Spruch:
Sicherung des Anspruches auf Verschaffung des Wohnungseigentumsrechtes durch Belastungs- und Veräußerungsverbot.
Entscheidung vom 5. Oktober 1955, 2 Ob 571/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die gefährdete Partei beantragte zur Sicherung ihres Anspruches auf Verschaffung des Wohnungseigentumsrechtes an Räumen und Nebenräumlichkeiten der Liegenschaft EZ. 566 der Katastralgemeinde I. St. W. in einer zum Betrieb eines Nonstop-Kinos geeigneten Beschaffenheit a) den vier Antragsgegnern zu verbieten, den bereits begonnenen Bau hinsichtlich des als Zuschauerraum vorgesehenen überdeckten Lichthofes im Ausmaß von 22.5 m Breite und 11.31 m Tiefe fortsetzen zu lassen, und ihnen aufzutragen, die weiteren bezüglichen Bauarbeiten sofort einzustellen, es sei denn, daß bei diesem Raume eine lichte Höhe von 7 m eingehalten werde, b) den gleichen Gegnern zu verbieten, innerhalb der übrigen in dem Offert vom 22. Juli 1954 angeführten Räume irgendwelche Arbeiten ausführen zu lassen, welche die Nutzflächen gegenüber der dem Offert zugrunde liegenden Planung verändern oder verringern, c) der Erstantragsgegnerin zu verbieten, über die in dem Offert vom 22. Juli 1954 angeführten Räume und Liegenschaftsanteile zu verfügen, insbesondere sie zu veräußern oder zu belasten, d) die Anmerkung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes an den der Erstantragsgegnerin zugeschriebenen Liegenschaftsanteilen.
Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung im vollen Umfang, legte der gefährdeten Partei jedoch eine Sicherheitsleistung von 500.000 S auf.
Das Rekursgericht bestätigte hinsichtlich der Punkte c) und d), ermäßigte die Sicherheitsleistung auf 300.000 S und wies die Anträge zu a) und b) ab. Es nahm dabei folgenden Sachverhalt als bescheinigt an: Das Haus K.-Ring 2 befindet sich nach Zerstörung durch Kriegseinwirkung im Wiederaufbau. Die derzeitigen bücherlichen Eigentümer sind die Erstantragsgegnerin zu 38/100 Anteilen, der Zweitantragsgegner zu 20/100 Anteilen, die Drittantragsgegnerin zu 34/100 Anteilen und der Viertantragsgegner zu 8/100 Anteilen. Der Antragsteller wollte in diesem Haus ein Nonstop-Kino errichten. Er setzte sich mit der Erstantragsgegnerin, welche die Vergebung von Geschäftslokalen im Wohnungseigentum über hatte, in Verbindung. Er erhielt das Offert vom 22. Juli 1954, mit welchem die Erstantragsgegnerin dem Antragsteller die zur Begründung des beabsichtigten Wohnungseigentums erforderlichen Miteigentumsanteile in der Absicht zum Kaufe anbot, daß der Erwerb zur Errichtung eines Nonstop-Kinos erfolge. In diesem Anbot waren die Räume, welche dem Antragsteller zukommen sollten, genau bezeichnet. Am 29. Oktober 1954 nahm der Antragsteller dieses Anbot an, nachdem die Annahmefrist wiederholt verlängert worden war, und erlegte 160.000 S mit der dem Offert entsprechenden Widmung. Ein später übermittelter Kaufvertragsentwurf wurde vom Antragsteller nicht unterschrieben, weil er seiner Meinung nach vom Offert abwich. Die Erstantragsgegnerin ist nicht mehr bereit, dem Antragsteller ihre ideellen Anteile an der Liegenschaft zu übergeben. Das Rekursgericht nahm auf Grund dieses Sachverhaltes an, daß der Antragsteller bescheinigt habe, daß eine vertragliche Bindung zustandegekommen sei und er einen Anspruch auf Übertragung der Miteigentumsanteile habe. Trotz hinreichender Bescheinigung dieses Anspruches sei eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen gewesen. Hingegen könne ein Anspruch des Antragstellers, daß der gedeckte Zuschauerraum mit einer lichten Höhe von 7 m erbaut werden müsse, gegen die Erstantragsgegnerin nicht als bescheinigt angesehen werden. Gegen die übrigen Antragsgegner könne ein solcher Anspruch gar nicht behauptet werden. Es handle sich um zwei getrennte Ansprüche, nämlich auf Verschaffung von Wohnungseigentum und auf eine bestimmte Größenausführung des Zuschauerraumes. Es könnten daher Sicherungsmittel, die die Bauführung in einer solchen Raumhöhe sichern sollen, nicht als geeignet angesehen werden, die Verschaffung des Wohnungseigentums zu sichern. Die nicht bestehende Bescheinigung hinsichtlich der Raumgestaltung könne auch durch Sicherheitsleistung nicht ersetzt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei nicht Folge, wohl aber teilweise dem Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin kommt Berechtigung zu, während der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei unbegrundet ist.
