OGH 4Ob40/55

OGH4Ob40/5510.5.1955

SZ 28/124

Normen

Arbeitsgerichtsgesetz §1
Patentgesetz 1950 §5c
Patentgesetz 1950 §5e
Patentgesetz 1950 §5m
Arbeitsgerichtsgesetz §1
Patentgesetz 1950 §5c
Patentgesetz 1950 §5e
Patentgesetz 1950 §5m

 

Spruch:

Nachzahlung einer Vergütung für eine Diensterfindung nach dem § 5e PatG. 1950. Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes.

Entscheidung vom 10. Mai 1955, 4 Ob 40/55.

I. Instanz: Arbeitsgericht Leoben; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Der Kläger hat als Angestellter der Beklagten im Jahre 1937 eine dann patentierte Diensterfindung über eine Vorrichtung zum Absaugen der Gichtgase bei schachtförmigen Rost-, Brenn- und Trockenöfen (Erzröstung) gemacht, sie der Beklagten zur Verfügung gestellt und mit dieser im Jahre 1943 vereinbart, daß sie ihm einen einmaligen Gesamtbetrag von 20.000 RM als Vergütung bezahle. Nach dieser Vereinbarung stand der Beklagten das Recht zu, in sämtlichen Betrieben der Gesellschaft und ihren Konzerngesellschaften die Patente ohne Einschränkungen anzuwenden, wogegen die Patente selbst zur freien Verfügung des Klägers gestellt wurden. Der Kläger begehrt unter Berufung auf § 5e PatG. 1950 die Nachzahlung eines Betrages von 72.800 S für die Zeit von 1938 bis 1949 und die Feststellung einer weiteren Zahlungsverpflichtung der Beklagten bis zum Ablauf der Patente am 15. August 1956 mit der Begründung, daß sich nachträglich im Betriebe der Beklagten Leistungssteigerungen beim Röstprozeß auf Grund seiner Erfindung ergeben hätten, worauf beim Abschluß der Vereinbarung vom Jahre 1943 nicht Bedacht genommen worden sei. Es handle sich um eine wesentliche Änderung der für die Angemessenheit der Vergütung maßgebenden Verhältnisse im Sinne des § 5e PatG. 1950. Die Beklagte stellte den Zwischenantrag auf Feststellung, daß der Kläger durch die Vereinbarung des Jahres 1943 hinsichtlich aller seiner Ansprüche aus der Anwendung seiner Erfindung durch die Beklagte, also auch hinsichtlich des mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Anspruches, entfertigt bzw. abgefunden worden sei.

Das Erstgericht wies mit Zwischenurteil den Zwischenfeststellungsantrag ab. Bei den Verhandlungen der Streitteile, die zum Abschluß der Vereinbarung vom Jahre 1943 und zur Zahlung von 20.000 RM an den Kläger geführt hätten, habe sich der Kläger auf den Standpunkt gestellt, daß die Beklagte durch die Anwendung der Erfindung des Klägers Nutzen nicht nur durch Verbilligung der Anlagekosten, sondern auch dadurch erziele, daß die Leistung der Öfen beim Röstprozeß gesteigert werde. Die Beklagte habe nur anerkannt, daß die Kosten der Anlage, nicht aber auch die der Erzeugung gesenkt worden seien. Nach dem Willen der Parteien sollten letztere Kostenersparnisse durch die Zahlung der 20.000 RM nicht abgegolten werden. Nach § 5e PatG. 1950 sei die Abmachung des Jahres 1943 nur bedingt endgültig gewesen. Wenn sich im weiteren Verfahren herausstellen sollte, daß durch die Erfindung des Klägers der Beklagten auch im laufenden Erzeugungsbetrieb Nutzen entstehe, würde es sich nach der Ansicht des Erstgerichtes um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse handeln, die eine Hinaufsetzung der Vergütung zur Folge haben könnte. Das Zwischenfeststellungsbegehren der Beklagten sei jedenfalls ungerechtfertigt.

