Spruch:
Zum Grundsatz der "ipso iure"-Kompensation und zur Frage der Aufrechnung mit einem Zwischenzessionar.
Entscheidung vom 8. August 1956, 3 Ob 398/56.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger begehrte Zahlung von 40.000 S mit der Behauptung, Regine F. schulde ihm diesen Betrag für rechtsfreundliche Vertretung. Anläßlich des Verkaufes der Verlassenschaftsanteile an die Beklagten hätten diese die Zahlung dieser Schuld übernommen.
Die Beklagten wendeten ein, daß der Kläger seine Forderung am 6. Juli 1955 an Franz O. abgetreten habe. Diesem gegenüber sei die Forderung durch Kompensation mit einer Forderung in der Höhe von 40.000 S, die den Beklagten gegen Franz O. aus dem Titel vorzeitig ausbezahlter Provision und Schadenersatzes zustand, erloschen. Schließlich machten die Beklagten eine Gegenforderung gegen den Kläger selbst in der Höhe der Klagsforderung geltend, und zwar wegen mangelhafter rechtsfreundlicher Vertretung. Grund und Höhe der eingeklagten Forderung blieben im übrigen unbestritten.
Das Erstgericht sprach mit Teilurteil dem Kläger 40.000 S zu. Es ging dabei von folgendem Sachverhalte aus: Regine F. schuldete dem Kläger für rechtsfreundliche Vertretung 40.000 S, welchen Betrag die Beklagten am 24. Juni 1954 zur Zahlung übernommen haben. Die beiden Beklagten sind Gesellschafter der oHG. Trikotagenfabrik "T." Hugo F. Der Kläger zedierte seine Forderung gegen die Beklagten am 7. Juli 1955 an O., der mit der "T." in Geschäftsverbindung stand und sich mit Vertrag vom 1. September 1948 als Inhaber einer Strickwarenerzeugung verpflichtete, alle Geschäfte über die "T."
abzuwickeln und seine gesamten Erzeugnisse an die "T." zu liefern. Gleichzeitig war O. auch als Handelsagent für die "T." tätig. Am 10. Juli 1955 sprach O. in der Kanzlei Dris. S., des Vertreters der Beklagten, vor, um die zedierte Forderung geltend zu machen. Dr. S. erklärte, daß seine Mandanten die Zahlung verweigerten, weil sie von ihm mehr zu bekommen hätten, als er zu fordern habe. Um welche Forderungen es sich hiebei handelte, sagte Dr. S. nicht und hätte es auch nicht sagen können, weil ihm Näheres darüber nicht bekannt war. Am 13. Juli 1955 zedierte O. die Forderung an den Kläger zurück, wovon der Vertreter der Beklagten am 14. Juli 1955 verständigt wurde.
Aus diesem Sachverhalt ergebe sich nach Meinung des Erstgerichtes, daß die Klagsforderung nicht durch Kompensation erloschen sei, weil die Erklärung Dris. S. zu unbestimmt gewesen sei. Gleichzeitig stellte das Erstgericht aber auch fest, daß die eingewendeten Gegenforderungen überhaupt nicht zu Recht bestehen. Es werde eine Forderung von 30.000 S als Schadenersatz geltend gemacht, weil O. dem Lieferungsvertrag zuwidergehandelt und seine Verkaufsgeschäfte über die Fa. W. abgewickelt habe. Tatsächlich sei aber der Lieferungsvertrag zum 30. Juni 1955 aufgekundigt gewesen. O. habe auf Grund einer persönlichen Vereinbarung mit dem Zweitbeklagten noch bis zum 15. Juli 1955 geliefert und erst ab diesem Zeitpunkt an die W.; ein Vertragsbruch liege somit nicht vor, daher auch keine Schadenersatzverpflichtung. Weiters werde eine Forderung von 10.000 S geltend gemacht, weil O. dieser Betrag von Valerie Sch., deren Prokura bereits erloschen war, zu Unrecht ausgezahlt worden sei. O. habe aber das Recht gehabt, Akontozahlungen in der Höhe der Eingänge aus den von ihm vermittelten Geschäften zu begehren. Im Zeitpunkt der Auszahlung sei ihm tatsächlich ein Guthaben in der Mindesthöhe von 10.000 S zugestanden. Valerie Sch. habe noch alle Kassengeschäfte durchgeführt und sei berechtigt gewesen, das vertragliche Recht des O. zu erfüllen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Aufrechnung sei nicht wirksam vollzogen worden. Die Aufrechnung sei eine ipso iure wirkende Erlöschungstatsache, bedingt durch ihre Geltendmachung. Voraussetzung sei, daß die Forderung konkretisiert werde. Die bloße Erklärung des Schuldners, daß er die Forderung nicht bezahle, weil ihm höhere Gegenforderungen zuständen, bewirke die Tilgung nicht, weil hiedurch die Forderung nicht genügend bezeichnet sei. Es bedürfe daher gar nicht mehr der Erörterung, ob die Gegenforderungen zu Recht bestehen. Es seien jedoch die bezüglichen tatsächlichen Feststellungen als unbedenklich zu übernehmen. Daraus ergebe sich, daß die Gegenforderungen nicht zu Recht bestehen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Erstgericht beschäftigt sich lediglich mit den Gegenforderungen, welche die Beklagten gegen O. zu haben behaupten, nicht aber mit jener gegen den Kläger; letztere Prüfung behielt es der Endentscheidung vor, obwohl gerade jene Gegenforderung mit der Klagsforderung im rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang steht. Dieser Mangel wurde nicht geltend gemacht und kann daher nicht wahrgenommen werden.
