OGH 1Ob246/56

OGH1Ob246/563.10.1956

SZ 29/66

Normen

Arbeitsgerichtsgesetz §1
Arbeitsgerichtsgesetz §5
JN §1
JN §42
ZPO §240
ZPO §477 Abs1 Z5
ZPO §477 Abs1 Z6
ZPO §503 Z1
Arbeitsgerichtsgesetz §1
Arbeitsgerichtsgesetz §5
JN §1
JN §42
ZPO §240
ZPO §477 Abs1 Z5
ZPO §477 Abs1 Z6
ZPO §503 Z1

 

Spruch:

Spruchrepertorium Nr. 47 neu.

Ob eine Streitsache vor die ordentlichen oder die Arbeitsgerichte gehört, ist eine Frage der sachlichen Zuständigkeit und nicht der Zulässigkeit des Rechtsweges.

Entscheidung vom 3. Oktober 1956, 1 Ob 246/56.

I. Instanz: Bezirksgericht Liesing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger brachte in seiner beim Bezirksgericht Liesing eingebrachten Klage vor, daß die Beklagte bis zum 22. Juni 1954 Hausbesorgerin seines Hauses gewesen und mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Arbeitsgerichtes Wien zu 9 Cr 342/54 die Aufkündigung des Hausbesorgervertrages für rechtswirksam erklärt worden sei. Die Beklagte habe daher ab 1. Juli 1954 für die weitere Benützung der Wohnung ein Benützungsentgelt von monatlich 150 S zu bezahlen, was der Beklagten auch mitgeteilt worden sei. Für achtzehn Monate betrage dieses Benützungsentgelt 2700 S. Die Beklagte hat neben dem Antrag auf Klagsabweisung die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges erhoben, weil es sich bei der gegenständlichen Forderung auf Benützungsentgelt um Nachwirkungen des seinerzeitigen Dienstverhältnisses handle. Da die klagende Partei auf weitere Hausbesorgerarbeiten verzichtet habe, gehe es nicht an, für die Wohnung ein Benützungsentgelt, das im übrigen unangemessen hoch sei, zu begehren.

Das Erstgericht hat das Verfahren einschließlich der Klagszustellung für nichtig erklärt, die Klage wegen Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges zurückgewiesen und die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes ausgesprochen.

Die beklagte Partei sei Hausbesorgerin im Hause des Klägers gewesen. Da das Dienstverhältnis infolge Aufkündigung beendet worden sei, aber die Beklagte noch weiter die Wohnung benütze, stelle sich diese weitere Benützung als eine Nachwirkung des seinerzeitigen Dienstverhältnisses dar.

Dem Rekurs der klagenden Partei gab das Rekursgericht Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht (Bezirksgericht) die Durchführung des weiteren Verfahrens auf. Nach ständiger Rechtsprechung stelle sich zwar die Räumung der Wohnung der Beklagten noch als eine Nachwirkung des bestehenden Arbeitsverhältnisses dar. Im vorliegenden Falle werde aber nicht die Räumung der Wohnung begehrt, sondern die Bezahlung eines Benützungsentgeltes für die Wohnung, weil sie nicht von der beklagten Partei geräumt worden sei. Der Rechtsgrund der Klage sei daher erst nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstanden, weshalb nicht mehr von einer Nachwirkung des bestandenen Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 ArbGerG. gesprochen werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß mit der Maßgabe wieder her, daß die Klage nicht wegen Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges, sondern wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 ArbGerG. sind die Arbeitsgerichte auch für Streitigkeiten zuständig, die zwar erst nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses entstehen, aber auf Tatbestände zurückgehen, die Nachwirkungen des Arbeitsverhältnisses sind. Es muß sich hiebei um Folgeerscheinungen der früheren Rechtsbeziehungen handeln, mag auch der Zusammenhang nur oberflächlicher Natur sein. Wie der Oberste Gerichtshof schon in mehrfachen Entscheidungen (EvBl. 1951 Nr. 391, ArbSlg. 5635, 6244) zum Ausdruck gebracht hat, ist das Arbeitsgericht auch zuständig für den Streit um die Kündigung oder Räumung einer Dienstwohnung nach Auflösung eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Art das Wohnungsverhältnis war und in welcher Form es über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus fortgesetzt wurde.

