Normen
Allgemeine österreichische Spediteurbedingungen §50
ABGB §451
HGB §369
HGB §405
Allgemeine österreichische Spediteurbedingungen §50
ABGB §451
HGB §369
HGB §405
Spruch:
Begründung eines Pfandrechtes an einer beweglichen Sache durch Übergabe in Verwahrung eines Dritten als Pfandhalter des Gläubigers.
Verzicht auf die Geltendmachung der Rechte nach § 50 der allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen durch Übernahme der bedingungslosen Verpflichtung, einlangende Ware als Pfandwahrer zu übernehmen, bezüglich nicht konnexer Forderungen.
Entscheidung vom 12. Jänner 1955, 1 Ob 897/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Das Berufungsgericht hat das der Klage auf Herausgabe von drei Ballen Ninoflex stattgebende Urteil des Erstgerichtes mit der Begründung bestätigt, die klagende Partei habe der Firma Heinrich Sch. & Co. einen Lombardkredit auf die von der Firma N. & D.-N. im Juli 1953 an die beklagte Partei zur Versendung gelangten drei Ballen Ninoflex gewährt. Mit Schreiben vom 22. Juli 1953 habe die Firma Sch. & Co. der beklagten Partei von dem ihr seitens der klagenden Partei gewährten Warenkredit Mitteilung gemacht und die beklagte Partei ersucht, zu bestätigen, daß sie von der Verpfändung der Ware Kenntnis genommen habe und bereit sei, nach Eintreffen der Ware, die zur alleinigen und ausschließlichen Verfügung der klagenden Partei stehe, für die klagende Partei als kostenloser Pfandwahrer zu fungieren. Durch Abgabe der verlangten Erklärung habe sich die beklagte Partei verpflichtet, nach Eintreffen der Ware diese zur alleinigen und ausschließlichen Verfügung der klagenden Partei zu halten und für die Klägerin als Pfandwahrer zu fungieren. Die Ware sei am 26. August 1953 bei der beklagten Partei eingelagert worden. Damit sei das Pfandrecht der Klägerin auf Grund einer Besitzanweisung entstanden. Die Speditionsbedingungen könnten nicht dem Handelsgesetz derogieren. Es sei auch eine Vereinbarung, wonach die Parteien Dispositivbestimmungen des Handelsgesetzbuches außer Kraft gesetzt sowie die Speditionsbedingungen dem Rechtsgeschäft zugrunde gelegt hätten, nicht nachgewiesen. Die Geltendmachung des Pfand- und Zurückbehaltungsrechtes sei nach § 369 HGB. und mangels Konnexität der Forderung nicht stichhältig. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die von der beklagten Partei gegen das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgrunden des § 503 Z. 2 bis 4 ZPO. erhobene Revision ist zum Teil begrundet.
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß zwar zur Begründung eines Pfandrechtes an einer beweglichen Sache gemäß § 451 ABGB. notwendig ist, daß der Pfandgläubiger das Pfand in Verwahrung nimmt. Es ist aber keineswegs erforderlich, daß er dies selbst tut, vielmehr kann auch der Gegenstand einem Dritten als Pfandhalter zur Verwahrung für den Gläubiger übergeben werden (vgl. Ehrenzweig System 1. Aufl. 1/2 S. 443). In einem solchen Falle handelt es sich allerdings nicht um eine Übergabe durch Besitzanweisung, da diese voraussetzt, daß sich der Gegenstand schon zur Zeit der Verpfändung in Händen eines Dritten befindet (vgl. Ehrenzweig a. a. O. S. 443). Vielmehr nimmt im ersteren Falle von vornherein der Dritte die Sache als Pfandhalter des Pfandgläubigers in Verwahrung. Dies trifft hier zu. Denn mit dem Schreiben der Firma Sch. & Co. vom 22. Juli 1953 und der Annahmeerklärung seitens der beklagten Partei hat letztere sich verpflichtet, die verpfändete Ware mit ihrem Einlangen als Pfandwahrerin für die klagende Partei zu übernehmen. Wäre die Ware von vornherein für die klagende Partei oder die Firma Sch. & Co. eingelangt, so wäre damit die Beklagte mit der Übernahme Pfandhalterin der klagenden Partei geworden. Daß