Die Forderungen gegen O. können aber die Beklagten gemäß § 1442 ABGB. dem Kläger überhaupt nicht entgegensetzen. Die Auffassung der Untergerichte, daß die Aufrechnungseinrede nur deshalb nicht zu beachten sei, weil die Gegenforderung durch den Beklagtenvertreter während der Zeit, als die Forderung auf O. übertragen war, nicht genügend konkretisiert worden sei, wird der Bedeutung des § 1442 ABGB. nicht voll gerecht. Der Oberste Gerichtshof ist vielmehr der Auffassung, daß auch dann, wenn der Beklagtenvertreter die ihm gegen O. angeblich zustehende Gegenforderung näher konkretisiert hätte, nach der erfolgten Rückzession der eingeklagten Forderung auf den Kläger auf die angebliche Gegenforderung gegen den Zwischenzessionar nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1442 ABGB. kein Bedacht zu nehmen wäre.
Die gegenteilige Auffassung der Untergerichte stützt sich offenbar auf die Bemerkung von Gschnitzer in Klang 2. Aufl. VI 524 zu § 1442 ABGB., daß die mit einem Zwischenzessionar vollzogene Aufrechnung "selbstverständlich" jedem späteren Erwerber gegenüber eingewendet werden könne. Diese Auffassung ist aus der von Bettelheim bearbeiteten 1. Aufl. (IV 539) übernommen, doch fehlt dort das Wörtchen "selbstverständlich". Weder Bettelheim noch Gschnitzer geben eine Begründung für die von ihnen vertretene Lehrmeinung, sondern beschränken sich darauf, auf Krasnopolski - Kafka S. 272 zu verweisen, der aber das Problem der vollzogenen Aufrechnung überhaupt nicht behandelt, sondern sich auf S. 273 (nicht S. 272) auf die Bemerkung beschränkt, daß die Einwendung der Kompensation im Falle mehrfacher sukzessiver Zession derselben Forderung durch die aufeinander folgenden Zessionare gemäß § 1442 ABGB. nicht erhoben werden könne. Tatsächlich stammt die Lehre von der Nichtanwendbarkeit des § 1442 ABGB. im Falle der vollzogenen Kompensation gegenüber dem Zwischenzessionar von Hasenöhrl, der im
2. Bande der 2. Aufl. seines Österreichischen Obligationenrechts auf
S. 552 ausführt, daß die Anordnung des § 1442 ABGB. voraussetze, daß die Kompensation noch nicht durchgeführt worden sei, denn wäre sie im Verhältnis zu einem Zwischenzessionar durchgeführt worden, so würde damit jede weitere Zession, weil über eine nicht mehr bestehende Forderung geschlossen, ungültig sein. Der Zessus könnte aber in einem solchen Falle allerdings gegen den späteren Zessionar den Umstand geltend machen, daß die Forderung durch Kompensation mit einem Zwischenzessionar zum Erlöschen gebracht worden sei. Diese Ausführungen hängen wieder mit der von Hasenöhrl vertretenen Auffassung zusammen, daß bereits die einseitige Kompensationserklärung außerhalb des Prozesses als Durchführung der Kompensation anzusehen sei (a. a. O. S. 567 f.). Hasenöhrl mußte freilich selbst a. a. O. zugeben, daß diese Art der Kompensationsdurchführung dem gemeinen Recht fremd sei.
Sie ist aber auch dem österreichischen Recht fremd. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 1442 ABGB.
