Spruch:
Wenn der betreibenden Partei die Befugnis zugesprochen wurde, das Urteil binnen 14 Tagen nach Rechtskraft auf Kosten des Verpflichteten in einer Zeitung zu veröffentlichen, ist zur Erwirkung dieser Veröffentlichung Exekution nach § 353 EO. zu führen.
Entscheidung vom 2. März 1955, 2 Ob 99/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
In Punkt c) des Urteils des Erstgerichtes vom 9. September 1954 ist der jetzigen betreibenden Partei die Befugnis zugesprochen worden, das Urteil (Spruch und Gründe) binnen 14 Tagen nach Rechtskraft auf Kosten des Beklagten (des jetzigen Verpflichteten) in der Zeitung„Österreichische Volksstimme" zu veröffentlichen. Zur Erwirkung der Veröffentlichung dieses Urteils in der genannten Zeitung hat das Erstgericht der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei die Exekution bewilligt und die betreibende Partei ermächtigt, diese Veröffentlichung auf Kosten des Verpflichteten vorzunehmen. Zugleich hat das Erstgericht ausgesprochen, daß die verpflichtete Partei die hiedurch entstehenden und vorläufig mit dem Betrag von 13.377 S 78 g bemessenen Kosten dieser Handlung der betreibenden Partei binnen 14 Tagen zu bezahlen habe. Ferner hat das Erstgericht der betreibenden Partei zur Hereinbringung der Kosten des Exekutionsbewilligungsantrages sowie der weiteren Kosten des Exekutionsverfahrens die Fahrnisexekution bewilligt.
Dem Rekurse des Verpflichteten hat das Rekursgericht Folge gegeben und in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses den Antrag auf Bewilligung der Exekution abgewiesen. Das Rekursgericht hat ausgeführt, daß ein Exekutionstitel nur dann erzwingbar sei (§ 7 EO.), wenn er einen an den Verpflichteten gerichteten Befehl zu einer Leistung oder Unterlassung enthalte. Diesem Erfordernis entspreche die der betreibenden Partei im Exekutionstitel zuerkannte Befugnis auf Veröffentlichung des Urteils gemäß der Bestimmung des § 24 Abs. 7 Pressegesetz nicht, auch wenn dort festgehalten sei, daß die Veröffentlichung auf Kosten des Beklagten zu erfolgen habe. Durch diese Fassung des Urteils sei der Beklagte noch nicht verpflichtet worden, die Veröffentlichung selbst vorzunehmen. Jede Zwangsvollstreckung setze voraus, daß der Schuldner in der Erfüllung der Judikatsschuld säumig geworden sei. Nach dem Inhalt des Exekutionstitels hätte der Verpflichtete zwar damit rechnen müssen, daß ihm die betreibende Partei die Höhe der für die Veröffentlichung erforderlichen Kosten mit der Aufforderung zu ihrer Bezahlung bekanntgeben werde, nicht aber damit, daß er selbst die Veröffentlichung vorzunehmen habe. Er sei daher auch dadurch nicht säumig geworden, daß er die Veröffentlichung nicht selbst besorgt habe. Im Exekutionsantrag sei andererseits auch nicht behauptet worden, daß der Verpflichtete zur Bezahlung der Inseratskosten auch nur aufgefordert worden sei. Wenn auch mit dem Urteile nicht nur der betreibenden Partei einseitig ein Recht zuerkannt, sondern auch die diesem Rechte korrespondierende Verpflichtung des Beklagten zur Tragung der Kosten festgestellt worden sei, ändere dies nichts daran, daß das Urteil auch in Ansehung der Kostenzahlung keinen tauglichen Exekutionstitel im Sinne des § 7 EO. darstelle, da erstens die Kosten ziffernmäßig nicht bestimmt seien und zweitens auch in Ansehung derselben keine Zahlungsverpflichtung ausgesprochen worden sei. Diese Ansicht habe auch der Oberste Gerichtshof in SZ. XII 239 vertreten. Der weiteren darin zum Ausdruck gebrachten Rechtsmeinung, daß die im Exekutionstitel ausgesprochene Befugnis zur Veröffentlichung einen tauglichen Exekutionstitel darstelle, der zur Zwangsvollstreckung gemäß § 353 EO. berechtige, könne sich jedoch das Rekursgericht nicht anschließen, da die Exekutionsführung auch nach dieser Gesetzesstelle die urteilsmäßig ausgesprochene Verpflichtung zur Vornahme bestimmter vertretbarer Handlungen zur Voraussetzung habe.