Nur dann, wenn anläßlich der Beendigung des Dienstes eine völlig neue Vereinbarung zustandegekommen wäre, die ohne Rücksicht auf das frühere Rechtsverhältnis und daher von diesem unabhängig eingegangen wurde, könnte von einer Nachwirkung im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 ArbGerG. nicht mehr gesprochen werden (ArbSlg. 5420). Dieselben Gesichtspunkte, die für die Unterstellung der Räumungsstreitigkeiten unter die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes sprechen, treffen auch für die Streitigkeiten um die Zahlung eines Entgeltes für die nach Beendigung des Dienstverhältnisses nicht geräumte Wohnung zu. Der Zusammenhang zwischen dem Dienstverhältnis und der nach Beendigung dieses Verhältnisses erfolgten titellosen weiteren Benützung der Wohnung tritt hier klar zutage. Entscheidend ist, daß die Beklagte die Wohnung auf Grund ihres Dienstverhältnisses als Hausbesorgerin innehatte und auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses für die Weiterbenützung der Wohnung über keinen neuen Rechtstitel verfügte, sondern diese Weiterbenützung auf dem ehemals bestandenen Dienstverhältnis beruhte. Bei diesem Sachverhalt liegen aber die Voraussetzungen für die Nachwirkungen des früher bestandenen Dienstverhältnisses als Hausbesorgerin vor, wie der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung MietSlg. 4855, welcher der gleiche Sachverhalt zugrunde gelegen ist, zum Ausdruck brachte (ArbSlg. 6433).

Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der erstrichterliche Beschluß auf Zurückweisung der Klage, Nichtigerklärung des Verfahrens einschließlich der Klagszustellung und Ausspruch der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes wiederherzustellen.

Da aber das Erstgericht die Klage "wegen Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges" zurückgewiesen hat, mußte darüber hinaus geprüft werden, ob der erstrichterliche Beschluß in dieser Form oder, wie dies insbesondere auch dem Wortlaut des § 5 ArbGerG. entspricht, in der Art wiederherzustellen war, daß die Klage "wegen sachlicher Unzuständigkeit" zurückgewiesen wird. Diese Frage ist im allgemeinen wegen der Einordnung der Arbeitsgerichtsbarkeit in die Behördentätigkeit überhaupt und im besonderen für die Aufrechnungseinrede im Prozeß bedeutsam, weil die Aufrechnung nur im Falle der Unzulässigkeit des Rechtsweges ausgeschlossen ist, während ihr Grenzen der sachlichen Zuständigkeit nicht entgegenstehen (Petschek, Zivilprozeßrechtliche Streitfragen, S. 41 ff.; Novak, Zur prozessualen Aufrechnungseinrede, JBl. 1951 S. 504; Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, S. 78 f.).