Seit den Glossatoren war es in der Rechtstheorie strittig, ob die Kompensation ipso iure eintrete oder, ob zum Eintritt der Tilgungswirkung eine besondere Aufrechnungserklärung erforderlich sei. Da dem gemeinen Recht eine einseitige außergerichtliche Aufrechnungserklärung fremd war, so handelte es sich im wesentlichen um eine Konstruktionsfrage. In Österreich galt seit eh und je die Lehre von der ipso iure-Kompensation, wie Wagner, Über die Compensation im österreichischen Civilprozesse (Wien 1817), auf S. 17 und insbesondere S. 21 berichtet. Nach dem Inkrafttreten der Allgemeinen Gerichtsordnung wurde durch mehrere Hofdekrete die Berufung auf die ipso iure eingetretene Kompensation freilich wesentlich eingeschränkt. Das Hofdekret vom 1. Juli 1782 ordnet an, daß der Geklagte, wenn er, um sich gegen die Klage zu schützen, eine Gegenforderung in die Einrede stellt, damit nicht gehört, sondern auf den Weg der Widerklage angewiesen werden solle. In Klarstellung dieses Hofdekrets bestimmte ein Hofdekret vom 15. Jänner 1787, daß "auch Compensationsrechte in Gestalt einer ordentlichen Widerklage angebracht werden müssen". Das Hofdekret vom 27. Mai 1792 hat diese Vorschrift dahin gemildert, daß, wenn der Kläger auf eine mit der Einrede vermengte Widerklage in seiner Replik freiwillig Rede und Antwort gegeben habe, der Richter darüber unbedenklich handeln und was Rechtens ist erkennen könne. Die bis zum Inkrafttreten des ABGB. herrschende Lehre schloß aus diesen prozessualen Vorschriften, daß die Kompensation in Österreich überhaupt beseitigt worden sei - den Fall des Hofdekrets vom 27. Mai 1792 ausgenommen - und daß nur mehr die freiwillige Kompensation, d. h. die einverständliche Verrechnung, gestattet sei (Wagner S. 20). Seit Erlassung des ABGB. konnte mit Rücksicht auf die Bestimmungen der §§ 1438 ff. die Auffassung, daß es im österreichischen Recht keine Kompensation gebe, freilich nicht mehr vertreten werden, der Streit um die Fortgeltung der genannten Hofdekrete (Wagner a. a. O. einerseits und Schuster, wie ist das Kompensationsrecht geltend zu machen? andererseits) bezog sich nur mehr auf die Frage der Form der Geltendmachung der Kompensation im Prozeß.
Die Redaktoren des ABGB. standen eindeutig auf dem Standpunkt der ipso iure-Kompensation, das ergibt sich insbesondere klar aus den Ausführungen Zeillers zu § 567 des Entw. III. Teil (Ofner II 244):
es sei die vorzüglichste Folge von dem Rechtssatz, daß die Kompensation schon von Rechts wegen die Aufhebung der Zahlung bewirke, daß von dem Zeitpunkt an, wo die Gegenforderung fällig ist, auch die Nebenverbindlichkeiten, folglich die Zinsen, wegfallen. Noch klarer geht die Auffassung der Redaktoren aus der Protokoll vom 14. Dezember 1807 (Ofner II 448) hervor, wo der Referent anläßlich der Beratung des § 567, des jetzigen § 1442, bezüglich des Ausschlusses der Kompensation gegenüber den Zwischenzessionaren bemerkte, daß dieser Satz mit der Frage, ob die Kompensation ipso iure als Zahlung gelte und als Einrede entgegengesetzt werden könne, in Verbindung stehe. Denn müßte sie als Widerklage eingebracht werden, so könnte die Vorschrift dieses Paragraphen nicht wohl bestehen. Die Auffassung der Redaktoren ist demnach eindeutig. Die Kompensation tritt kraft Gesetzes ein, doch wird auf die Tilgung im Prozeß nur über Einwendung Bedacht genommen; ähnlich wie dies bezüglich der Verjährung der Fall ist, die auch geltend gemacht werden muß. Die Auffassung der Hofdekrete, daß auf die Kompensation nur dann Bedacht genommen werden dürfe, wenn auf Grund einer Widerklage das Gericht auf Kompensation erkenne, also nunmehr erst die Forderung durch das Urteil tilge (vgl. Schuster a. a. O. S. 87), wird von den Redaktoren damit abgelehnt.
Den Grundsatz der ipso iure-Kompensation betont Zeiller auch in seinem Kommentar (Punkt 5 zu § 1438): "Sie (die Kompensation) hebt, soweit sie reicht, die Hauptverbindlichkeit samt den Nebenverbindlichkeiten auf (§ 1412), und zwar schon für sich selbst, kraft des Gesetzes (ipso iure), ohne daß es einer vorläufigen Erklärung des compensierenden Schuldners, oder einer Einwilligung, oder auch nur eines Vorwissens des Gläubigers bedarf".
