OGH 3Ob56/56

OGH3Ob56/5618.12.1957

SZ 30/85

Normen

Rabattgesetz §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Rabattgesetz §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1

 

Spruch:

Verkauf der Markenartikel allgemein unter den vom Erzeuger festgesetzten Preisen verstößt nicht gegen das Rabattgesetz. Vertikale Preisbindung bei Markenartikeln.

Entscheidung vom 18. Dezember 1957, 3 Ob 56/56.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten die Unterlassung des Unterbietens der vom Erzeuger empfohlenen Preise für Markenartikel. Die beklagte Partei betreibt den Groß- und Kleinhandel mit Garnen und Wolle. Sie verkauft die Markenartikel H.-Garn und D.-Garn zu Preisen, die etwa 10% unter den von den Erzeugern empfohlenen Preisen liegen, obwohl nach Behauptung der klagenden Partei sämtliche beteiligten Gewerbetreibenden die festgesetzten Preise als verbindlich respektieren, trotz des Umstandes, daß eine Sanktion für die Verletzung dieser stillschweigenden, aber allgemein gültigen Vereinbarung fehlt, deren Einhaltung Voraussetzung der Belieferung ist. Nach Ansicht der Klägerin werde das Verhalten des Beklagten, das in der Absicht erfolge, sich gegenüber den Mitbewerbern einen Vorteil zu verschaffen, von den Angehörigen dieses Erwerbszweiges als Verstoß gegen die guten Sitten gewertet. Die Einhaltung der empfohlenen Preise für Markenartikel sei Handelsbrauch. Außerdem sei in diesem Verhalten auch ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Rabattgesetzes zu sehen, weil die verrechneten Preise im Hinblick auf die aufgelegten Preiskataloge der Erzeuger der Gewährung eines 10%igen Skontos gleichkomme.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit folgender Begründung ab:

Seit Inkrafttreten des Kartellgesetzes seien Preisbindungen der zweiten Hand für Markenartikel als Kartellvereinbarungen den Vorschriften des Kartellgesetzes unterworfen. Liege unbestrittenermaßen eine solche Kartellvereinbarung nicht vor, weil die Kleinverkaufspreise nur empfohlen würden, so dürfe auf die Detailkaufleute kein Zwang zur Einhaltung dieser Preise ausgeübt werden. Aus dem Klagevorbringen ergebe sich, daß die Erzeugerfirma unter der Androhung der Nichtbelieferung einen solchen Zwang ausübe. Solche wirtschaftliche Einflußnahmen lasse das Kartellgesetz nicht zu. Es stelle ein solches Verhalten sogar unter Strafe. Daraus ergebe sich, daß alle Maßnahmen, die einen kartellartigen Zwang bedeuten, ohne daß ein Kartell eingetragen sei, gesetz- und damit auch sittenwidrig seien und die Nichteinhaltung solcher Maßnahmen daher nicht sittenwidrig sein könne. Ließe man eine solche Auffassung zu, dann würde im Widerspruch mit dem Kartellgesetz eine Bindung an Kleinverkaufspreise ohne Eintragung in das Kartellregister erreicht werden. Auch die Berufung auf einen Handelsbrauch sei verfehlt. Dieser könne nur die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen im Geschäftsverkehr betreffen, aber nicht eine Verbindlichkeit für Dritte schaffen. Auch von einem Verstoß gegen das Rabattgesetz könne nicht gesprochen werden, weil die beklagte Partei die Waren zu niedrigeren Preisen verkaufe, nicht aber höhere Preise unter Gewährung eines Rabattes verlange.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verwies darauf, daß das Vorbringen der Klägerin mit sich selbst in Widerspruch komme, wenn es einerseits von empfohlenen Preisen, die freiwillig eingehalten würden, und andererseits von allgemein gültigen Vereinbarungen, einer Preisbindung und einer verbindlichen Beachtung dieser Preise spreche. Von einem sittenwidrigen Verhalten des Beklagten könnte nur dann gesprochen werden, wenn er sich eines Vertragsbruches schuldig gemacht hätte. Es liege im Wesen der Freiwilligkeit, daß von den Preisen jederzeit und ohne Rücksicht auf andere abgegangen werden könne. Die früheren Entscheidungen zu den Preisbindungen der zweiten Hand seien immer von einer Preisbindung ausgegangen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Verweisung auf den Entwurf eines deutschen Kartellgesetzes ergibt für den vorliegendem Fall nichts, weil das österreichische Kartellgesetz jedenfalls die Markenartikelvereinbarungen für registrierungspflichtig erklärt und diese Frage in den einzelnen Ländern verschieden gehandhabt wird. Daß nach der gegenwärtigen Gesetzeslage gentlemen agreements nicht registrierungspflichtig sind, ist richtig, daraus kann aber nichts für die Klägerin gewonnen werden, weil es zum Wesen dieser Abmachungen gehört, daß sie unklagbar sind. Die Möglichkeit der Heranziehung der Rechtsprechung vor Erlassung des Kartellgesetzes ist im Hinblick auf die neuen Bestimmungen des Kartellgesetzes nur eine beschränkte. Sie könnte allerdings möglicherweise von Bedeutung sein, wenn sich daraus ergäbe, daß die Preisunterbietung bei Markenartikeln ohne Rücksicht auf bestehende Rechtssysteme als sittenwidrig verurteilt worden wäre. Das ist aber durchaus nicht der Fall. In allen Fällen wurde ein lückenloses Reverssystem gefordert. Nach der Entscheidung JBl. 1929 S. 286 kann die Einhaltung der Preise nur verlangt werden, wenn der Erzeuger dafür Sorge trägt, daß die Preise wirklich eingehalten werden, also ein lückenloses System geschaffen worden ist. Nur ein solches sichert den Schutz gegen Preisschleuderei, ansonsten sich die Preisbindung als willkürliche Maßnahme darstellt, die richterlichen Schutz nicht beanspruchen kann. Der Unterbietende muß daher immer in Ausnützung eines Vertragsbruches - des eigenen oder jenes des Lieferanten - handeln. Die Entscheidung geht von einer vorhandenen Preisbindung und einer Nichtbeachtung dieser Bindung, also von einem unmittelbaren oder mittelbaren Vertragsbruch, aus. Noch deutlicher kommt dies in der Entscheidung 1 Ob 214/28 (Langer - Saxl S. 142 Nr. 397) zum Ausdruck, wo ausgesprochen wird, daß die Preisunterbietung nicht gegen die guten Sitten verstößt, wenn dem Einzelhändler selbst ein bestimmter Preis nicht vorgeschrieben wurde und er von einer Verpflichtung seines Lieferanten, einen bestimmten Preis einzuhalten, nichts wußte. In keiner einzigen Entscheidung wurde davon gesprochen, daß ohne vertragliche Bindung ein bloßer Handelsbrauch genügen würde, um die Preisunterbietung sittenwidrig erscheinen zu lassen. Auch nach der Lehre ist Voraussetzung der Verfolgbarkeit des Preisschleuderers die Rechtsgültigkeit der Preisfestsetzung, wobei die Bindung mit der jeweils geltenden, die Preisgebarung beeinflussenden Gesetzgebung im Einklang stehen muß. Die Voraussetzung des Preisschutzes sind auch nach der deutschen Literatur die Rechtsgültigkeit der Bindung und die Lückenlosigkeit der Durchführung des Reverssystems. Als sittenwidrig wird auch von ihm nur der Vertragsbruch angesehen. Schon aus diesen Erwägungen war die Berufungsentscheidung zu bestätigen, ohne daß auf die Frage, ob überhaupt ein Dritter, der sich an die Preisvorschrift eines anderen nicht hält, wegen unlauteren Wettbewerbes verurteilt werden kann, eingegangen zu werden brauchte.

