Normen
Allgemeine Versicherungsbedingungen Art6 Abs7
VersVG §5
VersVG §68
Allgemeine Versicherungsbedingungen Art6 Abs7
VersVG §5
VersVG §68
Spruch:
Die Heilkostenversicherung als Schadensversicherung erlischt mit dem Interessenwegfall, die Prämienzahlungspflicht aber erst in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherer vom Wegfall des Interesses Kenntnis erlangt hat.
Entscheidung vom 9. Februar 1955, 3 Ob 59/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Ried im Innkreis; II. Instanz:
Kreisgericht Ried im Innkreis.
Text
Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 546 S 60 g an Beitragsrückständen für die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis 31. Dezember 1953 für Heilkosten- und Spitalskostenversicherung. Der Beklagte wendete ein, er sei seit dem 22. April 1953 bei dem Dipl.-Ing. L. als Kraftfahrer beschäftigt, deshalb seit diesem Zeitpunkt krankenversicherungspflichtig und es sei daher gemäß Art. 6 Abs. 7 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Heilkostenversicherung aufgehoben.
Das Prozeßgericht erkannt nach dem Klagebegehren. Es stellte fest, daß nach dem dem Beklagten übergebenen Auszug aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Heilkostenversicherung aufgehoben werde, wenn der Versicherte krankenversicherungspflichtig werde und daß die Heilkostenversicherung in eine Zusatzversicherung umgewandelt werden könne, während Art. 4 Abs. 1 bestimme, daß alle Willenserklärungen und Anzeigen nur dann rechtliche Wirkung haben, wenn sie der Klägerin schriftlich zugegangen sind, ferner daß der Beklagte an Beiträgen insgesamt den Klagsbetrag schulde und daß er seit 21. April 1953 krankenversicherungspflichtig sei, schließlich, daß es im Art. 6 Abs. 7 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die der Beklagte nicht erhalten habe, heiße, die Heilkostenversicherung könne aufgehoben werden, wenn der Versicherte selbst krankenversicherungspflichtig werde. Hinsichtlich der Spitalskostenversicherung habe der Beklagte seine Verbindlichkeit nicht bestritten. Da gemäß § 5 des Versicherungsvertragsgesetzes Abweichungen des Antrages vom Inhalt des Versicherungsscheines nur dann als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nicht schriftlich Widerspruch erhebe, obwohl der Versicherer ihn bei der Aushändigung des Versicherungsscheines darauf hingewiesen und erklärt habe, daß Abweichungen als genehmigt gelten, wenn er nicht innerhalb einer Monatsfrist Widerspruch erhebe, die Klägerin dieser Vorschrift aber nicht entsprochen habe, gelte nur der dem Beklagten übergebene Auszug aus den Versicherungsbedingungen, nicht aber diese selbst. Die Klägerin sei daher verpflichtet, im Falle des Eintritts der Krankenversicherungspflicht die Heilkostenversicherung aufzuheben, doch bedürfe es hiezu einer Willenserklärung des Beklagten, wie dies der Geschäftsverkehr erfordere, und zwar in Schriftform. Der Beklagte habe jedoch eine solche Erklärung nicht abgegeben, weshalb er auch zur Zahlung der Heilkostenversicherungsbeiträge, verpflichtet sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten zum Teil Folge, erkannte ihn nur schuldig, der Klägerin den Betrag von 319 S 24 g samt Anhang zu bezahlen, wies das Mehrbegehren ab und hob die Kosten gegenseitig auf. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei nach der Bestimmung des Art. 6 Abs. 7 des dem Beklagten übergebenen Auszuges aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, der für den Beklagten gemäß § 5 des Versicherungsvertragsgesetzes gelte, der Eintritt der Krankenversicherungspflicht als auflösende Bedingung vereinbart worden; eine solche hebe den Vertrag auf, ohne daß es der Willenserklärung eines Vertragspartners bedürfe, daher sei von diesem Zeitpunkt, an der Beklagte zur Bezahlung der Beiträge für die Heilkostenversicherung nicht mehr verpflichtet.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Versicherungsgesellschaft Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes im angefochtenen Umfange und in diesem Umfange auch das des Prozeßgerichtes auf und verwies die Rechtssache im Umfange der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Berufungsgericht ist zwar beizupflichten, daß der Auszug, der dem Beklagten anläßlich der Unterfertigung des Versicherungsantrages übergeben wurde, insofern Geltung hat, als die in ihm enthaltenen Abweichungen von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen als vereinbart gelten. Wenn auch in dem dem Antrag beigelegten Auszug aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Klausel enthalten ist, daß die Allgemeinen Versicherungsbedingungen im vollen Wortlaut auf Verlangen ausgefolgt werden, so gilt doch der Inhalt des Auszuges, soweit er von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen abweicht, als vereinbart. Dies gilt hinsichtlich des in den Auszug aufgenommenen Wortlautes des Art. 6 Abs. 7, wonach die Versicherung aufgehoben wird, wenn der Versicherte krankenversicherungspflichtig wird. Wenn sich die Klägerin hiebei undeutlicher Ausdrücke bedient hat, so muß sie gemäß § 915 2. Satz ABGB. die daraus entstehenden Nachteile gegen sich gelten lassen.