Ausgegangen muß davon werden, daß für Dienststreitigkeiten, das sind Streitigkeiten, die sich aus dem Dienstvertrag zwischen dessen Parteien ergeben, in Österreich zunächst die politischen Behörden, und zwar die Bezirkshauptmannschaften und Gemeindevorsteher, zuständig waren (V. vom 7. Dezember 1856, RGBl. Nr. 224, und vom 15. März 1860, RGBl. Nr. 73). § 102 der Gewerbeordnung vom 20. Dezember 1859, RGBl. Nr. 227, schaltete für gewisse Fälle die Genossenschaftsvorstehung ein. Nur Streitigkeiten, welche nach Ablauf von dreißig Tagen nach Aufhören des Dienst- oder Lehrverhältnisses angebracht wurden, gehörten vor den ordentlichen Richter. Das Gesetz vom 14. Mai 1869, RGBl. Nr. 63, sah sodann die Errichtung von Gewerbegerichten vor. Da aber Gewerbegerichte nur an wenigen Orten errichtet wurden und die durch das Gesetz vom 8. März 1885, RGBl. Nr. 22, vorgesehenen schiedsrichterlichen Collegien nirgends, die durch Gesetz vom 15. März 1883, RGBl. Nr. 39, geschaffenen schiedsgerichtlichen Ausschüsse nur bei wenigen Genossenschaftsvorstehungen eingerichtet wurden, blieb es nach wie vor für die Dienststreitigkeiten im wesentlichen bei der Zuständigkeit der politischen Behörden. Hier schuf erst das Gewerbegerichtsgesetz 1896 (Gesetz vom 27. November 1896, RGBl. Nr. 218) Wandel, nach dem es zwar dabei blieb, daß Gewerbegerichte nur an wenigen Orten errichtet waren, das aber die gerichtliche Zuständigkeit, also die Zuständigkeit der Bezirks-, Handels-, Landes- oder Kreisgerichte, soweit Gewerbegerichte nicht bestanden, für alle Dienststreitigkeiten, allerdings damals erst zwischen Gewerbsinhabern und ihren Hilfsarbeitern sowie zwischen Hilfsarbeitern untereinander, begrundete. Der Fortschritt lag also darin, daß diese Dienststreitigkeiten aus der Zuständigkeit der politischen Behörden ausgeschieden und in jene der Gerichte gebracht wurden, anders ausgedrückt, daß die Dienststreitigkeiten aus dem Verwaltungsweg genommen und auf den Rechtsweg gewiesen wurden. Dazu ist besonders hervorzuheben, daß bei Schaffung des Gewerbegerichtsgesetzes 1896 beabsichtigt war, die Gewerbegerichte als ordentliche Gerichte einzurichten. § 3 Abs. 2 des Initiativantrages (Nr. 950 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, 11. Session XI. Band) und des Antrages des Permanenzausschusses (Nr. 1337 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, 11. Session XVII. Band) sah eine ausschließende Zuständigkeit der Gewerbegerichte "an Stelle der politischen Behörden sowie der bisherigen ordentlichen Gerichte" vor. Nach dieser Fassung hätten die Gewerbegerichte als weitere ordentliche Gerichte neben den bisherigen ordentlichen Gerichten angesehen werden können. In den erläuternden Bemerkungen des Permanenzausschusses sind denn auch die Gewerbegerichte als die ordentlichen Gerichte für Streitigkeiten aus dem Lohn- oder Lehrvertrag bezeichnet. In der Fassung der gemeinsamen Konferenz und demgemäß in § 3 Abs. 2 GewGerG. fehlt dann das Wörtchen "bisherig", wodurch die Gewerbegerichte in Gegensatz zu den ordentlichen Gerichten gebracht sind (Nr. 1572 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, 11. Session XX. Band). Dennoch ging der Berichterstatter im Hause der Abgeordneten noch immer davon aus, daß die Gewerbegerichte ordentliche Gerichte seien, und sprach dies auch aus (Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten im Jahre 1896, 11. Session XXI. Band S. 26.855 f.). Der Berichterstatter im Herrenhaus bemerkte nur mehr, daß die Gewerbegerichte "alle Befugnisse eines ordentlichen Gerichtes" haben (Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Herrenhauses in den Jahren 1891 bis 1897, 11. Session S. 1101). Wie nahe man daran war, die Gewerbegerichte als ordentliche Gerichte einzurichten, ergibt sich etwa auch daraus, daß man meinte, sie stellten sich den ordentlichen Gerichten gegenüber als Sondergerichte dar, "ähnlich wie die Handelsgerichte" (Bloch, Das Gewerbegericht, S. 32). Damit sind die Gewerbegerichte nicht nur in Parallele mit den Handelsgerichten gebracht, sondern auch der Sache nach als ordentliche Gerichte angesprochen, weil die Handelsgerichte zwar vor der Zivilprozeßreform Sondergerichte waren (Ullmann, Das österreichische Civilprozeßrecht, 3. Aufl. S. 19), durch sie aber ordentliche Gerichte wurden (§ 1 JN.).

War im Zuge der Zivilprozeßreform 1896 ein erheblicher Teil der Dienststreitigkeiten in die gerichtliche Zuständigkeit, und zwar in erster Linie in die gewerbegerichtliche und subsidiär in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, gebracht worden, so wurde dieses Ergebnis durch die spätere Gesetzgebung dahin ausgebaut, daß die politischen Behörden und auch die ordentlichen Gerichte von der Entscheidung von Dienststreitigkeiten ausgeschaltet wurden, so daß nunmehr, und zwar seit der Arbeitsgerichtsgesetz-Durchführungsverordnung vom 1. September 1950, BGBl. Nr. 183, alle Dienststreitigkeiten vor die Arbeitsgerichte gehören.