Es mag sein, daß schon vor Inkrafttreten des Kartellgesetzes gerade in Österreich, wie die Revision behauptet, von einer Preisbindung von Markenartikeln vielfach abgesehen wurde, weil die empfohlenen Preise auch ohne vertragliche Bindung eingehalten wurden. Es ist aber kein Fall in der Rechtsprechung bekannt, daß eine Unterlassungsklage ohne eine solche vertragliche Bindung bloß unter Berufung auf einen Handelsbrauch erhoben worden wäre, geschweige denn Erfolg gehabt hätte. Es war zu einer solchen auch keine Veranlassung, weil es der Markenartikelerzeuger, wenn seiner Empfehlung nicht entsprochen wurde, immer in der Hand hatte, die notwendige Bindung durch ein Reverssystem einzuführen. Man kommt bei der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht darüber hinweg, die Bestimmungen des Kartellgesetzes auch bei der Betrachtung der Sittenwidrigkeit von Preisunterbietungen heranzuziehen. Daraus ergibt sich aber, daß jede Art von Bindung an vom Erzeuger vorgeschriebene Preise nur Gültigkeit hat, wenn sie den Bestimmungen des Kartellgesetzes gerecht wird. Tut sie dies nicht, dann hat sie keine Rechtsverbindlichkeit und kann den Schutz der Gerichte nicht beanspruchen, auch nicht über den Umweg der Sittenwidrigkeit. Der Gesetzgeber hat im Kartellgesetz durch die Einbeziehung der Preisbindungen der zweiten Hand zu erkennen gegeben, daß er diese nur anzuerkennen gewillt ist, wenn sie überprüft und registriert worden sind. Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kartellgesetzes an entbehren alle Bindungen, worauf immer sie beruht haben mögen, wenn sie sich dem Registrierungsverfahren nicht unterwerfen, des richterlichen Schutzes. Die sogenannten gentlemen agreements sind vom Gesetz nicht ausdrücklich erlaubt, sondern nur deshalb nicht verboten, weil sie schon ihrer Absicht nach keine rechtsverbindliche Bindung zu erzeugen vermögen, weshalb der Ausspruch ihrer Rechtsungültigkeit im Kartellgesetz auch sinnlos wäre. Wer sich auf die Bestimmungen eines Gesetzes zu stützen vermag, handelt nicht sittenwidrig. Die Bestimmung des § 1 UWG. kann nicht zum Zwecke der Umgehung des Kartellgesetzes herangezogen werden. Der behauptete Handelsbrauch wäre in diesem Falle ein Handelsmißbrauch, den der Richter nicht dulden darf. Keiner der Abnehmer eines Markenartikels ist ohne registrierte Preisbindung gehalten, die vom Erzeuger vorgeschriebenen Kleinverkaufspreise einzuhalten, daher erst recht nicht ein Dritter. Wenn er es tut, so darf er sich doch nicht darüber beschweren, daß es sein Konkurrent unterläßt. Der Tatbestand könnte allerdings noch allgemein dahin untersucht werden, ob ohne Rücksicht auf die Eigenschaft als Markenartikel ein sittenwidriges Preisschleudern vorliegt. Nun ist nach herrschender Rechtsprechung die Preisunterbietung im Geschäftsverkehr an sich nicht sittenwidrig, wenn nicht besondere sittenwidrige Begleitumstände hinzutreten. Selbst der Verkauf unter Verzicht auf Gewinn ist zulässig, wenn dadurch die Deckung der Geschäftsregien ermöglicht wird, und sogar unter dem Gestehungspreis darf verkauft werden, wenn dies aus Werbegrunden geschieht und es sich nicht um eine Ware handelt, die ungeeignet ist, den Zweck zu erfüllen, zu dem sie der Käufer anschafft (vgl. 4 Ob 182/33, 4 Ob 257/32 (Langer - Saxl S. 141 Nr. 385) und 4 Ob 16/29 (Langer - Saxl S. 141 Nr. 387)). Von einer sittenwidrigen Schmutzkonkurrenz kann erst gesprochen werden, wenn die angebotene Ware minderwertig ist (vgl. SZ. IX 284). Eine Preisschleuderei hat die klagende Partei im vorliegenden Fall übrigens gar nicht behauptet, weil sie nur von einem Unterbieten im Ausmaß von 10% spricht und sich aus dieser Tatsache allein nicht der Tatbestand der Preisschleuderei ableiten läßt. Wenn in der Rechtsprechung der Preis des Markenartikels eine gesonderte Behandlung erfuhr, so hat er diese Sonderstellung durch die Spezialregelung des Kartellgesetzes nunmehr insoweit verloren, als der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen die Markenartikelvereinbarung rechtsgültig ist.

Mit Recht haben die Untergerichte auch die Unterstellung des Sachverhalts unter § 1 RabattG. verneint, weil auch bei Markenartikeln mit vom Erzeuger festgesetzten Preisen diese Preise nicht als vom Unternehmer angekundigte oder geforderte Preise im Sinne des § 1 RabattG. angesehen werden können, wenn er nicht selbst dem Letztverbraucher gegenüber diese Preise als die an ihn zu zahlenden kenntlich macht. Verkauft er die Markenware allgemein unter dem vom Erzeuger festgesetzten Preis, verstößt er nicht gegen das Rabattgesetz (vgl. RGZ. 150, 271).

Die Rechtsrüge der Revision ist daher unbegrundet.

Damit erledigt sich aber auch die Mängelrüge, die sich darüber beschwert, daß keine Feststellungen getroffen wurden, ob die empfohlenen Preise lückenlos eingehalten werden und ob es Ansicht der Beteiligten ist, daß der Verkauf unter diesen Preisen sittenwidrig sei. Solche Beweiserhebungen waren überflüssig, weil - selbst wenn man eine Bindung annimmt, was hier offen bleiben kann -, wie ausgeführt, immer zwei Voraussetzungen zu einem erfolgreichen Schutz gegeben sein müssen, die rechtsgültige Bindung und die Lückenlosigkeit des zu ihrer Einhaltung geschaffenen Systems. Die Tatsache der Einhaltung der empfohlenen Preise war deshalb ohne Bedeutung, weil sie die erforderliche vertragliche Bindung nicht ersetzen konnte, ohne die auch die Lückenlosigkeit der praktischen Handhabung keine Berücksichtigung finden kann.

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