Infolge Berufung der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Es sei gleichgültig, ob die Vereinbarung des Jahres 1943 nach dem Willen der Parteien endgültig sein sollte oder nicht. Denn es ergebe sich aus der Bestimmung des § 5e PatG, 1950, daß die Vorschrift über die Berücksichtigung nachträglicher wesentlicher Änderungen der Verhältnisse unabdingbares Recht sei. Die Beklagte könne daher eine gegenteilige Feststellung nicht begehren. Es könne auch nicht gesagt werden, daß der Anspruch des Klägers teilweise verjährt sei, denn er fechte nicht den Vergleich vom Jahre 1943 an, sondern mache neue Ansprüche auf Grund geänderter Verhältnisse geltend.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerberin macht geltend, daß das Arbeitsgericht zur Entscheidung der vorliegenden Rechtssache nicht zuständig gewesen sei, so daß das gesamte Verfahren der Untergericht nichtig sei. Als Begründung führt sie aus, daß der Kläger eine auf die wesentliche Änderung der Verhältnisse gestützten Anspruch gar nicht geltend gemacht habe. Denn der Kläger gebe zu, daß er schon zur Zeit des Vergleichsabschlusses vom Jahre 1943 von der leistungssteigernden Wirkung seiner Erfindung gewußt, das Abkommen aber doch getroffen habe. Wenn der Kläger erst nachträglich die wirtschaftlichen Auswirkungen seiner Erfindung auf Grund von Unterlagen richtig erkannt habe, wie er sage, könnte darin nach der Ansicht der Revisionswerberin höchstens ein nach § 871 ABGB. relevanter oder ein Motivirrtum liegen, der zur Anfechtung der Abmachung des Jahres 1943 führen könnte. Da der Kläger daher in Wahrheit die Bestimmung des § 5e PatG. 1950 (wesentliche Änderung der Verhältnisse) nicht geltend gemacht habe, könne er sich auch nicht auf die Bestimmung des § 5m PatG. 1950 berufen, wonach Streitigkeiten über die den Dienstnehmern zustehende Vergütung für Diensterfindungen vor die Arbeitsgerichte gehörten.

Diese Meinung des Revisionswerbers ist in doppelter Richtung unzutreffend. Unter die im § 5m PatG. 1950 angeführten Streitigkeiten fallen alle Prozesse über Ansprüche nach den §§ 5b bis 5e des Gesetzes, also auch solche, die die Gewährung einer Vergütung nach § 5e zum Gegenstand haben. Streitigkeiten aus einem Vergütungsvergleich fallen nicht aus dem Rahmen dieser Bestimmung. Denn auch sie haben trotz der etwaigen Heranziehung des § 871 ABGB. den Vergütungsanspruch und nicht einen davon verschiedenen Anspruch auf Grund der angefochtenen Vereinbarung über die Vergütung zum Gegenstand. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Z. 1 zweiter Halbsatz ArbGerG., wonach Streitigkeiten über die Erfindung eines Beschäftigten nicht vor die Arbeitsgerichte gehörten, durch die Bestimmung des § 5m des später erlassenen Patentgesetzes 1950 hinsichtlich der Diensterfindungen (§ 5b Abs. 3) außer Wirksamkeit gesetzt worden ist (SZ. XXIV 290).