Überblickt man die geschichtliche Entwicklung, so zeigt sich, daß die Dienststreitigkeiten zunächst zur Gänze in die Zuständigkeit der politischen Behörden gehörten, dann zum geringen Teil Gewerbegerichten übergeben wurden, daß dann die politischen Behörden zum großen Teil ausgeschaltet wurden und die Zuständigkeit zur Entscheidung von Dienststreitigkeiten teils bei den Gewerbegerichten und teils bei den ordentlichen Gerichten lag, und daß nunmehr für alle Dienststreitigkeiten die Arbeitsgerichte zuständig sind. Dabei ist nicht ohne Interesse, daß auch jetzt noch in gewissen Fällen Dienststreitigkeiten, und zwar dann, wenn ein örtlicher Zuständigkeitsgrund für die Arbeitsgerichte im Inland fehlt, vor die ordentlichen Gerichte gehören (Stanzl, Arbeitsgerichtliche Zuständigkeit bei Dienstverhältnissen mit Auslandsbeziehung, in: Das Recht der Arbeit, 21. Heft, S. 7 f.).

Aus dem bisher Ausgeführten ergibt sich deutlich, daß sich bei Entscheidung von Dienststreitigkeiten Verwaltungsbehörden und Gerichte gegenüberstanden und daß sich ordentliche Gerichte und Arbeitsgerichte nebeneinanderreihen. Die Grenze der Rechtswegzulässigkeit verläuft zwischen Verwaltungsbehörden und Gerichten, entsprechend jener zwischen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Verwaltungssachen, und nicht zwischen den nebeneinander stehenden ordentlichen Gerichten und Arbeitsgerichten, die beide über bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden haben. Zwischen ihnen handelt es sich vielmehr nur um eine Grenze der sachlichen Zuständigkeit.

Mit diesem Ergebnis stimmt auch das geltende Gesetz (ArbGerG. vom 24. Juli 1946, BGBl. Nr. 170) überein. Danach entscheiden die Arbeitsgerichte - wie die ordentlichen Gerichte - über bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (§ 1 ArbGerG., Art. I EGZPO.). Jenseits der Grenze der, grundsätzlich von den Gerichten zu erledigenden, bürgerlichen Rechtssachen liegen die Verwaltungssachen. Da nun die arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten zu den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gehören, werden sie durch die nämliche Grenze wie diese von den Verwaltungssachen getrennt. Diese Grenze ist aber jene der Zulässigkeit des Rechtsweges. Die Grenze zwischen den arbeitsgerichtlichen und den allgemeinen Zivilprozeßsachen wird dagegen durch die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über die sachliche Zuständigkeit gezogen.

Außer diesen geschichtlichen und systematischen Grundlagen sprechen auch die ähnliche - weitgehend gleiche - Verfahrensgestaltung und die enge Berührung, ja teilweise Verschmelzung, zwischen ordentlicher und Arbeitsgerichtsbarkeit dafür, zwischen diesen beiden Behördentypen eine bloße Zuständigkeitsgrenze und nicht die Kluft der Rechtswegzulässigkeit anzunehmen. So verfahren die Arbeitsgerichte nach den hilfsweise geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung; Rechtsmittelinstanzen sind die ordentlichen Gerichte; die Entscheidungen der ordentlichen Gerichte und der Arbeitsgerichte binden diese Gerichte wechselseitig (§ 5 ArbGerG.), wie dies auch im Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten - eben gerade bei Fragen der sachlichen Zuständigkeit - der Fall ist (§ 46 JN.). In diesem Zusammenhang ist auch noch auf den Wortlaut des § 5 ArbGerG. zu verweisen, der wie die §§ 45, 46 JN. und die Randschrift vor § 49 JN. von einer sachlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte und der ordentlichen, Gerichte spricht. Es kann auch nicht angenommen werden, daß der Ausdruck "sachliche Zuständigkeit" im ersten und im zweiten Satz des § 5 ArbGerG. eine verschiedene Bedeutung haben könnte.

Gegen das durch die bisherigen Ausführungen begrundete Ergebnis, daß zwischen den Arbeitsgerichten und den ordentlichen Gerichten eine Grenze der sachlichen Zuständigkeit und nicht die Grenze der Zulässigkeit des Rechtsweges bestehe, ist insbesondere darauf verwiesen worden, daß gemäß § 42 JN. Grenzüberschreitungen auch nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens zur Vernichtung von Verfahren und Entscheidung führen können (Novak, Zur prozessualen Aufrechnungseinrede, JBl. 1951 S. 504; ferner in der Glosse zu der Entscheidung JBl. 1955 S. 251 und in der Besprechung von Volkmar - Dersch, Arbeitsgerichtsgesetz, JBl. 1956 S. 83).