Die gefährdete Partei beantragt die einstweilige Verfügung zur Sicherung des Anspruchs auf Verschaffung des Wohnungseigentumsrechtes an Räumen und Nebenräumlichkeiten im Hause K.-Ring Nr. 2 in einer zum Betriebe eines Nonstop-Kinos geeigneten Beschaffenheit. Da das Wohnungseigentum das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte Recht auf Nutzung und alleinige Verfügung über bestimmte Wohnungs- und Geschäftsräume ist (§ 1 WEG.), ist Voraussetzung des Wohnungseigentums Miteigentum an der Liegenschaft. Die einstweilige Verfügung kann also nur bewilligt werden, wenn der Antragsteller bescheinigt, daß ihm gegenüber den Antragsgegnern das Recht auf Übertragung von Miteigentumsanteilen, an welchen das Wohnungseigentum begrundet werden soll, zusteht und dieses Recht objektiv gefährdet ist.
Die Untergerichte nehmen nun als bescheinigt an, daß die Erstantragsgegnerin dem Antragsteller ein Offert stellte, wonach ihm der Kauf von Miteigentumsanteilen, verbunden mit dem Wohnungseigentum an näher bezeichneten Geschäftsräumlichkeiten zum Bau eines Nonstop-Kinos, angeboten wurde, und zwar zu einem Kaufpreis von 1.116.000 S. Die genaue Höhe der Miteigentumsanteile wurde jedoch einer späteren Mitteilung vorbehalten. Der Antragsteller hat dieses Offert innerhalb offener Frist angenommen.
Durch die Annahme des Offerts ist zwischen Antragsteller und Erstantragsgegnerin ein Vertragsverhältnis zustandegekommen, wonach sich diese verpflichtete, Miteigentumsanteile, welche dem Mietzins für die im Offert genannten Räumlichkeiten entsprechen, zu übertragen. Die Höhe der Miteigentumsanteile ist zwar im Vertrage nicht bestimmt, jedoch bestimmbar. Es ist daher ein rechtsgültiger Vertrag zustandegekommen, so daß dem Antragsteller ein Anspruch auf Übertragung der entsprechenden Miteigentumsanteile, verbunden mit einem Nutzungsrecht an den genannten Räumlichkeiten, zusteht.
Dieser Anspruch ist auch tatsächlich gefährdet, weil ja die Erstantragsgegnerin außer Streit gestellt hat, nicht mehr bereit zu sein, dem Antragsteller diese Anteile zu übertragen, somit Gefahr besteht, daß sie tatsächlich ihre Anteile anderen Bewerbern übertragen könnte, wodurch der Anspruch des Antragstellers vereitelt wäre.