Auf den Revisionsrekurs der betreibenden Partei hat der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs gegen den die erstinstanzliche Entscheidung abändernden Beschluß des Rekursgerichtes ist zulässig, da es sich vorliegendenfalls zunächst um die Frage der Ermächtigung zur Vornahme der Handlung gemäß § 353 Abs. 1 EO. und nicht bloß um die Entscheidung über den Antrag, dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gemäß § 353 Abs. 2 EO. aufzutragen (vgl. SZ. V 27), handelt (der Oberste Gerichtshof hat auch im Falle der später zu erörternden Entscheidung SZ. XII 239 meritorisch in der Sache erkannt); der Revisionsrekurs ist auch begrundet.
Punkt c) des Urteiles des Erstgerichtes vom 9. September 1954, wonach der klagenden Partei die Befugnis zugesprochen wurde, das Urteil (Spruch und Gründe) binnen 14 Tagen nach Rechtskraft auf Kosten des Beklagten in der Zeitung "Österreichische Volksstimme" zu veröffentlichen, grundet sich auf die Vorschrift des § 24 Abs. 7 Pressegesetz, die durch die Pressegesetznovelle 1934 eingeführt worden ist (vgl. Swoboda - Hartmann, Kommentar zum Pressegesetz, 2. Aufl. S. 75 ff.). Die Anwendung dieser Bestimmungen in der Praxis ist um so schwieriger, als Gesetzesmaterialien zur Pressegesetznovelle 1934 nicht vorhanden sind (vgl. Swoboda - Hartmann a. a. O. S. 66). Richtig weist nun der Revisionsrekurswerber darauf hin, daß die maßgebliche Vorschrift des § 24 Abs. 7 Pressegesetz der Bestimmung des § 25 Abs. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nachgebildet ist, wonach in einem auf Unterlassungsklage in bestimmten Fällen ergangenen Urteil der obsiegenden Partei die Befugnis zugesprochen werden kann, das Urteil innerhalb bestimmter Frist auf Kosten der unterliegenden Partei zu veröffentlichen. Es ist daher gerechtfertigt, in der vorliegendenfalls zu entscheidenden Frage über die Vollstreckung des Punktes c) des erstgerichtlichen Urteils vom 9. September 1954 auf Lehre und Rechtsprechung, betreffend die Frage der Vollstreckung eines Erkenntnisses nach § 25 Abs. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb Bedacht zu nehmen. Die gleiche gesetzliche Regelung der Materie in beiden Gesetzen hat die übereinstimmende Anwendung der Vorschriften beider Gesetze in der Praxis zur Folge. Zutreffend hat die Revisionsrekurswerberin in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen des § 85 des Urheberrechtsgesetzes über die Urteilsverkundung hingewiesen. Auch nach § 85 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz hat das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen der obsiegenden Partei die Befugnis zuzusprechen, das Urteil binnen einer bestimmten Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen. Darüber hinaus enthält § 85 Abs. 2 des genannten Gesetzes die Vorschrift, daß das Prozeßgericht erster Instanz auf Antrag der obsiegenden Partei mit Beschluß die Kosten der Urteilsveröffentlichung festzusetzen und dem Gegner den Ersatz aufzutragen hat. Dieser Beschluß ist ein Exekutionstitel nach § 1 Z. 1 EO. (vgl. Peter, Das österreichische Urheberrecht, S. 243 Anm. 9; in diesem Zusammenhange ist auch auf die erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des Urheberrechtsgesetzes zu verweisen, mitgeteilt bei Lissbauer, Die österreichischen Urheberrechtsgesetze, S. 325).
Die Regelung in § 25 Abs. 4 UWG. und - dieser folgend - in § 24 Abs. 7 Pressegesetz entbehrt einer den bezogenen Bestimmungen des § 85 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz entsprechenden Vorschrift, so daß in den Fällen der Urteilsveröffentlichung nach § 25 Abs. 4 UWG. und nach § 24 Abs. 7 Pressegesetz nicht die Möglichkeit besteht, die Kosten der Urteilsveröffentlichung beschlußmäßig festzusetzen und dem Gegner zum Ersatz aufzutragen (nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung zu § 23 des reichsdeutschen Wettbewerbsgesetzes über die Bekanntmachung des Urteils sind allerdings die Kosten der Bekanntmachung in dem mit § 25 Abs. 4 unseres UWG. gleichgelagerten Falle Kosten der Zwangsvollstreckung und als solche beizutreiben; vgl. Baumbach im Beckschen Kurz-Kommentar zum Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 4. Aufl. S. 290, ferner Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl. S. 833, sowie Baumbach - Lauterbach im Beckschen Kurz-Kommentar zur ZPO., 20. Aufl. S. 1154).
