Normen
Mietengesetz §19 Abs2 Z1
Mietengesetz §21
Mietengesetz §19 Abs2 Z1
Mietengesetz §21
Spruch:
Fehlt es im Zeitpunkt der Kündigung an den Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG., so kommt die Anwendung des § 21 Abs. 2 MietG. auf erst später aufgelaufene Zinsrückstände nicht in Betracht.
Entscheidung vom 11. Februar 1955, 2 Ob 66/55.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die beklagte Partei hat den Mietzins für die Monate Juni und Juli 1954 am 12. August 1954 - also am Tage der Verfassung der Kündigung, aber noch vor ihrer Einbringung - bezahlt.
Der Zins für August in der Höhe von 113 S 97 g wurde am 4. September 1954 von der beklagten Partei bezahlt und die Zinse für September und Oktober 1954 in der Höhe von 108 S 50 g bzw. 114 S 88 g hafteten bei Schluß der Verhandlung erster Instanz noch aus.
Diese Zinse wurden, wie es im Hause des Klägers üblich war, jeweils am Ultimo des Vormonates oder am 1. des Zinsmonates dem Beklagten vom Verwalter vorgeschrieben.
Schriftlich eingemahnt wurde beim Beklagten nur der Rückstand für die Monate Juni und Juli 1954.
Das Erstgericht hat die Aufkündigung aus dem Gründe des § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. für wirksam erkannt, und zwar aus folgenden Gründen:
Wenn auch die Zinse für August 1954 und die darauffolgenden Monate nicht eingemahnt worden seien, so hindere dies die Wirksamerklärung der Kündigung nicht, da es die beklagte Partei zu vertreten hätte, wenn zwischen dem Mahnschreiben, das unbestritten am 24. Juli 1954 ergangen sei, und der tatsächlichen Einbringung der Kündigung weitere Zinsbeträge fällig geworden seien. Diese brauchten nicht mehr gesondert eingemahnt zu werden und könnten daher auch diese Rückstände zum genannten Kündigungsgrund herangezogen werden. Die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG., die die Vorschrift der Einmahnung enthalte, könne nicht allzuweit ausgelegt werden, denn man könne vom Vermieter nicht verlangen, daß er immer bei jedem weiteren Monate den Zinsrückstand gesondert einmahne.
Das Berufungsgericht hat in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt gem. § 519 Z. 3 ZPO. aufgehoben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückverwiesen.
Es sei eine nach § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. ausdrücklich im Gesetz vorgeschriebene Voraussetzung für eine Kündigung nach dieser Gesetzesstelle, daß im Zeitpunkte der Kündigung ein Zinsrückstand bestehe, der nach eingetretener Fälligkeit eingemahnt worden sei, und daß der Mieter mindestens acht Tage im Rückstand sei.
Ob diese Voraussetzungen vorgelegen seien, sei nach dem Zeitpunkte der Einbringung der Kündigung zu beurteilen. In diesem Zeitpunkte (im gegenständlichen Falle also am 13. August 1954) müßten die Voraussetzungen vorgelegen sein, wenn die Kündigung überhaupt gerechtfertigt sein könnte.
Es könne dem Erstgerichte durchaus zugegeben werden, daß dann, wenn eine begrundete Kündigung eingebracht wurde, d. hwenn im Zeitpunkte der Einbringung derselben die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. für die in der Kündigung angeführten Zinsrückstände gegeben gewesen seien und also in diesem Zeitpunkte ein eingemahnter Zinsrückstand bestanden habe, eine weitere Mahnung hinsichtlich der während des Verfahrens fällig werdenden Beträge nicht mehr erforderlich sei und daß bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz alle bis dahin fällig gewordenen, Zinsbeträge zu bezahlen seien, um eine Aufhebung der Kündigung gem. § 21 Abs. 2 MietG. zu rechtfertigen. Voraussetzung hiefür sei aber, daß die Einbringung der Kündigung überhaupt gerechtfertigt gewesen sei. Im gegenständlichen Falle sei im Zeitpunkte der Einbringung der Kündigung ein nach Fälligkeit eingemahnter Zinsrückstand nicht vorgelegen, so daß schon deshalb die Einbringung, der Kündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. nicht gerechtfertigt gewesen sei.
Aus diesem Gründe sei es unbeachtlich, ob die während des Kündigungsverfahrens fällig gewordenen Zinsbeträge bezahlt worden seien oder nicht. Da ein nach Fälligkeit eingemahnter Zinsrückstand im Zeitpunkte der Einbringung der Kündigung nicht vorhanden gewesen sei, habe die Kündigung aus diesem Kündigungsgrund (§ 19 Abs. 2 Z. 1 MietG.) nicht für wirksam erklärt werden können.
Da aber noch ein weiterer Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 4 bzw. § 19 Abs. 1 MietG. geltend gemacht worden sei und das Verfahren nach der Ansicht des Berufungsgerichtes in dieser Richtung ergänzungsbedürftig sei, wurde das erstgerichtliche Urteil vom Berufungsgericht aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
§ 21 Abs. 2 MietG. bezieht sich nur auf den als offenbar selbstverständlich vorausgesetzten Fall, daß eine Aufkündigung vorliegt, die den Erfordernissen des § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. entspricht.
Wenn aber zur Zeit der Einbringung der Kündigung der seinerzeitige, mit Schreiben vom 24. Juli 1954 eingemahnte Zinsrückstand pro Juni und Juli 1954 bereits bezahlt war, so scheidet dieser Rückstand als Voraussetzung der Kündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. aus.
Der inzwischen neuerlich entstandene Zinsrückstand per August 1954 konnte aber deshalb noch keine Grundlage für eine Kündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. bilden, weil die in dieser Gesetzesstelle zwingend vorgeschriebene Mahnung hinsichtlich dieses Zinsrückstandes pro August 1954 noch nicht erfolgt war.
Auf die am 24. Juli 1954 erfolgte Einmahnung der rückständigen Zinse pro Juni und Juli 1954 kann sich der Kläger hinsichtlich des Zinsrückstandes pro August 1954 sowohl deshalb nicht berufen, weil diese Mahnung den Augustzins gar nicht erfaßt hat, als auch deshalb nicht, weil die Einmahnung des Zinses pro August 1954 nach dem klaren Wortlaut des § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. überhaupt nur dann, wenn sie nach Eintritt der Fälligkeit des Augustzinses (also erst ab 1. August 1954) erfolgt wäre, eine Grundlage für den bezogenen Kündigungsgrund abgeben könnte (vgl. insbesondere MietSlg. 12.025).
§ 21 Abs. 2 MietG. kann aber nur dann angewendet werden, wenn eine Aufkündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. überhaupt möglich war. Denn § 21 Abs. 2 MietG. soll ja dem Mieter unter Umständen eine Chance geben, eine zwar den Erfordernissen des § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. Entsprechende Kündigung dennoch abzuwehren. Es ist also eine begriffliche Voraussetzung der Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 21 Abs. 2 MietG., daß eine auf § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. gestützte Kündigung ansonsten begrundet wäre. Keineswegs wurde aber durch § 21 Abs. 2 MietG. bewirkt, daß die in § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. verlangten Tatbestandmomente in dem allein entscheidenden Zeitpunkte der Einbringung der Kündigung nicht vorhanden sein müssen. Wenn aber der Rekurs schließlich die Meinung vertritt, daß die Kündigung selbst als Mahnung (des Zinses pro August 1954) anzusehen sei, so setzt er sich mit dem klaren Wortlaut des § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG., der äusdrücklich eine Mahnung von Einbringung der Kündigung verlangt, in Widerspruch.
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