Wenn man hier zunächst das Entstehen der Vorschrift verfolgt, so zeigt sich, daß sie in ganz ähnlicher Fassung bereits im Regierungsentwurf enthalten war (Mat. I, 7). In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage wird dazu nur bemerkt, daß nicht nur der Mangel einer auf den Rechtsweg gehörigen Sache (§ 43), sondern jede ausschließliche Kompetenz von Amts wegen beachtet werden müsse (Mat. I, 56). Daß dem Gesetzgeber aufgefallen wäre, daß nicht nur die Verwaltungssachen, sondern auch die vor Sondergerichte gewiesenen Rechtsstreitigkeiten nicht vor die ordentlichen Gerichte gehören, ist den Materialien nicht zu entnehmen. In der Folge haben sich weder der Permanenzausschuß noch die gemeinsame Konferenz näher mit dieser Bestimmung befaßt. Im Schrifttum ist dann auch alsbald die Meinung geäußert worden, daß § 42 JN. nur für die Beziehung gegenüber den Verwaltungsbehörden gedacht sei (Horten, Die Jurisdiktionsnorm und ihr Einführungsgesetz, S. 205). Die gleiche Auffassung vertritt auch Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 91, der überhaupt auf die großen Schwierigkeiten bei Anwendung des § 42 JN. verweist.

§ 42 JN. gehört nach dieser Entstehungsgeschichte nicht zu jenen Bestimmungen, aus denen mit ausreichender Beruhigung auf die Absichten des Gesetzgebers über Aufbau und gegenseitige Zuordnung der Gerichte geschlossen werden könnte. Es geht nicht an, entgegen den oben entwickelten, historischen, systematischen und Gründen der Sprachauslegung aus § 42 JN. abzuleiten, daß zwischen Gewerbegerichten und ordentlichen Gerichten eine Grenze der Zulässigkeit des Rechtsweges errichtet werden sollte. Solches ist auch gar nicht dem § 42 JN. zu entnehmen. Wenn man sich schon nicht zu der Einschränkung des § 42 Abs. 3 JN. auf das Verhältnis gegenüber den Verwaltungsbehörden entschließen kann, so bleibt nur übrig, daß zwischen ordentlichen und Arbeitsgerichten eine Unzuständigkeit besteht, die über die jederzeitige amtswegige Wahrnehmung im Verfahren hinaus auch noch nach rechtskräftigem Verfahrensabschluß aufgegriffen werden kann. Dies ist um so weniger auffällig, als auch sonst eine verschiedene Wirkung von Unzuständigkeitstatbeständen - verzichtbare und unverzichtbare Unzuständigkeit - unserem Zivilprozeßrecht, wesentlich ist. Praktische Bedeutung kommt einer Antragstellung gemäß § 42 Abs. 3 JN. ohnedies kaum zu.

Prüft man, was sonst an Gründen und Stimmen vorliegt, die gegen das oben abgeleitete Ergebnis angeführt werden könnten, so ergibt sich nichts Stichhältiges. Schrutka, Grundriß des Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. S. 52, spricht zwar ausdrücklich von "Unzulässigkeit des Rechtsweges" im Verhältnis zwischen ordentlichen und Gewerbegerichten, gibt aber keine Begründung. Sperl a. a. O. führt zwar auf S. 330 aus, daß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges gegeben sei, wenn die Sache nicht vor die ordentlichen Gerichte, sondern vor ein Gewerbegericht gehöre; auf S. 52 stellt er aber ordentliche und Gewerbegerichte im Zuständigkeitsverhältnis gegenüber. Schließlich sprechen sich auch Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. II S. 1299, Wolff, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. S. 70, und Stagel - Michlmayr, Große Manz'sche Ausgabe der Jurisdiktionsnorm und Zivilprozeßordnung, Anm. 3 zu § 240 ZPO., für die Abgrenzung im Sinne der Zulässigkeit des Rechtsweges aus, ohne daß aber Begründungen oder doch wenigstens neue Gedanken diesen Ausführungen zu entnehmen wären. Wenn Schuster - Bonnott, Österreichisches Zivilprozeßrecht, 4. Aufl. S. 146, und auch Kapfer, Das Arbeitsgerichtsgesetz, S. 30 § 4 Anm. 2, bemerken, für gewerbe(arbeits)gerichtliche Ansprüche sei der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen, so scheint damit nichts anderes gemeint zu sein, als daß eben auch diese Ansprüche auf den Rechtsweg, aber eben nicht vor die ordentlichen, sondern vor die Arbeitsgerichte gehören, was der Sache nach dem oben abgeleiteten Ergebnis entspricht. Allerdings führt diese Terminologie leicht zu dem Mißverständnis, daß zwischen Arbeitsgerichten und ordentlichen Gerichten eine Grenze der Rechtswegzulässigkeit und nicht der sachlichen Zuständigkeit besteht, woraus dann irrige Schlüsse, so jener auf die Unzulässigkeit der Aufrechnung, gezogen werden können. Sie wird daher besser vermieden. Horten a. a. O. S. 205, Fürstl, Die österreichischen Civilprozeßgesetze, III S. 97, und Klein - Engel,

