bei der beklagten Partei zu, welche Waren zum Teil erzeugen läßt, zum Teil selbst erzeugt. Weiters ist zu erwägen, daß sich der Einkauf nicht nur nach dem Preis, sondern auch nach anderen Umständen, wie insbesondere nach der Güte der Ware und dem Ruf der Firma, bestimmt.

Der Umstand, daß die Abnehmer beider Firmen branchenkundig sind, schließt eine Verwechslungsmöglichkeit nicht aus. Es ist richtig, daß bei genauer Betrachtung der beiden Firmenbezeichnungen der Unterschied erkennbar ist. Doch kommt es bei der Beurteilung der Verwechslungsfähigkeit nur auf den Gesamteindruck an, den der flüchtige Durchschnittskunde in der Eile des Geschäftsverkehrs empfängt (GR. 1957 S. 89). Wird davon ausgegangen, dann muß die Verwechslungsfähigkeit beider Firmen auch unter Berücksichtigung der Branchenkundigkeit der Abnehmer bejaht werden.

Schließlich bestreitet die Beklagte ein Rechtsschutzinteresse an der Klage und die Notwendigkeit der Veröffentlichung des Urteiles mit der Begründung, daß bloße Verlautbarungen seitens der klagenden Partei genügt hätten, um Verwechslungen hintanzuhalten.

Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Selbst wenn die Firma der beklagten Partei den Vorschriften des Firmenrechts entspricht und, was unbestritten ist, im Handelsregister eingetragen ist, kann ihre Benutzung § 9 UWG. verletzen (Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl. S. 441 ff., 444, 449). Ohne Änderung des Firmenwortlautes wäre die Klägerin genötigt, in gewissen Zeitabständen immer wieder in Verlautbarungen auf die Verschiedenheit der beiden Firmen hinzuweisen, da eine einmalige Verlautbarung nur kurze Zeit Wirkung hat. Dies kann der klagenden Partei auf die Dauer nicht zugemutet werden. Außerdem könnten dadurch Verwechslungen nicht gänzlich ausgeschaltet werden. Das Argument, daß die Beklagte bisher der Klägerin keine Kunden entzogen habe, ist nicht stichhältig, weil gemäß § 9 Abs. 1 UWG. die bloße Möglichkeit der Verwechslung genügt. Das Rechtsschutzinteresse ist daher gegeben.

Daß die Veröffentlichung des Urteils ein, wenn auch nicht völlig sicher wirksames, so doch durchaus geeignetes Mittel darstellt, um Verwechslungen hintanzuhalten, bedarf keiner weiteren Erörterung.

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