OGH 1Ob346/55

OGH1Ob346/5522.6.1955

SZ 28/165

Normen

ABGB §819
AußStrG §1
AußStrG §161
JN §1
ABGB §819
AußStrG §1
AußStrG §161
JN §1

 

Spruch:

Der nach der Einantwortung erhobene Sicherstellungsanspruch des Vermächtnisnehmers ist im streitigen Verfahren geltend zu machen.

Monatszahlungen sind nicht von der Sicherstellung auszunehmen.

Entscheidung vom 22. Juni 1955, 1 Ob 346/55.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die am 1. April 1952 verstorbene Hedwig B. hatte der Klägerin unter anderem eine monatliche Rente im Gegenwert von 10 kg Ochsenfleisch vermacht. Dieses Vermächtnis ist nicht bestritten worden. Im Abhandlungsprotokoll vom 4. August 1952 wurde festgehalten, daß eine grundbücherliche Sicherstellung weder verlangt noch geleistet werde. Am 12. August 1952 wurde dem Beklagten der Nachlaß, belastet mit den im Testament angeordneten Vermächtnissen, als Universalerben eingeantwortet.

Die Klägerin verlangt in ihrer am 15. März 1954 eingebrachten Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr das Vermächtnis in Höhe von monatlich 260 S gesetzlich sicherzustellen, und zwar nach Wahl des Beklagten entweder durch Einverleibung des Pfandrechtes für eine lebenslängliche Monatsrente von 260 S zugunsten der Klägerin Gertraud W. auf der erblasserischen Liegenschaft EZ. 465/II Katastralgemeinde I. oder aber durch Hinterlegung eines Kapitals von 35.000 S bei einer Bank oder einer anderen geeigneten Verwahrungsstelle.

Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Er wendet ein, daß die begehrte Sicherstellung dem ausdrücklich erklärten Willen der Erblasserin widerspreche und daß die Klägerin ausdrücklich darauf verzichtet habe.

Das Erstgericht erkannte gemäß dem Klagebegehren. Im schriftlichen Testamente sei die Sicherstellung der Vermächtnisse der Klägerin nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden. Die vom Beklagten behauptete mündliche Erklärung der Erblasserin, daß sie eine Sicherstellung der Vermächtnisse der Klägerin nicht wünsche, habe nicht die Kraft eines gültig erklärten letzten Willens. Es sei daher davon auszugehen, daß eine gültige letztwillige Anordnung, wonach eine Sicherstellung ausgeschlossen wurde, nicht vorliege. Auf Grund der Beweisergebnisse, könne das Gericht auch einen Verzicht der Klägerin auf Sicherstellung nicht annehmen.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die vom Beklagten zur Begründung der behaupteten Nichtigkeit, daß nämlich über den Sicherstellungsanspruch der Vermächtnisnehmerin gemäß § 161 Abs. 2 AußStrG. im Verfahren außer Streitsachen hätte entschieden werden sollen, herangezogene Rechtsprechung betrifft durchwegs anders gelagerte Fälle. In der Entscheidung JBl. 1955 S. 205 hat der Oberste Gerichtshof bloß ausgesprochen, daß keine offenbare Gesetzwidrigkeit darin liege, wenn die Untergerichte über die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung im außerstreitigen Verfahren entschieden haben, wozu noch kommt, daß der Sicherstellungsanspruch im Abhandlungsverfahren und nicht - wie hier - nach der Einantwortung erhoben wurde. Die Entscheidung SZ. III 97 stützt nicht die Meinung des Revisionswerbers, sondern die gegenteilige Auffassung, weil hier ausdrücklich gesagt wird, daß kaum Zweifel bestehen, daß über einen nach der Nachlaßeinantwortung gestellten Sicherstellungsantrag nur im ordentlichen Rechtsweg erkannt werden kann. In SZ. XIX 10 wird ein vor der Einantwortung gestelltes Sicherstellungsbegehren in das außerstreitige Verfahren verwiesen. Die Entscheidung SZ. XXV 326 läßt die Frage offen, in welches Verfahren ein nach der Einantwortung erhobenes Sicherstellungsbegehren gehöre, und führt bloß aus, daß über den Sicherstellungsanspruch des Legatars nach § 161 AußStG. wenigstens vor Rechtskraft der Einantwortung im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden sei. Auch nach der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien EvBl. 1936 Nr. 631 ist über einen vor der Einantwortung geltend gemachten Sicherstellungsanspruch im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.