Der Zivilprozeß Österreichs, S. 98, berichten bloß über die Anwendbarkeit des § 42 JN., ohne aber bei dieser Gelegenheit zu der hier untersuchten Frage Stellung zu nehmen.

Die hier vertretene Auffassung ist vor allem von Petschek a. a. O. S. 41 ff., Kollross, Die Gewerbegerichte Österreichs, S. 13 f., und Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, S. 76 ff., vertreten und ausführlich begrundet worden. Dieser Auffassung ist in ÖJZ. 1954 S. 575 und in den JBl. 1955 S. 635 beigetreten worden. Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. I S. 258 ff., scheint der gleichen Meinung zuzuneigen, weil er von der sachlichen Zuständigkeit der Gewerbegerichte im Rahmen der Ausführungen über die sachliche Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren erster Instanz handelt, also anscheinend einen einheitlichen Rechtsweg für ordentliche Gerichte und Gewerbegerichte annimmt.

In der Rechtsprechung ist zunächst die Entscheidung vom 5. Juni 1902. GlUNF. 1933, von Interesse, weil es sich um eine echte Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges in einer Arbeitsstreitigkeit zwischen Bezirksgericht und politischer Behörde handelte. Die Entscheidung vom 16. Dezember 1931, ZBl. 1932 Nr. 181, die Petschek - wie bereits zitiert - glossierte, neigt der hier abgelehnten Auffassung zu. Dagegen spricht die Entscheidung vom 4. Mai 1933, JBl. 1934 S. 40, ausdrücklich aus, daß das Verfahren vor dem Gewerbegericht ein Rechtsweg sei. In dem hier vertretenen Sinne sind sodann die Entscheidungen vom 6. Juli 1950, 4 Ob 45/50, SZ. XXIII 218 = ArbSlg. 5201, und vom 1. Dezember 1954, 2 Ob 755/54, ArbSlg. 6191 = JBl. 1955 S. 251, ergangen. Auch das Judikat Nr. 61 neu (SZ. XXVII 290) geht davon aus, daß Arbeitsgerichte und ordentliche Gerichte im Verhältnis der sachlichen Zuständigkeit stehen.

Abschließend bleibt noch darauf hinzuweisen, daß bei weitgehender Ähnlichkeit der Rechtslage (siehe hiezu Stanzl, ÖJZ. 1956 S. 417 f.) die deutsche Rechtswissenschaft (siehe insbesondere Dersch - Volkmar, Arbeitsgerichtsgesetz, 6. Aufl. S. 77 Anm. 156 zu § 1, S. 91 f. Anm. 14 u. 15 zu § 2, S. 627 Anm. 15 zu § 48; Dietz - Nikisch, Arbeitsgerichtsgesetz, S. 59 f. Anm. 18 u. 23 zu § 2) und auch die deutsche Rechtsprechung (BGH. 30. April 1953, RdA. 1953 S. 342, aber auch OG. der DDR. 30. Juli 1953, Neue Justiz 1953 S. 717 f.) ebenfalls zu der hier vertretenen Auffassung gekommen sind.

Die bisherigen Ausführungen leiten zu dem Ergebnis, daß der Spruch der erstgerichtlichen Entscheidung mit der klarstellenden Maßgabe wiederherzustellen ist, daß die Klage nicht wegen Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges, sondern wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen wird.

Unter einem hat der erste Senat die Eintragung des eingangs angeführten Rechtssatzes unter Nr. 47 neu in das Spruchrepertorium beschlossen.

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