Die österreichische Praxis ist hinsichtlich der Frage, wie die Befugnis zur Urteilsveröffentlichung gemäß § 25 Abs. 4 UWG. zu vollstrecken sei, den durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 1. August 1930, SZ. XII 239 (veröffentlicht auch in den JBl. 1930 S. 498, sowie in der GerH. 1931 S. 129), aufgezeigten Weg gegangen. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß es zur Hereinbringung der Kosten der Veröffentlichung, zu deren Ersatz der Verpflichtete zufolge des Urteileis gemäß § 25 UWG. gehalten sei, außerdem noch eines eigenen, im Wege des § 353 EO. zu erwirkenden Exekutionstitels bedürfe. Die Lehre hat die Grundsätze dieser Entscheidung überwiegend gebilligt (nur Wälden, JBl. 1930 S. 498 f., hat sich dagegen ausgesprochen und die Ansicht vertreten, daß auch nach österreichischem Recht im Sinne der überwiegenden reichsdeutschen Lehre und Rechtsprechung vorzugehen sei). In diesem Zusammenhange wird auf Heller - Trenkwalder, Die österreichische EO. in ihrer praktischen Anwendung,
3. Aufl. S. 1287 f., ferner auf Langer - Saxl, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Ausgabe 1931, Anm. 10 zu § 25, S. 139, sowie auf Kiwe, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 1935, S. 264, und auf Langer - Saxl, Gesetz gegen den unlauteren, Wettbewerb 2. Aufl. 1937, Anm. 41 bis 46 zu § 25, S. 321 f., verwiesen.
Zutreffend ist also das Erstgericht in der Frage der Vollstreckung der Urteilsveröffentlichung nach § 24 Abs. 7 Pressegesetz der durch SZ. XII 239 vorgezeigten Praxis gefolgt, und es besteht kein Anlaß, von dieser Praxis abzuweichen. Denn auf diese Weise werden die Notwendigkeit und Angemessenheit der für die Veröffentlichung aufzuwendenden oder aufgewendeten Kosten einer richterlichen Prüfung unterzogen und somit die Rechte des Verpflichteten gewahrt. Die Bedenken des Rekursgerichtes greifen nicht durch. Denn es ist bereits oben ausgeführt worden, daß die in Frage stehende Einrichtung im geltenden Gesetze nicht vollständig geregelt ist; die Ermächtigung der betreibenden Partei im Sinne des § 353 Abs. 1 EO. ist aber ein möglicher Weg, weitere Rechtsstreitigkeiten (in SZ. XII 239 ist dabei die Interessenklage nach § 368 EO. genannt worden) zu vermeiden und die Verzögerung der Urteilsveröffentlichung in jenen Fällen zu verhindern, in denen der betreibende Gläubiger auf die Vorauszahlung der Kosten, welche durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, seitens des Verpflichteten angewiesen ist (vgl. ZBl. 1933 Nr. 11). Das Rekursgericht verkennt, daß die eigentliche Bedeutung der hier zur Anwendung kommenden Vorschrift des § 24 Abs. 7 Pressegesetz (ebenso des § 25 Abs. 4 UWG.) darin liegt, daß der obsiegenden Partei die Befugnis zuzusprechen ist, das Urteil auf Kosten des Verurteilten zu veröffentlichen. Denn niemand ist in der Regel gehindert, eine Veröffentlichung auf eigene Kosten vornehmen zu lassen (vgl. Reimer a. a. O. S. 833). Unter diesem Gesichtspunkte besteht keine Veranlassung, von der bisherigen Praxis der Bewilligung der Exekution nach § 363 EO. abzugehen, da diese dem Sinne der oben bezogenen Bestimmungen des Pressegesetzes (und des UWG.) entspricht, zumal sie auch nach den obigen Ausführungen in der Lehre überwiegend gebilligt worden ist. Auch die Unterlassung der Behauptung einer der Antragstellung vorausgegangenen Aufforderung des Verpflichteten seitens der betreibenden Partei ist bedeutungslos, weil bei Bewilligung der Exekution grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob eine Mahnung seitens der betreibenden Partei erfolgt ist.
Aus diesen Gründen kommt den vom Rekursgericht dargelegten Bedenken nicht derartiges Gewicht zu, daß von der in der Lehre überwiegend gebilligten Praxis, die alle Billigkeitserwägungen für sich hat, abgegangen weiden müßte, so daß dem Revisionsrekurs Folge zu geben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses jener des Erstgerichtes wiederherzustellen war.
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