Ein Verfügungsverbot und die Anmerkung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes ist sicherlich ein geeignetes Sicherungsmittel für diesen Anspruch. Nun ist es richtig, daß lediglich ein Verfügungsverbot über die im Offert vom 22. Juli 1954 angeführten Räume und Liegenschaftsanteile beantragt wird. Dieser Antrag ist unbestimmt, da hier auf eine Privaturkunde Bezug genommen wird, welche nicht Bestandteil des Beschlusses ist. Allein mit Recht hat hier das Rekursgericht angenommen, daß diese Unbestimmtheit jedenfalls hinsichtlich der Räume nur eine scheinbare ist, denn aus dem Offert lassen sich tatsächlich alle jene Räume eindeutig erkennen, um die es sich hier handelt. Das Rekursgericht war daher berechtigt, durch Anführung dieser Räume dem Begehren eine präzisere Fassung zu geben.
Anders verhält es sich allerdings mit den Miteigentumsanteilen. Da die gefährdete Partei die Anmerkung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes hinsichtlich aller der Erstantragsgegnerin zugeschriebenen Liegenschaftsanteile begehrt, kann wohl angenommen werden, daß sie auch unter den "im Offert genannten Liegenschaftsanteilen" alle der Erstantragsgegnerin zugeschriebenen Liegenschaftsanteile verstanden haben will. So hat auch das Rekursgericht den Antrag aufgefaßt und aus diesem Gründe das Verfügungsverbot hinsichtlich aller Liegenschaftsanteile der Erstantragsgegnerin erlassen. Die Entscheidung geht daher weder über den Antrag noch über die Entscheidung des Erstgerichtes hinaus, so daß eine Nichtigkeit nach § 405 ZPO. nicht gegeben sein kann, sofern man überhaupt in einer Antragsüberschreitung eine im § 477 Abs. 1 ZPO. nicht aufgezählte Nichtigkeit erblicken will.
Richtig ist allerdings, daß nicht bescheinigt ist, daß die gefährdete Partei alle 38/100 Anteile der Erstantragsgegnerin durch Annahme des Offerts erworben hat. Die gefährdete Partei spricht in ihrem Antrage selbst nur von 20 bis 22% der ganzen Liegenschaft, behauptet also selbst nicht, alle 38/100 Anteile der Erstantragsgegnerin erworben zu haben. Im Offert vom 22. Juli 1954 sind die Miteigentumsanteile, die übertragen werden sollen, nicht genannt. Diesbezüglich wird auf eine spätere Mitteilung verwiesen. Eine solche weitere Mitteilung ist aber erfolgt, und zwar in Form eines Exposes, in welchem von zirka 20/100 Anteilen für das Kino gesprochen wird. Mag dieses Expose auch keine direkte Mitteilung an die gefährdete Partei sein, so ist doch klar erkennbar, daß dieses Expose Grundlage weiterer Verhandlungen sein sollte, also dazu bestimmt war, der gefährdeten Partei bekannt zu werden. Im Kaufvertragsentwurf, der von der Erstantragsgegnerin dem Antragsteller zugestellt wurde, ist allerdings ein geringerer Miteigentumsanteil genannt. Doch kann dieser Kaufvertragsentwurf nicht zur Grundlage einer Entscheidung genommen werden, da er von der gefährdeten Partei als mit dem Offert nicht übereinstimmend abgelehnt wurde und insbesondere auch die Festlegung der Miteigentumsanteile von der gefährdeten Partei beanständet wurde. Eine exakte Festsetzung der Miteigentumsanteile kann nur durch die Mietkommission erfolgen. Der Zeitpunkt einer solchen Entscheidung kann derzeit nicht abgesehen werden. Es würde auch dem Wesen einer einstweiligen Verfügung widersprechen, wollte man vor Erlassung dieser Verfügung eine Entscheidung der Mietkommission herbeiführen. Der Antragsteller ist bei der gegebenen Sachlage niemals in der Lage, die auf ihn entfallenden Miteigentumsanteile präzise zu bescheinigen. Das kann aber nicht zur Folge haben, daß die gefährdete Partei jedes Schutzes beraubt ist. Man wird sich in Fällen wie dem vorliegenden mit der ungefähren Bescheinigung der Miteigentumsanteile begnügen, die mangelnde volle Bescheinigung durch Sicherheitsleistung ausgleichen und es dem Antragsgegner überlassen müssen, für den Fall, als die einstweilige Verfügung in einem weiteren Umfange vollzogen wurde, als es zur Sicherung des Antragstellers erforderlich ist, geeignete Anträge nach § 399 EO. zu stellen.
