OGH 2Ob211/57

OGH2Ob211/5723.5.1957

SZ 30/31

Normen

EheG §37
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18
EheG §37
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18

 

Spruch:

Verschweigung einer Diebstahlsvorstrafe durch die Gattin als Eheaufhebungsgrund.

Hauptbegehren auf Aufhebung und Eventualbegehren auf Scheidung der Ehe.

Entscheidung vom 23. Mai 1957, 2 Ob 211/57.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die beiden Streitteile haben am 17. August 1950 die Ehe geschlossen. Die Ehe ist kinderlos geblieben.

Der Kläger, der ursprünglich Scheidung gemäß § 49 EheG. aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten begehrt hatte, änderte das Klagebegehren dahin ab, daß er in erster Linie die Aufhebung der Ehe und den Ausspruch, daß die Beklagte ein Verschulden an der Aufhebung treffe, begehrt und nur in eventu die Scheidung aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten.

Die Beklagte beantragte kostenpflichtige Abweisung des Aufhebungsbegehrens und für den Fall einer Scheidung der Ehe eventualiter deren Scheidung aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers.

Das Erstgericht hob die Ehe aus dem Gründe des § 37 EheG. auf, sprach unter Berücksichtigung des Schuldantrages der Beklagten gegenüber dem Scheidungsbegehren gemäß § 18 der 1. DVzEheG. und § 42 Abs. 2 EheG. aus, daß beide Ehegatten ein - gleichteiliges - Verschulden treffe, und wies schließlich das Scheidungsbegehren des Klägers und den Mitschuldantrag der Beklagten noch ausdrücklich ab.

Es stellte fest, daß die Beklagte am 19. März 1941 rechtskräftig wegen Verbrechens des Diebstahls nach §§ 171, 173, 176 II lit. b StG. zur Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von 18 Monaten, verschärft durch ein hartes Lager vierteljährlich, verurteilt worden sei, sich unter Anrechnung der Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 25. November 1940 bis Mitte Dezember 1941 in Strafhaft befunden habe und sodann bedingt entlassen worden sei. Die noch ausständige Reststrafe sei ihr mit Bescheid vom 15. Februar 1945 endgültig nachgesehen und die Verurteilung über ihr Ansuchen mit Beschluß vom 27. Juli 1948 für getilgt erklärt worden.

Das Erstgericht stellte weiters fest, daß der Kläger erst im Frühjahr oder Sommer 1955 von dieser Vorstrafe der Beklagten erfuhr. Die Behauptung der Beklagten, wonach sie dem Kläger schon vor ihrer Eheschließung von der Vorstrafe erzählt habe, sah das Erstgericht als unglaubwürdig an.

Das Erstgericht hob auf Grund dieses Sachverhaltes die Ehe aus dem Gründe des § 37 EheG. auf.

Das Verschulden der Beklagten wurde gemäß § 42 Abs. 2 EheG. im Verschweigen der Vorstrafe erblickt.

Gemäß § 18 der 1. DVzEheG. berücksichtigte das Erstgericht aber auch die im Mitschuldantrag der Beklagten gegenüber dem Scheidungsbegehren des Klägers geltend gemachten schweren Eheverfehlungen des Klägers, und zwar einerseits seine Trunksucht, deretwegen er sich im Dezember 1953 sogar wegen Säuferwahnsinns in Anstaltsbehandlung befunden habe, und andererseits mehrfaches und durch längere Zeit andauerndes liebloses Verhalten gegenüber der Beklagten, insbesondere durch Anschreien und Hinauswerfen aus der ehelichen Wohnung.

Hingegen nahm das Erstgericht irgendwelche schwere Eheverfehlungen der Beklagten nicht als gegeben an.

Es sah die beiderseitigen Verschuldensanteile als gleichwertig an.

Das Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei auch das Aufhebungsbegehren der klagenden Partei ab.

Es nahm im Gegensatz zum Erstgerichte an, daß die Aufhebung der Ehe gemäß § 37 EheG. mit Rücksicht auf die bisherige Gestaltung des ehelichen Lebens der Ehegatten sittlich nicht gerechtfertigt sei (§ 37 Abs. 2 EheG.).

