OGH 3Ob385/55

OGH3Ob385/5519.10.1955

SZ 28/228

Normen

HGB §138
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 15
HGB §138
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 15

 

Spruch:

Unzulässigkeit des Begehrens des ausscheidenden Gesellschafters auf Herausgabe eines prozentuellen Anteiles am Gesellschaftsvermögen.

Entscheidung vom 19. Oktober 1955, 3 Ob 385/55.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin stellt das Begehren, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihr 45% des Gesellschaftsvermögens der Firma Neue Wiener Hochschaubahn M. & Co. (vormals neue Wiener Hochschaubahn G. & Co.) als Liquidationsguthaben per 6. Juli 1950 herauszugeben, und zwar mit der Begründung, sie habe von der Gemeinde Wien die Parzelle W 13 im Wiener Prater als Pachtgrund zugewiesen erhalten und über diese einen Pachtvertrag geschlossen, diesen Pachtvertrag und eine Reihe von Planierungsarbeiten auf dem Pachtgrund in die oHG. Neue Wiener Hochschaubahn G. & Co. eingebracht, wofür ihr ein 45%iger Gesellschaftsanteil an dem Unternehmen eingeräumt worden sei. Infolge Eröffnung des Konkurses sei sie zwar aus der Gesellschaft ausgeschieden, doch seien die Beklagten nach Punkt 11 des Gesellschaftsvertrages verpflichtet, ihr im Falle der Fortführung des Unternehmens den reinen Anteil am Gesellschaftsvermögen auszufolgen, welcher Verpflichtung sie nicht nachgekommen seien, obwohl sie das Unternehmen unter einer neuen Firma fortführen. Die Beklagten seien auch wegen ungerechtfertigter Bereicherung zur Herausgabe verpflichtet.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens, das sie offenbar mit ihrer Klage begehre, weder im Zeitpunkt der Eröffnung des Anschlußkonkurses noch im Zeitpunkte der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zugestanden sei, da die oHG. in den Jahren 1948 bis 1950 mit Verlust gearbeitet habe und die Belastungen der Klägerin einschließlich ihres Verlustanteiles per 4. November 1949 223.401 S 96 g betrugen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes in der Hauptsache und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Es führte aus, das Klagebegehren sei als Leistungsbegehren formuliert, sei aber mehrdeutig. Es könne dahin verstanden werden, daß die Klägerin die Herausgabe von Anteilen des Gesellschaftsvermögens oder die Einräumung von Anteilsrechten an diesem Gesellschaftsvermögen begehre. Beide Begehren seien jedoch nicht begrundet, da die Klägerin nur Anspruch auf Abfindung in Geld habe, während ihr Anteil den verbliebenen Gesellschaftern zuwachse; die Klägerin habe nur Anspruch auf Bezahlung des sich aus der Abschichtungsbilanz allenfalls ergebenden Guthabens in Geld. Wenn man aber das Klagebegehren dahin auffasse, daß die Klägerin die Bezahlung des Geldwertes von 45% des Wertes der Firma Neue Wiener Hochschaubahn G. & Co. begehre, so sei dieses Begehren mangels Bezifferung des Geldanspruches unbestimmt; die Klägerin habe auch den ihr vom Prozeßgericht erteilten Auftrag, ihre Forderungen sowohl nach Ziffern als auch nach dem Gründe ihrer Ansprüche zu detaillieren, keine Folge geleistet. Aber selbst wenn man das Klagebegehren als Feststellungsbegehren auffassen wollte, welches nur dann zulässig sei, wenn die Klägerin eine Leistungsklage nicht erheben könnte oder wenn das Urteil im Feststellungsprozeß über den Leistungsprozeß hinaus rechtliche Bedeutung hätte, so habe die Klägerin in keiner Weise ausgeführt, warum und wieso das Feststellungsurteil über ein im Zuge des Leistungsprozesses ergehendes Urteil hinaus rechtliche Bedeutung haben könnte. Aber selbst wenn man annehmen könnte, die Klägerin habe mit der vorliegenden Klage feststellen lassen wollen, daß sie einen Anspruch darauf habe, daß ihr 45% des Gesellschaftsvermögens der oHG. herausgegeben würden, oder daß sie den Stichtag der Abrechnung mit 6. Juli 1950 festgestellt haben wolle, so wäre ein solches Begehren nicht begrundet. Die oHG. werde nach § 141 HGB. durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst. Die Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters im Handelsregister habe nur deklarative Bedeutung, die Klägerin könnte nur die Feststellung des Stichtages der Abrechnung mit dem 8. März 1950 als dem Tage der Konkurseröffnung begehren, wie sich aus der Bestimmung des § 141 Abs. 2 HGB. ergebe. Eine Feststellung, daß die Klägerin Anspruch auf Ausfolgung von 45% des Gesellschaftsvermögens habe, sei nicht möglich, weil ihr ein solcher Anspruch nicht zustehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft die Revision zunächst die Annahme des Berufungsgerichtes, daß das Klagebegehren mehrdeutig sei, mit der Behauptung, es habe bereits das Erstgericht ausgeführt, das Urteilsbegehren sei dahin aufzufassen, daß der Klägerin 45% des Gesellschaftsvermögens als Liquidationsguthaben ausgezahlt werden möge. Es sei nicht der Wortlaut des Begehrens allein, sondern auch der Inhalt der Klage zu beachten, in welcher unter Punkt 23 die Klägerin ausdrücklich die Ausfolgung des reinen Anteiles am Gesellschaftsvermögen begehrte. Auch die Beklagten hätten das Begehren als auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens gerichtet angesehen. Im übrigen sei das Gericht verpflichtet, dem Spruch von Amts wegen eine klare und deutliche, vom Begehren abweichende Fassung zu geben.