Der Antragsteller hat einen 20 bis 22%igen Miteigentumsanteil behauptet. Durch das vorgelegte Expose ist ein solcher von zirka 20% bescheinigt. Das Verfügungsverbot hinsichtlich der Miteigentumsanteile war daher in diesem Umfange zu erlassen und die Anmerkung im Grundbuch auf 20/100 Anteile der ganzen Liegenschaft zu beschränken, so daß die Erstantragsgegnerin über die verbleibenden 18/100 Anteile weiterhin frei verfügen kann.
Schon mit Rücksicht auf die nicht voll zureichende Bescheinigung hinsichtlich der Miteigentumsanteile und unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß durch ein zu weitgehendes Verbot die Erstantragsgegnerin an der Verfügung über ihre weiteren Miteigentumsanteile gehindert sein kann, wodurch ihr ein erheblicher Schaden entstehen könnte, war die Sicherheitsleistung mit 500.000 S festzusetzen.
Zu Unrecht behauptet die Erstantragsgegnerin in ihrem Rechtsmittel, daß durch die einstweilige Verfügung in Rechte Dritter eingegriffen würde. Trotz dieser einstweiligen Verfügung wird die Erstantragsgegnerin nicht gehindert sein, zuzustimmen, daß den übrigen Miteigentümern hinsichtlich deren Anteile ein Wohnungsrecht eingeräumt wird, da hierin keine Verfügung über die gesicherten Miteigentumsanteile liegt.
Hingegen war die Abweisung des Bauverbotes berechtigt. Bei Stellung des Offerts waren die Pläne für den Hausbau bereits von der Baubehörde genehmigt und beim Wiederaufbaufonds eingereicht. Durch die Annahme des Offerts hat die gefährdete Partei einen Anspruch auf Überlassung von Miteigentumsanteilen und bestimmter Räume in einer Beschaffenheit erworben, wie sie dem damals vorliegenden Plan entsprachen. Daß aber in der Folge eine bindende Vereinbarung dahin getroffen worden wäre, daß der Zuschauerraum eine lichte Höhe von 7 m aufzuweisen habe, wurde von den Untergerichten nicht als bescheinigt angenommen. Wenn die gefährdete Partei diese Annahme der Untergerichte bekämpft, bekämpft sie unzulässigerweise deren Beweiswürdigung. Diese Ausführungen können daher nicht beachtet werden. Besteht aber eine bindende Vereinbarung in dieser Richtung nicht, hat die gefährdete Partei auch keinen bezüglichen Sicherungsanspruch bescheinigt. Daß durch den Einbau von Entlüftungsschächten der Nutzungsraum verringert oder die Räume sonst verändert worden wären, wurde im Antrag nicht behauptet. Darauf ist also die einstweilige Verfügung nicht gestützt worden, so daß schon aus diesem Gründe das Verbot zu b) nicht erlassen werden konnte. Bei dieser Sachlage braucht auf die Frage der Passivlegitimation sowie der Eignung der Räume in ihrer gegenwärtigen Planung für die Zwecke eines Nonstop-Kinos nicht eingegangen zu werden, weil ja mangels jeglicher Bescheinigung eines bezüglichen Anspruches der Antrag jedenfalls abzuweisen war. Es braucht auch nicht untersucht zu werden, ob der gefährdeten Partei ein Schadenersatzanspruch zusteht, weil zur Sicherung eines Schadenersatzanspruches die einstweilige Verfügung nicht beantragt wurde.
Was die von der gefährdeten Partei bekämpfte Sicherheitsleistung anlangt, so kann auf die früheren Ausführungen verwiesen werden.
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