Spruch:
Ein Schadenersatzanspruch nach § 1079 ABGB. kommt nur dann in Frage, wenn aus der Unterlassung des Anbotes der Einlösung an den Vorkaufsberechtigten ein Schaden überhaupt entstehen konnte. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Vorkaufsberechtigte auch bei gehörigem Anbot der Einlösung von seinem Vorkaufsrechte keinen Gebrauch gemacht hätte.
Entscheidung vom 14. Dezember 1955, 7 Ob 522/55.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Den Klägern wurde als Pächtern der Liegenschaft EZ. 94 und 95 der Katastralgemeinde K. vom Beklagten ein nicht verbüchertes Vorkaufsrecht an dieser Liegenschaft eingeräumt. Die Kläger stützen ihre Klage auf Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 24.000 S auf die Behauptung, daß der Beklagte dadurch, daß er die Liegenschaft, ohne sie ihnen vorher zur Einlösung anzubieten, verkaufte, dieses Vorkaufsrecht verletzt habe. Es sei ihnen bekannt gewesen, daß der Beklagte die Liegenschaft um 450.000 S ohne Inventar verkaufen wollte. Dieser Preis wäre ihnen aber zu hoch gewesen, ebenso der ihnen nach Abschluß des Kaufvertrages von dem Realitätenvermittler K. bekanntgegebene Kaufpreis von 420.000 S. Später hätten sie aber erfahren, daß die Liegenschaft in Wahrheit um 300.000 S verkauft worden sei. Um diesen Preis hätten sie die Liegenschaft gekauft, wenn sie ihnen der Beklagte zur Einlösung angeboten hätte. Den Kaufpreis hätten sie durch den Verkauf eines Grundstückes um 200.000 S und die Aufnahme eines Sparkassenkredites von 100.000 S aufgebracht. Der geltend gemachte Schadenersatzbetrag stellt die Differenz zwischen den Erträgnissen der Liegenschaft EZ. 94 und 95 Katastralgemeinde K. für einen Zeitraum von 20 Monaten und den Erträgnissen des Mietgrundstückes der Kläger zuzüglich der Zinsen für das aufgewendete Sparkassendarlehen für dieselbe Zeit dar.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest, daß der Kaufpreis, der vom Beklagten für die Liegenschaft einschließlich Inventar erzielt wurde, 420.000 S betragen hat, obgleich im schriftlichen Kaufvertrag nur ein Preis von 300.000 S für die Liegenschaft und 80.000 S für das Inventar ausgewiesen sei. Das Erstgericht stellte weiters fest, daß der Preis von 420.000 S den Klägern nach Abschluß des Kaufvertrages durch Frau K. bekanntgegeben wurde und daß die Kläger die Liegenschaft zu diesem Preis ebensowenig gekauft hätten wie zu dem ihnen zuerst bekanntgegebenen Preis von 450.000 S. Die Kläger hätten auch vor Abschluß des Kaufvertrages ihre Absicht, nicht zu kaufen und von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen, so deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der Beklagte nicht mehr verpflichtet gewesen sei, ihnen das Grundstück zu dem erzielten Preis zwecks Ausübung des Vorkaufsrechtes anzubieten.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und gelangte ebenfalls zu dem Ergebnis, daß aus den mehrfachen mündlichen und schriftlichen Erklärungen der Kläger zu entnehmen gewesen sei, daß die Kläger ohne Rücksicht auf den Kaufpreis von einer Erwerbung der Liegenschaft absehen wollten. Der Beklagte sei daher zu der Annahme berechtigt gewesen, daß die Kläger auf ihr Vorkaufsrecht keinerlei Wert legten, und er sei demnach von der Anbotspflicht entbunden gewesen. E,s wäre auch schon im Hinblick auf das Vorbringen in der Klage, wo von dem Verkauf des Hauses der Kläger um 200.000 S und einer Darlehensaufnahme im Betrage von 100.000 S zur Deckung des in der Klage angegebenen Kaufpreises von 300.000 S die Rede sei, anzunehmen, daß die Kläger nicht einmal in der Lage gewesen wären, den im schriftlichen Kaufvertrag festgesetzten weiteren Betrag von 80.000 S für das Inventar aufzubringen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Da die Kläger nur unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machen, hat der Oberste Gerichtshof seiner Entscheidung die Feststellung der Untergerichte zugrunde zu legen, daß der Beklagte die Liegenschaft um 420.000 S einschließlich Inventar verkauft hat und daß die Kläger die Liegenschaft um diesen Preis auch dann nicht gekauft hätten, wenn sie ihnen vom Beklagten gehörig zur Einlösung angeboten worden wäre. Aus dieser Feststellung kann aber nur der rechtliche Schluß gezogen werden, daß das Klagebegehren nicht gerechtfertigt ist. Denn ein Schadenersatzanspruch aus dem Rechtsgrunde des § 1079 ABGB. läßt sich nur dann ableiten, wenn aus der Unterlassung des Anbotes der Einlösung ein Schaden überhaupt entstehen konnte. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Vorkaufsberechtigten auch bei gehörigem Anbot der Einlösung von ihrem Vorkaufsrechte keinen Gebrauch gemacht hätten. Es gehen daher alle Ausführungen der Revision, die dartun wollen, daß die Kläger über den erzielten Kaufpreis nicht vollkommen unterrichtet worden seien, daß auf einen Verzicht auf das Vorkaufsrecht nicht geschlossen werden könne und daß auch von einer Verschweigung ihrer Rechte nicht gesprochen werden könne, ins Leere. Zum Teil stellen die Ausführungen der Revision nur eine Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.
Unbegrundet sind auch die Ausführungen der Revision, daß aus der Diskrepanz zwischen dem schriftlich festgelegten und dem tatsächlich vereinbarten Kaufpreise nach § 916 ABGB. Rechte für die Kläger abzuleiten seien. Da die Kläger laut Feststellung des Berufungsgerichtes über die Vorgänge beim Kaufabschlusse und den tatsächlich vereinbarten Kaufpreis von 420.000 S voll unterrichtet waren, kann überhaupt nicht davon gesprochen werden, daß sie im Vertrauen auf eine den Tatsachen nicht entsprechende Erklärung Rechte erworben haben.
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