Spruch:
Die Gültigkeit des allographen Testamentes wird nicht dadurch berührt, daß einer oder mehrere Testamentszeugen die Erklärung des Erblassers, das Schriftstück enthalte seinen letzten Willen, nicht selbst hören.
Entscheidung vom 6. November 1957, 1 Ob 578/57.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Feststellung der Ungültigkeit des schriftlichen Testamentes des Maximilian H. auf Grund folgender Feststellungen und rechtlicher Erwägungen ab:
Maximilian H. befand sich ab 12. November 1955 in Behandlung im Allgemeinen Krankenhaus in Sch. Der Leiter der Internen Abteilung, Dr. Anton B., empfahl dem Patienten, ein Testament zu errichten. Anläßlich einer Abendvisite, bei der Dr. B. auch Maximilian H. besuchte, wurde Dr. B. von der Beklagten, die sich im Krankenzimmer befand, gebeten, das Testament des Erblassers zu unterfertigen. Dr. B. las das Testament, auf dem sich schon die Unterschrift des Erblassers befand, durch und unterfertigte es sodann mit dem Zusatz:
"als Zeuge", ohne jedoch den Erblasser zu fragen, ob dies sein letzter Wille sei. Zur gleichen Zeit befand sich auch August R., der das Testament gleichfalls als Zeuge unterfertigt hatte, als Patient im Krankenzimmer des Erblassers. Dr. B. ersuchte sodann den im anschließenden Krankenzimmer befindlichen Patienten Franz G., in das Krankenzimmer des Erblassers zu kommen und dort das Testament zu unterfertigen. G. begab sich dorthin. Zu dieser Zeit war gerade Maria R. bei ihrem Gatten zu Besuch. Dr. B. übergab das Testament dem Franz G. mit dem Hinweis, es sei das Testament des Maximilian H. G. las das Testament durch und stellte fest, daß es bereits vom Erblasser, von Dr. B. und August R. unterfertigt war. Nach Durchsicht des Testamentes machte er den Erblasser darauf aufmerksam, daß er mit diesem Schriftstück ein Testament errichtet hätte, und fragte ihn, ob er mit dessen Inhalt einverstanden sei, was H. mit "ja" beantwortete. Zur gleichen Zeit befand sich bei August R. auch dessen Gattin im Zimmer, die auf Ersuchen der Beklagten und auf Drängen ihres Mannes gleichfalls das Testament unterfertigte, jedoch ohne den Zusatz "als Zeuge". Ob Dr. B. während des Gespräches des Franz G. mit dem Erblasser noch im Krankenzimmer anwesend war, steht nicht fest.
Nach Ansicht des Erstgerichtes sind die Voraussetzungen des § 579 ABGB. über die Formvorschriften eines fremdhändigen Testamentes gegeben. Dr. B. scheide allerdings als gültiger Zeuge aus, weil weder der Erblasser ihm gegenüber die Richtigkeit des Testamentes bekräftigte, noch er den Erblasser diesbezüglich befragt habe. Hingegen seien die drei anderen Personen gültige Zeugen. Sie seien zugegen gewesen, als G. den Erblasser fragte, ob das Testament seinem Willen entspreche. Der Umstand, daß bei der Unterschrift der Maria R. der auf ihre Zeugenschaft hinweisende Zusatz fehle, sei belanglos, weil der bei den übrigen Zeugen enthaltene Zusatz auch für sie gelte. Die Testierfähigkeit des Erblassers sei gegeben.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Aus der Aussage des Zeugen Dr. B. ergebe sich, daß der Erblasser genau gesehen und gehört habe, was sich mit dem von ihm bereits unterfertigten Testament abgespielt habe und daß dieses unterfertigt werde. Daß die Zeugin Maria R. nicht mehr wisse, daß G. den Erblasser fragte, ob es sich um seinen letzten Willen handle, und dieser mit ja geantwortet habe, sei daraus zu erklären, daß sie sich um ihren Gatten sorgte. Es sei aber selbstverständlich, daß die Eheleute R. die Erklärung des H. gehört hätten. Das Erstgericht habe dies zwar nicht ausdrücklich festgestellt, das Gesetz verlange aber nur, daß die Erklärung vor drei Zeugen abgegeben werde. Selbst wenn die Eheleute R. die Erklärung nicht gehört hätten, wäre das Testament nicht ungültig, weil eine wörtliche Erklärung des Testators nicht notwendig sei. Das Fehlen des Beisatzes "als Zeuge" bei der Unterschrift der Maria R. und der Umstand, daß August R. das Testament schon vor der ausdrücklichen Erklärung des Erblassers unterfertigt habe, seien für die Gültigkeit des Testamentes belanglos.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Rüge der Revisionswerber kommt insofern Berechtigung zu, als sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichtes wenden, die Zeugin Maria R. wisse nicht "mehr", daß der Erblasser das Testament als seinen letzten Willen bezeichnete, und die Ehegatten R. hätten die ausdrückliche Erklärung des Erblassers gehört bzw. praktisch hören müssen. Es handelt sich dabei allerdings nicht um Aktenwidrigkeiten, sondern um ergänzende Tatsachenfeststellungen. Diese sind jedoch ohne Beweiswiederholung keinesfalls zulässig. Der hierin gelegene Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit müßte, wenn diese Annahmen wesentlich wären, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Der Oberste Gerichtshof legt daher seiner rechtlichen. Beurteilung lediglich die Feststellungen des Ersturteils zugrunde. Auch nach diesen erscheint jedoch das Testament gültig.