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers insofern Folge, als er seinem Aufhebungsbegehren aus dem Gründe des § 37 EheG. stattgab, hiebei aber aussprach, daß das Verschulden beide Ehegatten treffe. Er verwies schließlich die klagende Partei mit ihrem Eventualbegehren auf Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden der beklagten Partei und die beklagte Partei mit ihrem Eventualantrage auf Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der klagenden Partei auf seine Entscheidung über das Hauptbegehren der klagenden Partei auf Aufhebung der Ehe.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist zum Teil begrundet, und zwar hinsichtlich des Aufhebungsbegehrens.

Auszugehen ist von den bindenden Feststellungen der Untergerichte, wonach der Kläger von der strafgerichtlichen Verurteilung der Beklagten erstmals im Frühjahr 1955 Kenntnis erlangt hat, so daß sein am 31. Oktober 1955 gestelltes Aufhebungsbegehren gemäß § 40 EheG. als rechtzeitig anzusehen ist.

Das Berufungsgericht hat auch ebenso wie das Erstgericht zutreffend erkannt, daß die Verurteilung der Beklagten zu einer 18monatigen schweren Kerkerstrafe wegen Verbrechens des Diebstahls nach §§ 171, 173, 176 II lit. b StG. nicht nur wegen der Art des Deliktes, sondern auch wegen der Höhe des von der Beklagten damals - im Jahre 1941 - selbst zugegebenen Schadens von 5000 RM als schwerwiegend und in beträchlichem Maße als ehrenrührig anzusehen ist. Die Handlungen, deretwegen die Beklagte damals verurteilt wurde, sind mit dem Bilde ihrer Persönlichkeit so eng verknüpft, daß angenommen werden muß, die Kenntnis der Sachlage hätte den Kläger bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe mit der Beklagten abgehalten. Die Ehe als die engste Gemeinschaft zweier Menschen muß auf gegenseitigem Vertrauen aufgebaut werden, und deshalb muß bei richtiger Würdigung ihres Wesens eine schwere strafbare Handlung der vorliegenden Art als geeignet angesehen werden, das Bild der Person, mit der man die Ehe schließen will, grundlegend zu verändern (vgl. Volkmar - Antoni, Großdeutsches Eherecht, S. 140 zu § 37 EheG., wo ausdrücklich auf einen Irrtum hinsichtlich schwer strafbarer Handlungen des Ehepartners verwiesen wird).

Der Umstand, daß der Kläger selbst nach den Feststellungen der Unterinstanzen zwei Vorstrafen hat, kann nicht insoferne eine Bedeutung haben, als anzunehmen wäre, daß er deshalb die Beklagte auch bei Kenntnis ihrer Vorstrafe geehelicht hätte. Denn beim Kläger handelt es sich um zwei geringfügige Delikte (§ 431 StG. und § 312 StG.), deretwegen er im ersten Fall eine bedingte 48stundige Arreststrafe, im zweiten Fall eine bedingte Geldstrafe in der Höhe von 50 S erhalten hat. Sein Leumund wird auch in einem Leumundschreiben der zuständigen Polizeidirektion trotz dieser beiden geringfügigen Vorstrafen als gut bezeichnet. Diese beiden Vorstrafen können gegenüber der Vorstrafe der Beklagten überhaupt nicht ins Gewicht fallen.

Zutreffend weist Schwind in seinem Kommentar zum österreichischen Eherecht auf S. 161 zu § 37 EheG. darauf hin, dar hinsichtlich erheblicher Vorstrafen eine Mitteilungspflicht angenommen werden müsse, weil dem anderen Ehepartner ein so schwerwiegender Umstand vor Eingehung der Ehe nicht verschwiegen werden dürfe. Gerade die Tatsache, daß die Beklagte dem Kläger eine solche schwere Vorstrafe vor Eingehung der Ehe verschwiegen hat, zeigt deutlich, daß sie selbst offenbar mit Grund befürchtet hat, der Kläger werde die Ehe mit ihr nicht eingehen, wenn er von der Vorstrafe erfahre. Sie muß also, da sie ihre Vorstrafe verschwiegen hat, selbst der Meinung gewesen sein, daß die Kenntnis der Vorstrafe geeignet gewesen wäre, den Kläger von der Eingehung der Ehe mit ihr abzuhalten.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann aber auch nicht angenommen werden, daß das Aufhebungsbegehren im vorliegenden Falle sittlich nicht gerechtfertigt wäre. Dies könnte nur angenommen werden, wenn der Aufhebungsgrund seiner Art nach nicht als besonders schwerwiegend anzusehen wäre und wenn die Ehe - zumal sie im vorliegenden Falle kinderlos geblieben ist - bereits sehr lange gedauert hätte (vgl. Volkmar - Antoni a. a. O. S. 143, Schwind a. a. O. S. 162, der von einer vieljährigen tadellosen Ehe bei Aufkommen einer Verbrechensvorstrafe spricht, um den Ausschließungsgrund der mangelnden sittlichen Rechtfertigung nach § 37 Abs. 2 EheG. annehmen zu können). Diese Voraussetzungen sind aber im vorliegenden Falle nicht gegeben.