Der Beklagte hat auf Grund des dem Antrag angehefteten Auszuges aus den AVB. den Versicherungsantrag gestellt. Er wollte sich daher den im Auszug wiedergegebenen Bedingungen unterwerfen. Da in Art. 1 Abs. 1 des Auszuges ausdrücklich auf die AVB. verwiesen wird, so muß er auch die übrigen im Auszug nicht mitgeteilten Bedingungen gelten lassen, aber nur insoweit, als sie dem Auszug nicht widersprechen. Der Wortlaut des Auszuges wäre nur dann nicht maßgebend, wenn die Klägerin sich bei Annahme des Antrages nach § 5 VersVG. verhalten und auf die Abweichung der maßgebenden AVB. vom Antrag hingewiesen hätte. Das hat aber die Klägerin nicht getan. Es ist daher der in den Auszug aufgenommene Wortlaut des Art. 6 Abs. 7 maßgebend; aus dem von der Klägerin vorgelegten Aufnahmeformular ergibt sich übrigens, daß sie nunmehr - der Antrag hat die Nummer 8891, das Formular die Nr. 37.989 - Antragsformulare verwendet, in denen der beigeschlossene Auszug den Wortlaut des Art. 6 Abs. 7 in Übereinstimmung mit den AVB. wiedergibt. Da dieses Formular aber im klagsgegenständlichen Fall nicht verwendet worden ist, kann das Revisionsgericht es unerörtert lassen, wie unter Zugrundelegung des Wortlautes des neuen Auszuges zu entscheiden wäre.
Es ist daher davon auszugehen, daß die Heilkostenversicherung mit dem Eintritt des Beklagten in die Krankenversicherungspflicht ipso jure erloschen ist. Das stimmt auch mit den allgemeinen Versicherungsgrundsätzen überein. Die Heilkostenversicherung ist eine Schadenversicherung (vgl. Art. 1 Abs. 1 - "Ersatz des Vermögensschadens, der durch notwendige Krankenpflege entsteht"). Die Heilkostenversicherung ist daher mit dem Interessenwegfall erloschen. Das Erlöschen der Heilkostenversicherung infolge Interessenwegfalls beinhaltet aber noch nicht, daß infolge Wegfalles des Interesses auch die Prämienzahlungspflicht mit dem Erlöschen der Versicherung wegfällt. Es gilt vielmehr - da die Allgemeinen Versicherungsbedingungen keine dem Versicherungsnehmer günstigere Bestimmung enthalten - § 68 Abs. 2 VersVG., wonach die Prämienzahlungspflicht erst mit dem Zeitpunkt erlischt, in dem der Versicherer vom Wegfall des Interesses Kenntnis erlangt hat. Das muß sinngemäß auch für den die Pflichtversicherung übersteigenden Teil der Heilkostenversicherung gelten, da dieser nach Art. 6 Abs. 7 des Auszuges vertragsmäßig gleichfalls erloschen ist, da eine Umwandlung in eine Zuschußversicherung nach dem Parteivorbringen nicht erfolgt ist.
Da der Zeitpunkt nicht festgestellt worden ist, an dem der Versicherer vom Wegfall der Interessen Kenntnis erlangt hat, mußte der Revision Folge gegeben und die Sache zwecks Feststellung dieses Zeitpunktes an die erste Instanz zurückverwiesen werden, weil sich eine Verhandlung in erster Instanz offenbar nicht vermeiden läßt.
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