Eine Feststellung darüber, ob die Testamentszeugen August und Maria, R. die Erklärung des Erblassers, daß das Testament seinen letzten Willen enthalte, tatsächlich hörten, war nämlich entbehrlich, weil selbst im verneinenden Fall das Testament gültig wäre. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Nach dem Gesetz ist die Erklärung des Erblassers vor den Zeugen erforderlich, daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte. Nur diese Erklärung ist Formerfordernis und daher für die Gültigkeit des Testamentes wesentlich (GlUNF. 4787). Dies ergibt sich aus dem Zweck dieser Formvorschrift. Sie dient der Feststellung, daß es sich um den letzten Willen des Erblassers handle, und der Feststellung seiner Richtigkeit. Dadurch soll der Unterschiebung erschlichener Testamente gegen den Willen des Erblassers vorgebeugt werden. Dieser Zweck ist erfüllt, wenn der Erblasser das Schriftstück vor den Zeugen ausdrücklich als seinen letzten Willen bestätigt. Allerdings muß diese Erklärung von anderen Personen wahrgenommen worden sein, weil sie sonst nicht feststellbar ist. Diese Personen werden in der Regel die Zeugen sein, weil gewöhnlich nur sie Zeugen des Aktes sind. Es muß dies aber nicht unbedingt der Fall sein. Nach Lehre und Rechtsprechung kann vielmehr der Beweis der Einhaltung der Form des Testamentes, insbesondere auch der Beweis für die Abgabe der Erklärung des Erblassers, auch durch andere Beweise als durch die Testamentszeugen erbracht werden (Weiss in Klang 2. Aufl. III 314 zu § 579 ABGB.; GlUNF. 4787, GlU. 281). Wenn aber der Beweis der Erklärung nicht bloß durch die Testamentszeugen erbracht werden muß, sondern auch durch andere Beweise erbracht werden kann, so folgt daraus, daß dann, wenn dieser Beweis erbracht ist, der Umstand, daß einer oder mehrere Testamentszeugen die Erklärung nicht gehört haben, nicht von rechtlicher Bedeutung sein kann. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, daß im Falle des Todes auch nur eines Zeugen das Testament mit Erfolg angefochten werden könnte, weil der dem Testamentserben obliegende Beweis, daß die Erklärung des Erblassers von dem mittlerweile verstorbenen Zeugen auch tatsächlich gehört wurde, in der Regel der Fälle nicht erbracht werden könnte. Eine solche Auslegung des Gesetzes, welche der Anfechtungsmöglichkeit eines Testamentes allzu großen Spielraum geben würde, ist aber abzulehnen. Im vorliegenden Fall wurde durch die Aussage eines Testamentszeugen festgestellt, daß der Erblasser die Erklärung in Gegenwart aller Testamentszeugen abgegeben hat. Damit ist dem Formerfordernis Genüge getan.
Was den Umstand anlangt, daß der Testamentszeuge August R. vor der Erklärung des Erblassers unterschrieben hat, so ist er belanglos. Da die Einheit des Testieraktes feststeht und auch nicht bestritten ist, erscheint nach ständiger Rechtsprechung die Reihenfolge der einzelnen Gültigkeitserfordernisse nicht wesentlich. So kann z. B. die Unterfertigung des Testamentes durch den Erblasser auch erst nach jener durch die Zeugen geschehen (GlUNF. 3331). Um so weniger kann es von Bedeutung sein, ob der Erblasser das Testament vor oder erst nach der Unterfertigung durch den Zeugen bekräftigt.
Den Untergerichten ist ferner auch darin beizupflichten, daß das Fehlen eines auf die Zeugenschaft hinweisenden Zusatzes bei der Unterschrift der Maria R. rechtlich unerheblich ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht zu verlangen, daß jeder Zeuge seiner Unterschrift den Zusatz "als Zeuge" beifügt. Es genügt, wenn von den drei Testamentszeugen auch nur einer seinen Namen mit diesem Zusatz unterschreibt und unter seine Unterschrift die beiden anderen Zeugen ihre Unterschrift setzen (SZ. IV 28). Im vorliegenden Fall haben sogar drei andere Personen mit dem Zusatz "als Zeuge" unterschrieben und hat Maria R. ihren Namen unter die Unterschrift des Zeugen G. gesetzt. Der bei seiner Unterschrift enthaltene Zusatz "als Zeuge" bezieht sich daher auch auf Maria R., zumal feststeht, daß sie ausdrücklich aufgefordert wurde, in dieser Eigenschaft das Testament zu unterfertigen.
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