Das Klagebegehren ist darauf gerichtet, die Beklagten schuldig zu erkennen, der Klägerin 45% des Gesellschaftsvermögens der oHG. als Liquidationsguthaben herauszugeben. Dieses Begehren kann seinem Wortlaut nach nur als auf Herausgabe von 45% des Vermögens der oHG. gerichtet angesehen werden, da es sonst auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrages als Auseinandersetzungsguthabens lauten müßte. Da, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dem ausscheidenden Gesellschafter sowohl nach Art. 7 Nr. 15 der 4. EVzHGB. als auch nach Punkt 11 des Gesellschaftsvertrages auszuzahlen ist, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, falls die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre, und der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zuwächst, ist das auf Herausgabe von 45% des Gesellschaftsvermögens gerichtete Klagebegehren jedenfalls unbegrundet und müßte schon aus diesem Gründe allein abgewiesen werden. Die in der Revision bezogene Entscheidung GerH. 1932 S. 143 hat mit der hier zur Entscheidung stehenden Frage überhaupt nichts zu tun; sie spricht lediglich aus, daß für die Beurteilung der Frage, ob durch einen einschränkenden Beisatz zum Klagebegehren nur weniger oder etwas anderes zugesprochen wird, nicht allein der Wortlaut des Klagebegehrens, sondern auch der übrige Inhalt der Klage maßgebend sei. Da im vorliegenden Fall das Klagebegehren gar keinen einschränkenden Beisatz enthält, ist es so auszulegen, wie es gestellt ist. Es ist aber auch das Gericht gar nicht berechtigt, eine sachliche Änderung des Klagebegehrens in seinem Spruch vorzunehmen; es kann nur in der Stilisierung des Urteilsspruches vom gestellten Begehren abweichen, ihm aber nicht eine vom gestellten Begehren abweichende sachliche Fassung geben (ZBl. 1914 Nr. 3, ZBl. 1916 Nr. 50, ZBl. 1934 Nr. 407, JBl. 1936 S. 84, GlUNF. 4623).

Aber selbst wenn man das Klagebegehren als auf die Herausgabe des Abfindungsguthabens gerichtet ansehen könnte, so wäre es dennoch verfehlt, weil es keine ziffernmäßige Angabe des begehrten Betrages enthält und dem stattgebenden Urteil daher die Exekutionsfähigkeit gemäß § 7 EO. mangeln würde.

Das Klagebegehren stellt sich auch nicht als Feststellungs-, sondern als Leistungsbegehren dar, da die Herausgabe von 45% des Gesellschaftsvermögens, somit eine Leistung und nicht eine Feststellung, begehrt wird. Es kann daher die Frage auf sich beruhen, ob ein Feststellungsbegehren des Inhaltes, es werde festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet seien, der Klägerin 45% des Gesellschaftsvermögens oder das Auseinandersetzungsguthaben herauszugeben, zulässig wäre oder nicht, da die Klägerin ein Feststellungsbegehren gar nicht gestellt hat, insbesondere kein solches auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Errichtung einer Abschichtungsbilanz, weshalb die Ausführungen der Revision, die darzutun versuchen, daß der Auftrag des Erstrichters, das Begehren ziffernmäßig zu detaillieren, verfehlt oder verfrüht sei, ins Leere gehen. Im übrigen übersieht die Revision offenbar, daß das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen über die Verpflichtung der Gesellschafter zur Feststellung des Abfindungsguthabens auf Grund einer zu erstellenden Abfindungsbilanz der Klägerin nur den Weg weisen wollte, den sie allenfalls bei einer neuerlichen Geltendmachung ihres Anspruches zu beschreiten haben werde. Da die Klägerin aber im gegenständlichen Verfahren weder die Mitwirkung der Beklagten bei der Ermittlung ihres Abfindungsguthabens noch die Errichtung einer Abschichtungsbilanz im Klagebegehren verlangt hat, bedürfen ihre bezüglichen Ausführungen keiner weiteren Stellungnahme.

Wenn die Revisionswerberin schließlich vorbringt, sie sei erst mit 6. Juli 1950 aus der Gesellschaft ausgeschieden, so genügt es, zur Widerlegung dieser Ausführungen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteiles zu verweisen. Da die Klägerin als mit dem Tage der Konkurseröffnung, somit dem 8. März 1950, aus der Gesellschaft ausgeschieden anzusehen ist, wäre auch aus diesem Gründe das Begehren, die Beklagten zur Herausgabe von 45% des Gesellschaftsvermögens als Liquidationsguthabens per 6. Juli 1950 zu verurteilen, verfehlt; eine Verurteilung zur Herausgabe des Liquidationsguthabens per 8. März 1950 gegenüber dem gestellten Begehren auf Herausgabe des Liquidationsguthabens per 6. Juli 1950 wäre übrigens nicht ein minus, sondern ein aliud und würde gegen die Bestimmung des § 405 ABGB. verstoßen.

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