Spruch:
Der Schuldner kann dem redlichen Zessionar die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
Entscheidung vom 9. November 1955, 3 Ob 463/55.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 30.000 S mit der Begründung, Rudolf Z. habe der Beklagten im Jahre 1947 ein am 25. Juli 1953 zur Rückzahlung fälliges Darlehen von 30.000 S zugezählt und dem Kläger die Darlehensforderung gegen die Beklagte abgetreten, die von der Abtretung verständigt wurde, ohne bisher Zahlung zu leisten. Die Beklagte wendete ein, auf Grund einer mündlichen Vereinbarung zwischen Rudolf Z. und der Beklagten sollte der Darlehensvertrag ein Jahr gültig sein und sich automatisch um ein weiteres Jahr verlängern, wenn er nicht 30 Tage vor Ablauf der Vereinbarung aufgekundigt werde; eine Aufkündigung sei bisher nicht erfolgt und der Darlehensbetrag daher nicht fällig; überdies habe die Beklagte noch vor der Verständigung von der Abtretung das Darlehen dem Rudolf Z. zurückgezahlt. Erst in der fortgesetzten Streitverhandlung vom 1. Februar 1954 brachte die Beklagte im Widerspruch zu ihren bisherigen Einwendungen vor, sie habe von Rudolf Z. überhaupt niemals ein Darlehen erhalten, es habe sich vielmehr um einen Scheinvertrag gehandelt; das Darlehen habe ein Dritter der Beklagten gewährt, Rudolf Z. sei nur aus Steuergrunden als Darlehensgeber aufgeschienen.
Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß die Beklagte die Forderung des Rudolf Z. auf Rückzahlung des Darlehens dem Kläger gegenüber wiederholt anerkannt und Zahlung versprochen habe, daß aber Rudolf Z. der Beklagten in Wahrheit gar kein Darlehen gewährt und ihr auch keinen Geldbetrag zugezählt, sondern nur zum Schein mit der Beklagten den gegenständlichen Darlehensvertrag abgeschlossen habe, wonach er der Beklagten zum Zwecke der Eröffnung eines Geschäftes 30.000 S bar dargeliehen habe, während die Beklagte in Wahrheit diesen Betrag von einer dritten Person als Darlehen zugezählt erhielt, die aber aus Steuergrunden nicht in den Büchern der Beklagten als Darlehensgeber aufscheinen wollte, weshalb Rudolf Z. zum Schein gegen eine Entlohnung von 2000 S jährlich als Darlehensgeber aufgetreten sei, ferner, daß die Beklagte auf Ersuchen des Rudolf Z. ihre Schuld an diesen in Gegenwart des Klägers bestätigt habe, daß der Kläger die Rückzahlung urgiert und die Beklagte daraufhin erklärt habe, der Kläger müsse ihr noch etwas Zeit lassen, schließlich daß sie, als sie von der Forderungsabtretung an den Kläger durch diesen verständigt wurde, von Rudolf Z. eine Bestätigung verlangt habe, daß sie diesem vor der Verständigung von der Zession das Darlehen zurückgezahlt habe. Das Prozeßgericht zog aus diesen Feststellungen die rechtliche Schlußfolgerung, daß Z. und die Beklagte den Kläger, der eine größere Forderung gegen Z. hatte, gemeinsam in Sicherheit gewiegt hätten, es stehe dem Z. die Darlehensforderung gegen die Beklagte zu, daß der gutgläubige Kläger im Vertrauen auf die Scheinvereinbarung, die ihm gegenüber wiederholt bestätigt wurde, sich die Darlehensforderung des Z. gegen die Beklagte abtreten habe lassen und daß er daher gemäß § 916 Abs. 2 ABGB. in seinem Vertrauen auf das Scheingeschäft zwischen Rudolf Z. und der Beklagten Rechte gegen die letztere erworben habe, weshalb sich die Beklagte darauf, daß sie den Darlehensvertrag mit Rudolf Z. nur zum Schein geschlossen habe, nicht berufen könne.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes.
Es führte aus, daß § 916 Abs. 2 ABGB. gegenüber § 1396 ABGB. eine Sondernorm darstelle, die einen besonders weitreichenden Schutz des gutgläubigen Dritten zum Inhalt habe. Da der Kläger die auf Grund des Scheingeschäftes fingierte Forderung von Rudolf Z. im guten Glauben erworben habe, komme ihm der Schutz der erwähnten Gesetzesstelle zugute. Der Kläger sei überdies nach § 1396 ABGB. geschützt, weil die Beklagte dem Kläger schon vor der Verständigung von der Abtretung die Forderung des Rudolf Z. gegen sie als richtig bestätigt habe. Dieses Anerkenntnis, möge es auch vor der Verständigung von der Zession erfolgt sein, stelle einen selbständigen Verpflichtungsgrund dar und heile alle Mängel der Forderung, weshalb der Anerkennende nicht mehr einwenden könne, die Forderung sei fingiert. Das Verhalten der Beklagten verstoße überdies gegen die guten Sitten.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision macht geltend, § 916 Abs. 2 ABGB. beziehe sich seinem klaren Wortlaut nach, nicht auf Zessionen, da bei einer solchen der Zessionar nicht im Vertrauen auf das in Frage stehende Geschäft anderweitige Rechte erwerbe, sondern diese Rechte selbst übertragen erhalte; § 916 ABGB. beziehe sich nur auf solche Fälle, in denen der Dritte im Vertrauen auf das Scheingeschäft Rechte erwirbt, die von dem Forderungsrecht, das bei vorausgesetzter Gültigkeit des in concreto nichtigen Rechtsgeschäftes entstanden ist, verschieden sind. Dies ergebe sich schon aus § 1394 ABGB., nach welchem die Rechte des Zessionars in Rücksicht auf die überlassene Forderung eben dieselben sind wie die des Zedenten.
§ 916 Abs. 2 ABGB. in der Fassung des § 103 der III. Teilnovelle zum ABGB. besagt, daß einem Dritten, der im Vertrauen auf eine Willenserklärung, die einem anderen mit dessen Einverständnis zum Schein abgegeben wird, Rechte erworben hat, die Einrede des Scheingeschäftes nicht entgegengesetzt werden kann. Diese Bestimmung gilt, wie sich aus ihrem Wortlaute ergibt, ganz allgemein und ohne jede Einschränkung; Abtretungen können daher von ihrem Wirkungsbereich nicht ausgenommen werden. Zweck des Scheingeschäftes ist es in der Regel, Dritte, Privatpersonen oder Behörden, zu täuschen und zu schädigen. Der Dritte kann sich daher auf die Gültigkeit des Scheingeschäftes berufen. Dies gilt auch für den redlichen Forderungsübernehmer, der schon dann geschützt wird, wenn er die nur zum Schein begrundete Forderung sich im Vertrauen auf ihre Richtigkeit abtreten ließ, und er wird schon vor der Anerkennung der Forderung durch den Schuldner geschützt. § 916 Abs. 2 ABGB. geht weiter als § 1396 und auch als § 1394 ABGB. Denn § 916 Abs. 2 ABGB. ist ein Fall des besonderen Vertrauensschutzes. Es kann daher der Schuldner dem redlichen Zessionar gegenüber die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen (EvBl. 1935 Nr. 537). Der vereinzelt gebliebenen gegenteiligen Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien, EvBl. 1937 Nr. 309, die mit der Rechtsprechung und Lehre im Widerspruch steht und deren Begründung keineswegs überzeugend ist, vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen.
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