Zeiller stand daher, wie die Entstehungsgeschichte und der Kommentar ergeben, auf dem Standpunkt, daß in Österreich - er behauptete in der Anmerkung zu § 1438: in Übereinstimmung mit den Institutionen, dem preußischen und französischen Recht - der Grundsatz der ipso iure-Kompensation gelte und daß dieser Grundsatz nur dadurch beschränkt sei, daß das Gericht nur über Einwendung auf die eingetretene Kompensation Rücksicht nehme, wie der Zeitgenosse Zeillers Wagner a. a. O. S. 20 eingehend ausführt. Die Sondernorm des § 1442 besteht nur darin, daß gegenüber dem Zwischenzessionar die Kompensationseinwendung nicht erhoben werden kann.
An der Lehre von der ipso iure-Wirkung der Kompensation wird auch in allen deutschen und italienischen Kommentaren zum ABGB. der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts ausnahmslos festgehalten. Erstmalig 1857 hat Habietinek, der spätere Erste Präsident des Obersten Gerichtshofes, in Haimerles Magazin 16, 185 die Auffassung zu vertreten versucht, daß auch im österreichischen Recht erst durch die Erhebung einer Einwendung die Aufrechnung vollzogen werde. Daß dazu auch eine außergerichtliche Erklärung genügt, wurde, wie oben bemerkt, zuerst 30 Jahre später, 1890, von Hasenöhrl behauptet. Wie verhält sich nun § 1442 zur erwähnten Auffassung der Redaktoren? § 1442 ABGB. stammt, wie Zeiller im Zuge der Beratungen berichtete, aus dem preußischen Landrecht, wo (I, 16 § 316) mit Ansprüchen gegen Zwischenzessionare nur dann kompensiert werden durfte, wenn der Zessus den Zwischeninhaber in rechtsgültiger Form als Gläubiger anerkannt hat. Auch nach preußischem Recht hatte also die bloße Geltendmachung einer Gegenforderung durch den Zessus gegenüber dem Zwischeninhaber nie bewirkt, daß nunmehr die Forderung infolge vollzogener Kompensation als erloschen anzusehen gewesen wäre. Es liegt auch kein Anlaß vor, anzunehmen, daß im österreichischen Recht anders zu entscheiden ist; es ist richtig, daß darin eine teilweise Durchbrechung des Grundsatzes der ipso iure-Kompensation liegt. Sie lag aber auch in dem Erfordernis der Liquidität, die die Aufrechnung von dem prozessualen Erfordernis der prompten Beweisbarkeit abhängig machte. Sonderregelungen aus den subjektiven Verhältnissen der beteiligten Personen kennt übrigens auch das Verjährungsrecht; es genügt in diesem Zusammenhang auf den Fall zu verweisen, daß eine nicht begünstigte Person eine Forderung von einer nach § 1397 ABGB. begünstigten Person erwirbt. Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Dazwischenschieben eines Zwischenzessionars.
Kompensationseinwendungen, die gegen eine Klage dieser Personen hätten eingewendet werden können, sind kraft positiver Vorschrift gegenüber dem Drittzessionar (Rückzessionar) ausgeschlossen. So will es das Gesetz, und das muß beachtet werden.
Der Zweck des § 1442 ABGB. ist nicht ganz deutlich; schon Zeiller und seine Zeitgenossen waren sich darüber nicht völlig einig. Er bezweckte jedenfalls eine leichtere Begebbarkeit der Forderungen, ähnlich wie Art. 17 WG. Dieser Zweck wäre aber vereitelt, wenn man jedem Schuldner die Möglichkeit geben wollte, alle Forderungen einredeweise geltend zu machen, die er gegen eine durch eine Reihe von Gläubigerhänden gegangene Forderung angeblich erworben hat. Man kann nicht einem Gläubiger, der eine mehrmals zedierte Forderung erworben hat, zumuten, auf seine eigenen Kosten alle Prozesse zu führen, die sich auf angebliche Gegenforderungen des Zessus gegen die Zwischenzessionare stützen. Man kann auch nicht gegen diese Argumentation einwenden, daß der letzte Zessionar sich die Zahlung und etwa getroffene Abmachungen mit den Zwischenzessionaren entgegenhalten lassen muß, denn Abmachungen dieser Art sind in der Regel leicht nachweisbar; die Geltendmachung von Gegenforderungen ist aber ein beliebtes Mittel, sich der Zahlungspflicht zu entziehen, zumal dann, wenn der klagende Gläubiger über die Verhältnisse vollkommen desorientiert ist, die der vorgeschützten Gegenforderung zugrunde liegen. Wollte man mit den Untergerichten jede außergerichtlich geltend gemachte Kompensationseinrede der Rückzessionare als wirksam erachten, so würde § 1442 ABGB. praktisch um jede Wirkung gebracht werden.