Es ist aber gar nicht richtig, daß der Kläger einen Anspruch nach § 5e Abs. 1 des Gesetzes nicht geltend gemacht hätte. Er stützt sich nämlich darauf, daß zur Zeit der Vergütungsabmachung im Jahre 1943 die Beklagte die leistungssteigernd Wirkung seiner Erfindung rundweg geleugnet und er selbst mangels ausreichender Betriebsunterlagen noch nicht habe nach weisen können, es werde durch die Erfindung die Leistung der Mischbegichtungsöfen erhöht und der Brennstoffverbrauch herabgesetzt. Wenn der Kläger nunmehr erklärt, er könne jetzt den Nachweis der Leistungssteigerung erbringen, macht er geltend, daß er neue Beweise habe, um diese beim Vergleich außer Betracht gebliebene Steigerung nachträglich zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um die Behauptung, die für die Angemessenheit der Vergütung seinerzeit als maßgebend angesehenen Verhältnisse hätten sich seither geändert. Der Umstand, daß der Kläger schon im Jahre 1943 davon überzeugt gewesen sein mag, daß seine Erfindung die Leistung der Öfen steigere, ist ohne Belang. Denn nach seiner Behauptung soll dieser Umstand damals außer Betracht geblieben sein und wäre jetzt billigerweise in der Weise zu berücksichtigen, daß die gewährte Vergütung von 20.000 RM erhöht werde. Der Umstand, daß die Beklagte, dem Kläger in der Vereinbarung des Jahres 1943 die anderweitige Verwertung der Patente überlassen hat, ist nicht von Bedeutung. Denn sie hat sich für ihre Betriebe die Benützung der Patente vorbehalten, und nach § 5e Abs. 1 des Gesetzes gebührt dem Dienstnehmer auch dafür eine Vergütung.

Die Revisionswerberin hat den Zwischenantrag auf Feststellung gestellt, daß der Kläger durch die Annahme der 20.000 RM hinsichtlich aller Ansprüche aus der Anwendung seiner Erfindung durch die Beklagte, also auch hinsichtlich des vorliegenden Anspruches, entfertigt und abgefunden worden sei. Die festzustellende Rechtswirkung der Abmachung des Jahres 1943 ist für den Rechtsstreit insofern präjudiziell, als im Falle der endgültigen Bestimmung und Vereinbarung der Vergütung keine Möglichkeit mehr bestehen könnte, einen Erhöhungsanspruch zu stellen. Dies ist, wie das Berufungsgericht erkannt hat, im wesentlichen eine Rechtsfrage, die im § 5e des Gesetzes eindeutig dahin beantwortet ist, daß wesentliche Änderungen der Verhältnisse auch nachträglich geltend gemacht werden und den Rechtsgrund für einen neuen Anspruch des Diensterfinders abgeben können. Mit dieser theoretischen Feststellung ist es bei diesem Zwischenverfahren in der Hauptsache getan. Gleichviel, ob im Jahre 1943 eine Generalabmachung geschlossen werden sollte oder nicht, kann die Revisionswerberin keinesfalls aus der Abmachung den Anspruch ableiten, daß der Kläger die nachträgliche Änderung der für die Angemessenheit der Vergütung maßgebenden Umstände außer Betracht lassen müsse und keinen neuen Vergütungsanspruch stellen dürfe. Die aus der Bestimmung des § 5e des Gesetzes dem Dienstnehmer erwachsenen Rechte können nämlich gemäß § 5l des Gesetzes durch Vereinbarung weder aufgehoben noch beschränkt werden. Ein Generalvergleich könnte daher keinesfalls Wirkung haben.

Mit dem Zwischenurteil soll nach dem Begehren der Beklagten nur die jeden weiteren Anspruch des Klägers ausschließende Wirkung der Abmachung des Jahres 1943 klargestellt werden. Da diese Wirkung zu verneinen ist, kann dies Beklagte nicht mit Erfolg auf ihrem Standpunkt beharren, der Kläger sei mit allen Ansprüchen aus der Anwendung seiner Erfindung durch die Beklagte, also auch hinsichtlich des in Frage stehenden Klageanspruches, entfertigt und abgefunden. Aus diesem Grund mußte der Zwischenfeststellungsantrag abgewiesen werden.

Mit dieser Entscheidung ist aber über den tatsächlichen Bestand der Klageforderung noch nicht erkannt worden. Es besteht zwar trotz der Abmachung des Jahres 1943 die Möglichkeit ihres Bestandes, es könnte sich aber auch der Fall ergeben, daß von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht gesprochen werden könnte, weil etwa auch die Frage der Leistungssteigerung berücksichtigt worden wäre. Darüber wird aber erst im fortgesetzten weiteren Verfahren zu erkennen sein.

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