Wie die bisherigen Ausführungen ergeben, ist aus der vom Revisionswerber herangezogenen Rechtsprechung nichts für seine Meinung zu entnehmen, daß auch nach der Einantwortung über das Sicherstellungsbegehren im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden sei. Die Entscheidung SZ. III 97 legt vielmehr ausführlich dar, daß ein solches Begehren auf den Rechtsweg gehöre. Dies ist auch die durchaus herrschende Meinung des Schrifttums (Ott, Rechtsfürsorgeverfahren, S. 95; Krasnopolski - Kafka, Österreichisches Erbrecht, S. 142; Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, S. 78). Ehrenzweig 2. Aufl. II/2 S. 525 und Rappaport in Klang 1. Aufl. I 488 gehen sogar so weit, daß sie auch das v o r der Einantwortung erhobene Sicherstellungsbegehren auf dem Rechtsweg behandelt wissen wollen. Lediglich Weiß in Klang 2. Aufl. III 622 will in allen Fällen den Sicherstellungsanspruch in das außerstreitige Verfahren verweisen. Daß diese Meinung weitaus überwiegend in der Literatur und in der Rechtsprechung vertreten werde, trifft - wie schon die bisherigen Darlegungen erkennen lassen - nicht zu. Pfaff - Hofmann, Kommentar zum ABGB., II/1 S. 512, auf die sich Weiß als einzige Belegstelle aus dem Schrifttum beruft, führen aus, daß "die Sicherstellung schon im Verfahren außer Streitsachen verlangt werden kann", wobei aber offen bleibt, was zu gelten habe, wenn das hier in Betracht kommende Verfahren außer Streitsachen, nämlich das Abhandlungsverfahren, abgeschlossen ist. Im Falle der Entscheidung GlU 879 ist nicht zu erkennen, ob die Sicherstellung im Rahmen des Abhandlungsverfahrens oder erst nach der Einantwortung verlangt wurde. Über die Entscheidung SZ. XIX 10 (von Weiß unrichtig mit SZ. XIX 107 zitiert) ist bereits oben berichtet worden, desgleichen über die oberlandesgerichtliche Entscheidung EvBl. 1936 Nr. 631. Auch die oberlandesgerichtliche Entscheidung DREvBl. 1940 Nr. 36 spricht bloß aus, daß vor der Einantwortung erhobene Sicherstellungsansprüche in das außerstreitige Verfahren gehören. Daß auch über die nach der Einantwortung erhobenen Sicherstellungsansprüche im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden sei, ist nur in der - von Weiß übrigens nicht zitierten - Entscheidung ZBl. 1925 Nr. 27 deutlich ausgesprochen, ohne daß aber für diese Meinung eine Begründung gegeben würde.

Gegen den von Weiß gebrauchten Grund, daß für die Verweisung der Ansprüche eines Vermächtnisnehmers auf Sicherstellung nach § 161 AußStrG. in das offiziöse Verfahren die gewiß naheliegende Erwägung spreche, daß es kaum begreiflich wäre, wenn dieses Verfahrensgesetz auf ein anderes als auf das außerstreitige Verfahren verwiese, spricht die von Weiß selbst erkannte, aber beiseitegeschobene Erwägung, daß das Außerstreitgesetz auch an anderen Stellen bloß materiellrechtliche Vorschriften enthält. Vor allem ist aber zu bedenken, daß die Vorschrift des § 161 Abs. 2 AußStrG. in dem Hauptstück über das Verlassenschaftsverfahren enthalten ist und daß daher nicht angenommen werden kann, daß durch sie auch noch für die Zeit nach Abschluß des Verlassenschaftsverfahrens eine Zuweisung in das außerstreitige Verfahren ausgesprochen werden sollte. So naheliegend es ist, dann, wenn ohnedies ein außerstreitiges Verfahren, nämlich das Verlassenschaftsverfahren, anhängig ist, auch die Sicherstellungsansprüche der Vermächtnisnehmer in diesem Verfahren zu erledigen, so wenig ist ein innerer Grund dafür zu erkennen, daß nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens gerade solche Sicherstellungsansprüche nicht, wie sonst privatrechtliche Anprüche, auf dem Rechtsweg, sondern im außerstreitigen Verfahren behandelt werden sollen. Die Begründung, daß damit ein billiger Rechtsschutz gegeben wäre, berücksichtigt nur die Interessen des Vermächtnisnehmers und läßt jene des Erben, gegen den der Sicherstellungsanspruch erhoben wird, außer Betracht. Es scheint hier der bereits von Pfaff - Hofmann a. a. O. S. 511 abgelehnte Gedanke im Spiele zu sein, in übermäßiger Weise für die Sicherheit der Legatare sorgen zu wollen.

Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß nach der Einantwortung gemäß § 161 Abs. 2 AußStrG. erhobene Sicherstellungsansprüche des Vermächtnisnehmers mangels einer ausdrücklichen Zuweisung nicht in das Verfahren außer Streitsachen, sondern auf den Rechtsweg gehören.

Der vom Beklagten erhobene Nichtigkeitsgrund liegt daher nicht vor.

Auch die Rechtsrüge des Revisionswerbers ist nicht begrundet. Der Versuch, Monatszahlungen von der Sicherstellung auszunehmen, weil im § 161 Abs. 2 AußStrG. von fortlaufenden jährlichen Zahlungen die Rede ist, muß als Buchstabenauslegung abgelehnt werden. Der Zusammenhang der Bestimmung ergibt, daß für den Sicherstellungsanspruch die mangelnde Fälligkeit des ganzen oder eines Teiles des Vermächtnisses entscheidend ist. Dieser Gesetzesgrund trifft für eine Monats- ebenso wie für eine Jahresleistung zu. Aus der Erklärung der Parteien im Abhandlungsverfahren, daß Sicherstellung nicht verlangt und nicht geleistet werde, haben die Untergerichte mit Recht nicht auf einen Verzicht der Klägerin auf Sicherstellung geschlossen. Das Gesetz bindet den Sicherstellungsanspruch nicht etwa daran, daß er zu oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geltend gemacht werden müsse; es bestimmt im Gegenteil, daß er sowohl "vor als nach der Einantwortung" erhoben werden könne. Bei dieser Rechtslage kann aus der Erklärung der Parteien im Verlassenschaftsverfahren nur abgeleitet werden, daß eben in diesem Verfahren Sicherstellung nicht verlangt wurde. Ein Anhaltspunkt dafür, daß darüber hinaus auf Sicherstellung überhaupt verzichtet worden wäre, liegt um so weniger vor, als die Erklärung auch bei der von den Untergerichten vertretenen rechtlichen Beurteilung durchaus sinnvoll bleibt, da eben das Abhandlungsverfahren ohne Sicherstellung und daher einfacher zu Ende geführt werden konnte und da das Unterlassen eines Sicherstellungsbegehrens im Abhandlungsverfahren für die Parteien insoweit bedeutsam gewesen und geblieben ist, als eben nunmehr der Sicherstellungsanspruch nur mehr im Rechtswege verfolgt werden kann. Auf § 915 ABGB. hat sich das Berufungsgericht mit Recht bezogen. Wenn Zweifel an der Tragweite der Erklärung der Klägerin, keine Sicherstellung zu verlangen, bestunden, so wäre anzunehmen, daß sich die Klägerin eher die geringere Last auferlegen, also nicht überhaupt auf die Sicherstellung verzichten wollte. Das vom Revisionswerber gewählte Beispiel, daß der Fall nicht anders liege, als ob ein Darlehensgläubiger sage, Zinsen werden nicht verlangt, und der Schuldner antwortet "und nicht geleistet", hinkt nach zwei Richtungen. Zunächst ist diese Erklärung nicht im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens abgegeben, das wegen seines Zweckes auch die Grenzen der Wirkung der Parteierklärungen beeinflußt; für das Abhandlungsverfahren war bloß die Feststellung bedeutsam, ob in ihm auf Sicherstellungsansprüche der Klägerin Bedacht zu nehmen sei; durch die festgestellte Erklärung ist - wie bereits ausgeführt - nur klargestellt worden, daß ohne Bedachtnahme auf eine Sicherheitsleistung abgehandelt werden könne. Zum zweiten fehlt es beim Zinsenbeispiel am Zustandekommen einer Vereinbarung über die Zinsenleistung, während der Sicherstellungsanspruch bereits von Gesetzes wegen besteht und es nicht um sein Zustandekommen durch Vertrag, sondern im Gegenteil um den Verzicht auf den gesetzlichen Anspruch geht. Ob ein und welcher Grund die Klägerin zur nunmehrigen Geltendmachung ihres gesetzlichen Sicherstellungsanspruches veranlaßt hat und ob Mißhelligkeiten mit dem Beklagten eingetreten sind, ist rechtlich ohne Belang.

Auch wesentliche Verfahrensmängel liegen nicht vor. Daß es gleichgültig ist, aus welchen Gründen nunmehr Sicherstellung verlangt wird, wurde soeben ausgesprochen. Ebenso ist es unerheblich, ob im Verlassenschaftsverfahren von Sicherstellung im allgemeinen oder bloß von grundbücherlicher Sicherstellung die Rede war.

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