Es ist auch unrichtig, wie Bettelheim a. a. O. S. 539 - von Gschnitzer a. a. O. S. 524 übernommen - ausführt, daß diese Bestimmungen den Bedürfnissen des modernen Verkehrs nicht mehr entsprechen, da der Zweck der Mobilisierung von Forderungen auf andere Weise (Wechsel, Inhaberpapiere - Gschnitzer: "mit den Mitteln der Wertpapiere auf vollkommenere Weise" -) erreicht wird. Die genannten Autoren haben übersehen, daß es eine Reihe von Wertpapieren (sogenannte Legitimationspapiere) des modernen Verkehrs gibt, die zwar indossiert werden können, bei denen aber das Indossament nur die Wirkung einer Zession hat (RGZ. 32, 81; Wahle, Sind girable Notenkonsignationen Wertpapiere?, Rspr. 1924 S. 102):
das bekannteste Beispiel ist das Nachindossament, und aus der neuesten Bankpraxis die Effektenschecks, mit denen über Girosammelanteile verfügt wird. In allen diesen Fällen wäre die Umlauffähigkeit dieser dem modernen Rechte angehörigen Wertpapiere erschwert, wenn die Kompensationseinwendung nicht im Sinne des § 1442 ABGB. beschränkt wäre. Diese Bestimmung ist daher auch heute noch von eminenter praktischer Bedeutung.
Dem Kläger können daher nicht Gegenforderungen gegen O. entgegengesetzt werden. Anders wäre es dann, wenn O. und die Beklagten vertragsmäßig aufgerechnet hätten, wenn also zwischen ihnen ein Aufrechnungsvertrag geschlossen worden wäre. In diesem Falle wäre die Forderung tatsächlich in einem Zeitpunkt durch Aufrechnung getilgt worden, als sie O. zustand; dieser hätte dann dem Kläger keine Forderung zurückzedieren können. Daß ein Aufrechnungsvertrag zustandegekommen wäre, wurde gar nicht behauptet. Dazu wäre erforderlich gewesen, daß Dr. S. bestimmte Erklärungen abgegeben hätte, mit welchen Forderungen aufgerechnet werden solle, und daß O. ausdrücklich oder stillschweigend erklärt hätte, mit der Aufrechnung dieser Forderungen einverstanden zu sein. Weder das eine noch das andere wurde von den Beklagten behauptet oder bewiesen. Ist ein solcher Vertrag nicht zustandegekommen, war die Forderung im Zeitpunkt der Rückzession nicht getilgt. Der Kläger kann sie weiterhin im Prozesse geltend machen. Daran ändert auch nichts, wenn Dr. S. seinerzeit O. gegenüber die Erklärung abgegeben hat, mit Gegenforderungen aufrechnen zu wollen. Eine außerprozessuale Erklärung ist ohne Bedeutung; sie ist nur ein Hinweis auf die Absicht, falls im Prozeß die geltend gemachte Forderung des Gläubigers eingeklagt werden sollte, sich auf die eingetretene Kompensation zu berufen. Auch dann, wenn im Prozeß behauptet wird, daß vor Streitanhängigkeit bereits die Aufrechnung erfolgt wäre, bedeutet dies nichts anderes als die Geltendmachung des Rechtsschutzanspruches, daß das Gericht prüfe und gemäß § 411 ZPO. mit Rechtskraftwirkung entscheide, ob und bis zu welcher Höhe die Gegenforderung zu Recht bestand und die Tilgung der Schuld herbeigeführt wurde. Darin liegt nur die Wiederholung der Geltendmachung der eingetretenen Aufrechnung nunmehr auch im Prozeß, somit nichts anderes als die Erhebung der prozessualen Aufrechnungseinrede (RiZ. 1955 S. 185), die bereits vor Prozeßbeginn in Aussicht gestellt worden ist. Da aber im Prozeß nur solche Gegenforderungen erhoben werden können, die gegen den ersten und letzten Inhaber der Forderung zustehen, sind die Beklagten von der Geltendmachung der behaupteten Gegenforderung gegen O. hier ausgeschlossen. Aus diesem Gründe war das angefochtene Teilurteil zu bestätigen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)