sie sich etwa schon vor dem Einlangen der Ware geweigert hätte, die Vereinbarung vom 22. Juli 1953 zu erfüllen, wurde nicht einmal behauptet. Wenn die Ware zunächst auf den Namen einer anderen Firma eingelangt ist und erst später für die Firma Sch. & Co. freigegeben wurde, so kann dies an der Wirksamkeit der von der beklagten Partei übernommenen Verpflichtung nichts ändern. Allerdings wurde die beklagte Partei dann erst mit der Freigabe für die Firma Sch. & Co. Pfandhalterin der Klägerin. Mag auch an der zwingenden Natur der Vorschriften des § 369 HGB. und an der Notwendigkeit einer ausdrücklichen Unterwerfung der Kontrahenten unter die allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen zu zweifeln sein, so sind diese Fragen im vorliegenden Falle ohne entscheidende Bedeutung. Dadurch, daß sich die beklagte Partei ausdrücklich verpflichtete, die später einlangenden Waren als Pfandwahrerin der Klägerin zu übernehmen, hat sie zumindest auf die ihr aus dem Verhältnis zur Firma Sch. & Co. nach den Spediteurbedingungen zustehenden Rechte, deren vertragsmäßigen Charakter sie selbst zugibt, gegenüber der klagenden Partei jedenfalls insoweit verzichtet, als die Rechte mit der Stellung einer Pfandwahrerin der klagenden Partei nicht zu vereinbaren sind, also insbesondere auf die Pfand- und Zurückbehaltungsrechte nach § 50 der allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen. Die beklagte Partei hätte, falls sie sich das ihr nach § 50 der Spediteurbedingungen zustehende Pfand- und Zurückbehaltungsrecht zugunsten ihrer Forderung gegen die Firma Sch. & Co., die mit der gegenständlichen Ware nichts zu tun hat, auch gegenüber der klagenden Partei vorbehalten wollte, dies nach Treu und Glauben bei Annahme des Antrages der Firma Sch. & Co. im Schreiben vom 22. Juli 1953 klar zu erkennen geben müssen, um dieser Firma und der klagenden Partei die Möglichkeit zu geben, die Absendung der Ware an die Klägerin oder eine andere Speditionsfirma zu veranlassen. Die bedingungslose Verpflichtung, die erst später einlangende Ware als Pfandwahrerin der Klägerin zu übernehmen, muß daher zumindest als Verzicht auf die Geltendmachung der Rechte nach § 50 der Spediteurbedingungen gegenüber der klagenden Partei bezüglich der nicht Konnexen Forderung gewertet werden. Dasselbe muß für das Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB., und zwar auch im Rahmen des § 370 HGB., gegenüber der klagenden Partei gelten, zumal auch auf das Zurückbehaltungsrecht nach diesen gesetzlichen Vorschriften jedenfalls verzichtet werden kann.
Anders ist es jedoch bei den konnexen Forderungen. Nach Punkt 3 der Klage hat sich die klagende Partei ausdrücklich bereit erklärt, die Zollgebühren und alle auf der Ware sonst lastenden Lagerspesen zu bezahlen. Sie hat auch diese in der Verhandlung vom 17. März 1954 in der Höhe von 623 S anerkannt und sofort berichtigt. Demnach stand der beklagten Partei ein Anspruch auf das Lagergeld zumindest für die Zeit zu, in der die Ware mangels Entrichtung der Zollgebühren und Lagerspesen nach deren Bekanntgabe an die klagende Partei nicht herausgegeben wurde. Da die Klägerin den Betrag von 623 S erst in der Verhandlung vom 17. März 1954 entrichtet hat, bedarf es der Klärung, ob diese späte Berichtigung der Zollgebühren und Lagerspesen auf das Verhalten der beklagten Partei zurückzuführen ist, bzw. ob ihr, falls dies nicht zutrifft, noch ein Lagergeld für die Zeit ab 1. Dezember 1953 gebührt. In dieser Richtung fehlen die notwendigen Feststellungen in den Urteilen.
Daher mußte der Revision Folge gegeben und die Rechtssache unter Aufhebung der Urteile beider Untergerichte an das Erstgericht zurückverwiesen werden.
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