Spruch:
Der Ehegatte kann die gegen seinen Willen in der Ehewohnung befindliche Schwiegermutter erfolgreich auf Räumung klagen, und zwar auch dann, wenn die Ehefrau, mit deren Genehmigung die Schwiegermutter in der Wohnung ist, selbst Mithauptmieterin ist.
Entscheidung vom 4. Juli 1956, 1 Ob 309/56.
I. Instanz: Bezirksgericht Imst; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger bringt vor, in der von ihm gemieteten Wohnung halte sich seit Monaten auch seine Schwiegermutter, die Beklagte, auf, deren Anwesenheit er nicht wünsche. Er beantrage daher, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Wohnung zu räumen und zu verlassen und sie gegen den Willen des Klägers nicht mehr zu betreten.
Die Beklagte wendet ein, sie sei mit Zustimmung des Klägers und seiner Frau - ihrer Tochter - in die Wohnung gezogen. Der Kläger sei überdies nicht aktiv legitimiert, weil die Ehegatten gemeinsam Mieter der Wohnung seien.
Das Erstgericht erkannte gemäß dem Klagebegehren und stellte folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger und seine Frau Herta P. sind gemeinsam Mieter der Wohnung. Die beklagte Schwiegermutter hielt sich jedes Jahr durch einige Wochen im Haushalt des Klägers auf, offenbar um durch einige Zeit Luftveränderung zu haben. Auch im Frühjahr 1955 kam sie zum Kläger und zu ihrer Tochter nach I., diesmal auch insbesondere, um ihrer Tochter gegen den Kläger beizustehen, da ihr ihre Tochter mitgeteilt hatte, daß sie vom Kläger mißhandelt und schikaniert werde. Die Beklagte wollte ursprünglich nicht für längere Zeit bleiben, sondern gleich wieder abreisen, sie blieb aber bis heute in der Wohnung, weil sie es für notwendig hielt, ihrer Tochter gegen den Kläger beizustehen und Schutz zu sein. Zwischen dem Kläger und der Beklagten wurde weder zu Anfang noch in der Folge des Aufenthaltes der Beklagten im Haushalt des Klägers vereinbart, daß die Beklagte länger bleiben solle oder dürfe und daß sie ein Entgelt leisten solle. Der Kläger hat den Aufenthalt der Beklagten in der Wohnung geduldet, hat dem Aufenthalt der Beklagten ursprünglich nicht widersprochen und hat sich auch nie geäußert, daß sich die Beklagte weiter in der Wohnung aufhalten dürfe. Die Beklagte hat für die Zeit ihres Aufenthaltes ohne Vereinbarung mit dem Kläger an dessen Ehefrau monatlich 600 S gezahlt. Der Kläger will nun den Aufenthalt der Beklagten in der ehelichen Wohnung nicht mehr dulden, hat die Beklagte aufgefordert, die Wohnung zu verlassen, und hat schließlich die Räumungsklage eingebracht.
Die Ehe der Streitteile war zur Zeit des Schlusses der Verhandlung in dieser Sache aufrecht, das Scheidungsverfahren ist im Gange. Im Scheidungsverfahren hat sich der Kläger anläßlich des Versöhnungsversuches vom 14. Oktober 1955 vor dem Bezirksgericht Imst zum Aufenthalt der Beklagten in der ehelichen Wohnung lediglich dahin geäußert, daß der Aufenthalt der Beklagten von ihm bisher geduldet worden sei. Am 17. Dezember 1955 wurde zwischen den Eheleuten P. vor dem Landesgericht Innsbruck im Zuge des Ehescheidungsverfahrens hinsichtlich des Antrages auf einstweilige Verfügung durch Bewilligung des abgesonderten Wohnortes für die Ehefrau und hinsichtlich der Benützung der ehelichen Wohnung während des Scheidungsstreites vereinbart, daß der Ehefrau Herta P. die Küche und das eheliche Schlafzimmer zur alleinigen Benützung überlassen werden, daß der Kläger ihr sofort die Schlüssel zu übergeben habe und daß ihm das Betreten dieser beiden Räume untersagt sei. Im übrigen werden die Räume der ehelichen Wohnung von beiden Eheleuten nach wie vor gemeinsam benützt; die Ehefrau führt den gemeinsamen Haushalt, verrichtet die Hausfrauenarbeit, lediglich die Mahlzeiten werden von den Ehegatten getrennt eingenommen.
Rechtlich hielt das Erstgericht die Räumungsklage gemäß § 91 ABGB. für begrundet.
Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Beklagten das Ersturteil insoweit ab, als es das Begehren des Klägers abwies, die Beklagte sei schuldig, die Wohnung des Klägers gegen seinen Willen, also auch nur besuchsweise, nicht zu betreten. Im übrigen, also hinsichtlich des Räumungsbegehrens, blieb die Berufung erfolglos. In rechtlicher Beziehung führte es m wesentlichen aus:
Wenn zunächst vom Eheverhältnis abgesehen werde, so dürfe ein Mitmieter ohne Zustimmung des anderen Mitmieters nicht eine dritte Person in den gemeinsamen Bestandgegenstand aufnehmen. Dadurch würde der Mitmieter beeinträchtigt. Der Kläger könne unmittelbar von der Beklagten die Räumung begehren, weil seine Frau nicht befugt gewesen sei, ihre Mutter aufzunehmen. Auch auf den Ehevertrag könne eine Befugnis, die Schwiegermutter in die Wohnung aufzunehmen, nicht gegrundet werden. Die Regelung im Ehescheidungsstreit berechtigte Herta P. ebenfalls nicht zur Aufnahme ihrer Mutter, weil noch immer der gemeinsame Haushalt bestehe, dessen Leitung dem Kläger zukomme.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß einer von zwei Mitmietern einen Teil des Bestandgegenstandes nicht ohne Zustimmung des anderen untervermieten - hier, daß er nicht einen Mitbenützer aufnehmen - dürfe, bekämpft die Beklagte nicht. Diese Rechtsmeinung ist auch richtig. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß in einem solchen Verhalten eine unzulässige und dem Mitmieter nicht zustehende Ausdehnung seines Anteiles an dem gemeinsamen Mietrecht liegen würde. Durch die Vereinbarung vom 17. Dezember 1955 im Ehescheidungsstreit zwischen dem Kläger und Herta P. wurde an dem Rechtsverhältnis der Ehegatten an der Wohnung, insbesondere an der Mitmietereigenschaft beider, nichts geändert; es ergibt sich daraus bloß eine Einschränkung der Benützungsbefugnis des Klägers hinsichtlich der Wohnung für die Dauer des Ehescheidungsstreites, keineswegs aber eine Erweiterung der Befugnisse seiner Frau dahin, daß sie nunmehr auch gegen den Willen des Klägers Dritte in die gemeinsame Wohnung aufnehmen dürfte. Ob sich der Kläger bei Abschluß dieser Vereinbarung gegen die Anwesenheit der Beklagten in der Wohnung ausgesprochen hat oder nicht, ist rechtlich bedeutungslos. Daß er dieser Anwesenheit zugestimmt hätte, wird in der Revision gar nicht mehr behauptet.
Zur Frage, ob der Kläger von der Beklagten unmittelbar Räumung begehren könne, muß davon ausgegangen werden, daß derjenige, der die Mitbenützung einer Wohnung von dem angeblichen Recht eines Dritten ableitet, ohne ein eigenes Recht zu behaupten, gegenüber der Räumungsklage des Mieters passiv legitimiert ist (JBl. 1950 S. 185 = SZ. XXII 207; 2 Ob 624/52). Die Beklagte leitet ihre Mitbenützung aus dem Mitmietrecht ihrer Tochter ab. Vertragswidrige Untermiete kommt hier nicht in Betracht. Wie bereits ausgeführt, ist Herta P. als Mitmieterin allein nicht befugt, die Beklagte bei sich aufzunehmen, so daß sich die Beklagte ohne rechtlichen Grund gegenüber dem Kläger in der Wohnung aufhält, woraus aber folgt, daß der Kläger von der Beklagten die Räumung verlangen kann (7 Ob 117/56). Davon, daß es sich bloß um eine Störung des Klägers in seinem Mitbestandrecht handle, kann nicht die Rede sein (SZ. XXV 124 = MietSlg. 2168; 3 Ob 452/54). Es liegt vielmehr eine teilweise Verdrängung aus diesem Recht vor.
Die Meinung der Beklagten, daß der Kläger die Räumung wegen Verstoßes gegen das Schikaneverbot nicht verlangen könne, hat bereits das Berufungsgericht mit Recht abgelehnt. Schikane liegt bloß vor, wenn die Rechtsausübung offenbar nur den Zweck hat, den anderen zu schädigen (§ 1295 Abs. 2 ABGB.). Dies trifft hier nicht zu. Es entspricht im Gegenteil einem sehr verständlichen Interesse des Klägers, daß er - noch dazu während des Scheidungsprozesses - nicht die Schwiegermutter in der ehelichen Wohnung haben will.
Abwegig ist die Meinung der Beklagten, daß sie der Kläger nicht auf Räumung in Anspruch nehmen könne, weil sich das Bestandobjekt nicht "tatsächlich im Besitz des Klägers befinde". Wie bereits dargelegt wurde, ist durch die Vereinbarung vom 17. Dezember 1955 an der Mitmietereigenschaft der Ehegatten nichts geändert worden.
Schließlich kann gerade aus dem Eheverhältnis eine Befugnis der Herta P., ihre Mutter in die eheliche Wohnung gegen den Willen ihres Gatten aufzunehmen, nicht abgeleitet werden. Hierin läge ein so tiefer Eingriff in das Hauswesen, daß er nicht ohne Zustimmung des Mannes geschehen könnte (§ 91 ABGB.).
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