Spruch:
Ein nach Entstehung des Exekutionstitels gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft gerichtlich bestätigter Ausgleich im Ausgleichsverfahren der Gesellschaft kann im Exekutionsverfahren gegen den Gesellschafter nur im Wege der Klage nach § 35 EO. geltend gemacht werden.
Entscheidung vom 14. April 1958, 3 Ob 170/58.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Im Handelsregister des Landes- als Handelsgerichtes Graz ist als oHG. die Lederhandlung Paul G. & Co. eingetragen. Persönlich haftende Gesellschafter sind Paul G. und Hermine P. Mit Beschluß des Ländesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Mai 1957, Sa 16/57-2, wurde über das Vermögen der Schuldnerin Lederhandlung Paul G. & Co. oHG. das Ausgleichsverfahren eröffnet. Mit Beschluß vom 24. Juli 1957, Sa 16/57-31, wurde der zwischen der Schuldnerin prot. Fa. Paul G. & Co. und ihren Gläubigern bei der Tagsatzung am 21. Juni 1957 abgeschlossene Ausgleich bestätigt. Derselbe lautet auszugsweise:
1. Die nicht bevorrechteten Gläubiger erhalten 40% ihrer Forderungen binnen zwölf Monaten nach Ausgleichsannahme. Kein Wiederaufleben.
2. Überwachung der Schuldnerin durch Aribert C., Graz, als Sachwalter der Gläubiger mit der Aufgabe, das gesamte Vermögen der schuldnerischen Firma und die der Gesellschafterin Hermine P. gehörige Liegenschaft EZ. 89 KG. O. in W. zu verwerten und für die Ausgleichserfüllung zu verwenden.
3. Die Gläubiger werden mit der ihnen aus dem Liquidationserlös zufallenden Quote abgefunden und verzichten gegenüber der Ausgleichsschuldnerin sowie gegenüber den offenen Gesellschaftern Paul G. und Hermine P. auf Geltendmachung eines etwaigen Ausfalles.
Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde am 16. August 1957 an der Gerichtstafel angeschlagen. Mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 2. September 1957, Sa 16/57-40, wurde festgestellt, daß der Beschluß Sa 16/57-31 rechtskräftig ist, und das Ausgleichsverfahren gemäß § 55 Abs. 2 AO. aufgehoben. Die betreibende Partei hat zum Ausgleich am 22. Mai 1957 als nicht bevorrechtet aus der Rechnung vom 19. Dezember 1956 für den bestellungsgemäß gelieferten Wein den Betrag von 2260 S samt 12% Zinsen vom 20. Dezember 1956 bis 8. Mai 1957 im Betrag vom 105 S 46 g und an Mahnkosten 32 S 11 g, zusammen 2397 S 47 g, angemeldet und in der Anmeldung bemerkt, daß sie die Berücksichtigung im Ausgleich und die Zuerkennung des Stimmrechtes nur in jenem Umfang begehre, in welchem ihre Forderung gegen die ebenfalls persönlich haftenden beiden Gesellschafter Paul G. und Hermine P. nicht einbringlich sei. Die angemeldete Forderung wurde bei der Ausgleichstagsatzung am 21. Juni 1957 mit dem Betrag von zusammen 2307 S 20 g (Kapital plus 5% Zinsen, ohne Mahnkosten) anerkannt.
