OGH 7Ob213/55

OGH7Ob213/554.5.1955

SZ 28/121

Normen

ABGB §1168
ABGB §1168

 

Spruch:

Der Entgeltsanspruch des Unternehmers eines Werkes nach § 1168 ABGB. setzt voraus, daß er sich nicht rechtswidrig und schuldhaft verhalten hat.

Entscheidung vom 4. Mai 1955, 7 Ob 213/55.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die beklagte Partei hat den Kläger, einen Architekten, eingeladen, Entwürfe für einen Wohnhausbau in St. vorzulegen, und ihm im Frühjahr 1951 den Auftrag erteilt, die Pläne für das von ihr ausgewählte Projekt mit einem Rohkostenvoranschlag von 1.250.000 S mit einigen Abänderungen fertigzustellen, bei den maßgebenden öffentlichen Stellen einzureichen und die Oberleitung der Bauausführung zu übernehmen. Der Kläger nahm die gewünschten Änderungen vor, reichte die fertiggestellten Pläne ein und war auch bereit, die Bauausführung zu überwachen, als ihn die beklagte Partei nach etwa sechs Wochen verständigte, daß sie die Ausführung des Baues einem anderen Unternehmer übertragen habe. Der Kläger begehrt nun in der vorliegenden Klage die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung eines Betrages von 20.947 S 29 g, und zwar 17.660 S 18 g als Entgelt für die von ihm erbrachten Teilleistungen und als Ersatz der ihm erwachsenen Barauslagen und 3287 S 11 g als Abgeltung für den ihm entgangenen Gewinn.

Das Erstgericht hat dem Kläger den begehrten Betrag zugesprochen.

Die Berufung der beklagten Partei blieb ohne Erfolg.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Schwergewicht der Revision ruht auf dem Revisionsgrund der Z. 4 des § 503 ZPO. Mit Recht haben die Untergerichte angenommen, daß zwischen den Parteien ein Werkvertrag zustandegekommen ist. Die von der beklagten Partei im Berufungsverfahren vertretene Ansicht, es liege ein (freier) Dienstvertrag oder ein gemischter Vertrag (freier Dienstvertrag mit Elementen des Werkvertrages) vor, kann nicht geteilt werden, weil Gegenstand des Vertrages die Herstellung eines Werkes, nicht die Leistung von Diensten war. Es kommt daher nicht die Bestimmung des § 1155 ABGB. zur Anwendung, sondern die - übrigens gleichlautende - Bestimmung des Abs. 1 des § 1168 ABGB. Nach dieser Gesetzesstelle gebührt dem Unternehmer das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit ist und durch Umstände, die auf Seite des Bestellers liegen, daran verhindert worden ist; er muß sich nur anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Dieser beschränkte Entgeltsanspruch steht demnach dem Unternehmer immer nur dann zu, wenn die Verhinderung in Umständen ihren Grund hat, die auf Seite des Bestellers liegen. Dazu gehört nach einmütiger Lehre und Rechtsprechung auch sein Wille, wenn er dem Unternehmer die Ausführung der Arbeit untersagt oder einem anderen die weiteren Arbeiten überträgt. Voraussetzung ist aber stets, daß nicht ein Verschulden des Unternehmers unterlaufen ist. Nun meint die beklagte Partei entgegen der Ansicht der Untergerichte, daß ein Verschulden des Klägers, das sie zum Abgehen vom Vertrag berechtige, gegeben sei, dies jedoch mit Unrecht. Die Untergerichte haben festgestellt, daß der Kläger weder gegen den ihm zur Pflicht gemachten Grundsatz der Sparsamkeit verstoßen noch das Verlangen der beklagten Partei bei Erstellung der Pläne unbeachtet gelassen noch die getroffene Vereinbarung über eine beschränkte Einholung von Offerten verletzt hat. Soweit sich die Revision gegen die auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens gewonnenen Feststellungen der unteren Instanzen richtet, muß sie unbeachtet bleiben, weil die Bekämpfung der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht statthaft ist. Wenn die Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung nicht von den untergerichtlichen Feststellungen ausgeht, übersieht sie, daß das Revisionsgericht der Überprüfung der rechtlichen Beurteilung die Feststellungen im angefochtenen Urteile zugrunde zu legen hat. Soweit sich die Revision aber gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes wendet, daß es Sache der beklagten Partei gewesen wäre, konkrete Einwendungen zu erheben und darzutun, inwiefern der Kläger dem Grundsatz der Sparsamkeit nicht Rechnung getragen habe, ist sie nicht begrundet, weil es nicht dem Unternehmer obliegen kann, alle Einwendungen selbst aufzugreifen und zu widerlegen, es vielmehr Sache des Bestellers wie jedes anderen Beklagten ist, selbst die Einwendungen gegenüber dem Klagebegehren geltend zu machen und zu erweisen. Wenn in der Revision weiter gegen die Annahme der Untergerichte, in der Einladung der Firma H. zur Offertstellung sei kein schwerer Verstoß gegen die getroffene Vereinbarung zu erblicken, Stellung genommen und die Meinung vertreten wird, daß jede Heranziehung weiterer Firmen im Enderfolg verteuernd wirke, so ist diesen Ausführungen entgegenzuhalten, daß eine ausdrückliche Vereinbarung über den Kreis der einzuladenden Firmen von den Gerichten nicht als erwiesen angenommen wurde. Ausgehend von dieser Feststellung muß aber der Ansicht des Berufungsgerichtes gefolgt werden, weil der Entgeltsanspruch nach § 1168 ABGB. voraussetzt, daß nicht ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Unternehmers vorliegt, und bei dem Umstande, daß der Kreis der zur Offertstellung einzuladenden Firmen nicht fest umschrieben war, die Beiziehung der Firma H. durch den Kläger nicht rechtswidrig war. Was schließlich noch die letzte Rüge betrifft, es sei im Hinblick auf die Bestimmung des § 2 der Gebührenordnung verfehlt, anzunehmen, daß die beklagte Partei auch nach Rücktritt vom Vertrage berechtigt gewesen wäre, die Pläne ohne Mitwirkung des Klägers zu verwerten, so geht sie schon deshalb ins Leere, weil für die Vorarbeiten (Anfertigung von Plänen u. dgl.) jedenfalls vom Besteller ein angemessenes Entgelt zu leisten ist, wenn es zur Ausführung des Baues, sei es mangels Zustandekommens des entsprechenden Hauptvertrages, sei es zufolge Widerrufes des Bauauftrages ohne Verschulden des Unternehmers, nicht kommt (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 523). Daß der Kläger der Beklagten die Pläne übergeben hat, ist unbestritten.

Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum angenommen, daß Gründe, die die beklagte Partei berechtigen, vom Vertrage abzugehen, auf Seite des Klägers nicht vorliegen und daß daher die beklagte Partei infolge ihres unbegrundeten Abgehens vom Vertrage zur Leistung des vom Kläger geltend gemachten Entgeltsanspruches verpflichtet ist.

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