OGH 2Ob194/55

OGH2Ob194/5531.3.1955

SZ 28/91

Normen

ABGB §1444
ZPO §237
ABGB §1444
ZPO §237

 

Spruch:

Erklärung auf Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht bedeutet noch nicht einen nach bürgerlichem Recht wirksamen Verzicht auf den Anspruch.

Entscheidung vom 31. März 1955, 2 Ob 194/55.

I. Instanz: Landesgericht Linz - Nord; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht hat den Antrag der Wasserwerksgenossenschaft O. auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Max B. abgewiesen. Es hat zwar das Vorhandensein mehrerer Gläubiger angenommen, ebenso die Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners sowie das Vorhandensein eines Konkursvermögens. Dagegen hat es die Bescheinigung der von der Antragstellerin behaupteten Forderung von insgesamt 10.273 S 71 g nicht für erbracht angesehen, weil die Antragstellerin diese Forderung zu Cg 142/53 des Landesgerichtes Linz-Nord eingeklagt und diese Klage unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen habe. Dem Rekurs der Antragstellerin hat das Rekursgericht Folge gegeben, den erstinstanzlichen Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht nach Ergänzung des Verfahrens eine neuerliche Entscheidung aufgetragen. Zugleich hat das Rekursgericht ausgesprochen, daß das Verfahren erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei.

Der Oberste Gerichtshof hat den Revisionsrekursen der Antragstellerin und des Antragsgegners nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im Ergebnis ist keiner der beiden Revisionsrekurse begrundet, das erstinstanzliche Verfahren vielmehr auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes im Gründe der Vorschrift des § 176 Abs. 1 Satz 2 KO., der zufolge in Rekursen neue Umstände und Beweismittel angeführt werden können, ergänzungsbedürftig.

Verfehlt ist zunächst die Ansicht des Antragsgegners, daß Umstände, die nach dem Antrag auf Konkurseröffnung eingetreten sind, bei der vorliegenden Erledigung unbeachtlich seien. Diese Ansicht steht mit der bezogenen Bestimmung des § 176 Abs. 1 Satz 2 KO. in offensichtlichem Widerspruche. Auch Pollak (in Bartsch - Pollak, KO., 3. Aufl. 1 S. 356) führt aus, daß es einer Tatbestandsfeststellung für die Konkurseröffnung bedürfe und daß für sie der entscheidende Zeitpunkt nicht jener der Antragstellung, sondern gemäß den §§ 172, 176 Abs. 1 KO. in Verbindung mit § 406 ZPO. jener des Endbeschlusses erster oder höherer Instanz im Eröffnungsverfahren sei. Dies ist zunächst verfahrensrechtlich festzuhalten. Aus diesem Gründe kann auch der Auffassung des Antragsgegners, daß der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen schon deswegen abzuweisen sei, weil die Antragstellerin der Aufforderung des Erstgerichtes vom 6. Dezember 1954 "zur anderweitigen Bescheinigung der Forderung im Hinblick auf den Inhalt der Prozeßakten des Erstgerichtes Cg 142/53" nicht nachgekommen sei, nicht beigepflichtet werden. Dieser Auffassung könnte nur dann gefolgt werden, wenn im vorliegenden Rechtsmittelverfahren das Neuerungsverbot der Zivilprozeßordnung bestunde, was aber gemäß § 176 Abs. 1 Satz 2 KO. nicht der Fall ist.

Das Verfahren erster Instanz ist also umsomehr ergänzungsbedürftig, als zufolge der bezogenen Bestimmung auch auf das Vorbringen der Antragstellerin im Revisionsrekurse hinsichtlich der Umstände, unter denen die Erklärung auf Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht abgegeben worden ist, Bedacht genommen werden muß. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin im Rekurse gegen den erstinstanzlichen Beschluß und im Revisionsrekurse ist nämlich zwar mit den Vorinstanzen festzuhalten, daß der Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht nicht nur prozessuale, sondern auch materiellrechtliche Wirkungen zukommen (vgl. 2 Ob 341/50, 2 Ob 115/51 sowie 2 Ob 596/51), es ist aber demjenigen, der die Erklärung auf Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht abgegeben hat, nicht benommen, geltend zu machen, daß ein nach bürgerlichem Recht wirksamer Verzicht auf den Anspruch nicht erfolgt sei, also die Unwirksamkeit der Verzichtserklärung darzutun. Bereits das Erstgericht hat ausgeführt, daß "das Motiv der Klagsrückziehung aus den Streitakten Cg 142/53 (des Landesgerichtes Linz-Nord) nicht ersichtlich sei, es dürfte aber darin gelegen sein, daß derartige Ansprüche im Verwaltungswege geltend zu machen seien".

In dieser Hinsicht hat die Antragstellerin im Revisionsrekurse bestimmte Angaben gemacht, die gemäß § 176 KO. zu beachten sind. Das Verfahren ist also hinsichtlich des erwähnten Vorbringens der Antragstellerin ergänzungsbedürftig.

Im künftigen Verfahren wird das Erstgericht zu beachten haben, daß zur Prüfung der Gläubigereigenschaft der Antragstellerin nicht Beweis, sondern nur Bescheinigung erforderlich ist (§ 71 KO.; vgl. Pollak a. a. O. I S. 351). Demgemäß wird es auch genügen, wenn die Antragstellerin jene Umstände glaubhaft macht, aus denen sich ergibt, daß sie trotz ihres Schriftsatzes vom 21. August 1954 in Cg 142/53 des Erstgerichtes auf den verfahrensgegenständlichen Anspruch nicht wirksam verzichtet hat.

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