Der betreibende Gläubiger Josef H. hat als Kläger beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz zu 25 C 563/57 gegen den Verpflichteten als Beklagten am 30. April 1957 eine Klage eingebracht und darin behauptet, daß er dem Beklagten Paul G. laut Rechnung vom 19. Dezember 1956 Wein um 2260 S verkauft und geliefert habe, und das Urteil beantragt, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 2260 S samt 12% Zinsen ab 20. Dezember 1956 und die Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Auf Antrag der klagenden Partei wurde gegen den Beklagten am 2. Mai 1957 Versäumungsurteil gefällt, die Prozeßkosten wurden mit 263 S 63 g bestimmt. Das Versäumungsurteil wurde dem Beklagten am 1. Juni 1957 zugestellt.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Juli 1957, 10 E 7659/57-1, wurde dem Josef H. als betreibendem Gläubiger wider Paul G. als Verpflichteten auf Grund des Versäumungsurteils vom 22. Mai 1957 Fahrnisexekution bewilligt, die Exekutionskosten wurden mit 137 S 56 g bestimmt. Die Pfändung wurde durch Anmerkung auf dem Pfändungsprotokoll 10 E 4899/57 am 26. Juli 1957 vollzogen. Am 13. September 1957 beantragte der Verpflichtete unter Schilderung des Sachverhaltes, insbesondere unter Hinweis auf den Bestätigungsbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Juli 1957, Sa 16/57, und unter Bezugnahme auf § 60 Abs. 2 AO. die Einstellung der Exekution 10 E 7059/57, zumindest aber gemäß § 12 Abs. 2 AO. Der betreibende Gläubiger sprach sich in seiner schriftlichen Äußerung aus rechtlichen Gründen gegen die Einstellung aus.
Das Erstgericht stellte mit Beschluß vom 20. November 1957, 10 E 7059/57-11, die mit Beschluß vom 19. August 1957, richtig vom 23. Juli 1957, 10 E 7059/57-1, bewilligte Exekution gemäß § 12 Abs. 2 AO. ein.
Dem dagegen von der betreibenden Partei eingebrachten Rekurs gab das Rekursgericht Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag des Verpflichteten auf Einstellung abgewiesen wurde.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Verpflichteten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Daß eine Einstellung der Exekution nach § 39 EO. im vorliegenden Falle nicht möglich ist, ist unbestritten. Es ist daher lediglich zu untersuchen, ob der nach Entstehung des Exekutionstitels bestätigte Ausgleich eine Einstellung der Exekution nach § 40 EO. ermöglicht. Das Rekursgericht hat dies mit Recht verneint. Ein bloßer Antrag auf Einstellung der Exekution ist nach § 40 EO. nur zulässig
1. als Ersatz für die Klage nach § 35 EO., wenn der Verpflichtete nach Entstehung des Exekutionstitels bzw. bei gerichtlichen Entscheidungen nach Schluß des einer solchen Entscheidung vorausgegangenen Verfahrens den betreibenden Gläubiger befriedigt hat oder wenn ihm vom betreibenden Gläubiger Stundung der Zahlung (des Anspruches oder der Forderung) bewilligt wurde, und
2. als Ersatz für die Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nach § 36 EO., wenn der betreibende Gläubiger auf die Einleitung der Exekution überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat (Exekutionsstundung). Ein vom Ausgleichsgericht bestätigter Ausgleich bietet zwar die Grundlage zu Einwendungen gegen den Anspruch hinsichtlich des die Ausgleichsquote übersteigenden Mehrbetrages und die noch nicht fälligen Ausgleichsraten (vgl. Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO., 3. Aufl. I S. 165; SZ. XII 112), nicht jedoch für ein Einstellungsgesuch nach § 40 EO. Ein von den Gläubigern angenommener Ausgleichsantrag wird erst mit der Bestätigung durch das Ausgleichsgericht wirksam (§ 49 AO.). Ein gerichtlich bestätigter Ausgleich ist nicht eine willkürliche Zahlungs-(Anspruchs-, Forderungs-) stundung oder eine Exekutionsstundung des betreibenden Gläubigers nach § 40 EO., sondern ein richterlicher Stundungsakt, der den Ausgleich dem einzelnen Gläubiger auch gegen seinen Willen aufzwingt.
Da keiner der im § 40 EO. aufgezählten Fälle vorliegt, konnte auch eine Verweisung auf den Rechtsweg nicht erfolgen. Eine Einstellung des Ausgleichsverfahrens nach § 12 Abs. 2 AO. wurde vom Rekursgericht mit Recht abgelehnt; dies wurde übrigens vom Verpflichteten im Revisionsrekurs auch nicht bekämpft.
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