Denn daß die Vorstrafe sehr schwerwiegend ist, wurde bereits gesagt. Daß die Verurteilung bereits neun Jahre vor der Eheschließung erfolgte und schon zwei Jahre vor der Eheschließung getilgt wurde, schließt nicht aus, daß sie dennoch geeignet war, das Bild von der Persönlichkeit der Beklagten wesentlich zu beeinflussen. Es wurde bereits oben gesagt, daß gegenüber demjenigen, mit dem man eine Ehe eingehen will, unbedingte Aufrichtigkeit verlangt werden muß, wozu auch die Mitteilungspflicht hinsichtlich einer bereits getilgten Vorstrafe gehört. Denn auch die Tilgung der Verurteilung kann nur die rechtlichen Folgen der Tat, aber nicht die Tat selbst aus der Welt schaffen.

Von einer sehr langen Dauer der kinderlos gebliebenen Ehe, die am 17. August 1950 geschlossen wurde, kann aber auch nicht gesprochen werden.

Aus den angeführten Gründen war in Abänderung des Urteiles des Berufungsgerichtes dem Aufhebungsbegehren des Klägers aus dem Gründe des § 37 EheG. stattzugehen. In diesem Punkte war also die Revision des Klägers begrundet.

Keine Berechtigung kommt ihr aber hinsichtlich des Ausspruches über das Verschulden und des damit zusammenhängenden Ausspruches über die gegenseitige Kostenaufhebung zu.

Die Ansicht des Erstgerichtes, daß bei der gegebenen Sachlage das Verschulden der Beklagten, das gemäß § 42 Abs. 2 EheG. in der Verschweigung ihrer Vorstrafe liegt, und das gemäß § 18 der 1. DVzEheG. zu berücksichtigende Verschulden des Klägers infolge seiner Trunksucht und infolge seines lieblosen Verhaltens nicht so erheblich voneinander abweichen, um ein überwiegendes Verschulden der Beklagten annehmen zu können, ist frei von Rechtsirrtum.

Die Mängelrüge ist insofern, als sie dem Berufungsgericht vorwirft, es hätte die Beweise neu durchführen müssen, bevor es auch über das Scheidungsbegehren entschieden hätte, gegenstandslos, weil das Scheidungsbegehren vom Kläger ausdrücklich nur als Eventualbegehren gestellt wurde und daher über dieses Begehren überhaupt nicht mehr zu entscheiden ist, nachdem dem Hauptbegehren auf Aufhebung der Ehe stattgegeben wurde. Die ausdrückliche Abweisung des Scheidungsbegehrens des Klägers und des Mitschuldantrages der Beklagten durch das Erstgericht war daher überflüssig. Denn das Wesen eines Eventualbegehrens liegt eben darin, daß es überhaupt erst dann einer Erledigung zuzuführen ist, wenn das Hauptbegehren abgewiesen wurde (vgl. DREvBl. 1940 Nr. 251, auch SZ. XXIV 264). Im übrigen ist auch nach § 18 der 1. DVzEheG. selbst dann, wenn in demselben Rechtsstreit Aufhebung und Scheidung - und letztere nicht nur eventualiter - begehrt wird und beide Begehren begrundet sind, nun auf Aufhebung der Ehe zu erkennen und das Verschulden der Ehegatten, welches das Scheidungsbegehren oder einen Schuldantrag gegenüber diesem Begehren rechtfertigt, nur im Schuldausspruch zu berücksichtigen. Eine Entscheidung über das Scheidungsbegehren des Klägers und den Mitschuldantrag der Beklagten hatte daher zu entfallen.

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