OGH 3Ob828/54

OGH3Ob828/5429.12.1954

SZ 27/337

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9

 

Spruch:

Nachahmung ungeschützter Modeartikel in minderwertiger Ausführung verstößt gegen § 1 UWG.

Entscheidung vom 29. Dezember 1954, 3 Ob 828/54.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht bewilligte die von der gefährdeten Partei beantragte einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin verboten wird, den von der gefährdeten Partei als Art. Nr. 451 erzeugten Stoffen nachgeahmte Stoffe in verschiedenen Farben weiter zu erzeugen, zu liefern und anzubieten, wobei der Vollzug vom Erlag einer Sicherheitsleistung von 80.000 S abhängig gemacht wurde. YY nahm als bescheinigt an, daß die gefährdete Partei ihre Stoffe mit dem prägnanten Diagonal-Reliefmuster in verschiedenen Farben in der Herbstsaison 1952 auf den Markt gebracht habe, daß das diesen Stoffen zugrundeliegende Muster bei der gefährdeten Partei entwickelt und geschaffen wurde, daß die Entwicklung des Musters einen bedeutenden Aufwand und Arbeit, Mühe und Kosten erfordert habe, daß diese Stoffe bei den Konfektionären und Tuchhändlern als "H.-Stoffe" bekannt seien, schließlich daß die Stoffe der Antragsgegnerin denen der gefährdeten Partei äußerlich fast gleichartig seien und dieselbe Bindung aufweisen, aber schlechterer Qualität seien, weil der Prozentsatz der beigemengten Zellwolle ein größerer sei, und daß kein anderes Unternehmen in Österreich, außer die beiden Streitteile, Stoffe mit einem derartigen markanten Diagonal-Reliefmuster erzeuge, endlich daß Sakkos aus den von der gefährdeten Partei erzeugten Stoffen vom Konfektionär an die Wiederverkäufer um 370 S, aus jenen der Antragsgegnerin um 235 S verkauft werden. Nach Ansicht des Erstgerichtes sei in einer derartigen, von der Antragsgegnerin vorgenommenen Nachahmung der Stoffe der gefährdeten Partei eine gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr verstoßende Wettbewerbshandlung im Sinne des § 1 UWG. zu erblicken.

Das Rekursgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es vertrat die Ansicht, daß die Nachahmung von gewerblichen Erzeugnissen nur dann nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen sei, wenn bei der Nachahmung besondere Begleitumstände vorliegen, die die Sittenwidrigkeit der Handlung ergeben. Solche seien im vorliegenden Falle nicht bescheinigt. Es fehle vor allem die Verwechslungsfähigkeit mit den von der gefährdeten Partei erzeugten Stoffen, da die mindere Qualität der von der Antragsgegnerin erzeugten Stoffe ganz deutlich erkennbar sei. Daß die Stoffe der Antragsgegnerin mit irgendwelchen Anpreisungen in den Verkehr gebracht wurden, die ihre Absicht beweisen, die gefährdete Partei als ihre Erzeugerin erscheinen zu lassen, sei gleichfalls nicht bescheinigt. Es lägen daher die Voraussetzungen des § 1 UWG. nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof läßt zwar in der Regel die Nachahmung nicht geschützter Gegenstände zu, er verbietet sie aber dann, wenn besondere Momente vorliegen, die das Nachahmen sittenwidrig erscheinen lassen (OGH. 24. August 1937, Rsp. 1937, Nr. 261). Insbesondere wird die Nachahmung ungeschützter Muster in minderer Ausführung dann als unsittlich angesehen, wenn es sich um Modeartikel handelt oder wenn die Muster des Konkurrenten nicht bloß als Anregung zu einem eigenen Schaffen dienen, sondern in allen Einzelheiten in billiger Ausführung auf den Markt gebracht werden, sodaß die Gefahr besteht, daß die schlechte billige Ware des Nachahmers die teuere Ware des Nachgeahmten vom Markt verdrängt (vgl. insbesondere Entscheidung des OGH. vom 16. Oktober 1934, Rsp. 1934, Nr. 360).

Solche Umstände liegen auch diesmal vor.

Der Erstrichter hat als bescheinigt angenommen, daß die gefährdete Partei Stoffe mit einem prägnanten Diagonal-Reliefmuster in verschiedenen Farben auf den Markt gebracht hat, daß das diesen Stoffen zugrundeliegende Muster im Betriebe der gefährdeten Partei entwickelt worden ist und daß diese Stoffe bei Konfektionären und Tuchhändlern als "H.-Stoffe" bekannt sind, daß ferner das Eingriffsmuster D der Antragsgegnerin dem Muster der gefährdeten Partei fast gleichartig ist und daß sie überdies die gleiche eigenartige Bindung haben, daß die Stoffe der Antragsgegnerin von minderer Qualität sind und daß endlich in Österreich, von den Streitparteien abgesehen, kein anderes Stofferzeugerunternehmen Stoffe mit einem derartigen markanten Diagonal-Reliefmuster erzeugt. Der Erstrichter hat ferner als bescheinigt angesehen, daß eine so getreue Nachahmung des Stoffes kaum anders als durch Dekomposition des nachzuahmenden Musters erreicht werden kann.

Das Erstgericht hat die von der Antragsgegnerin vorgelegte Gegenbescheinigung, daß die Antragsgegnerin das Eingriffsmuster in Unkenntnis der Muster der Antragstellerin herausgebracht habe, für unglaubwürdig erachtet, zumindest für so unwahr gehalten, daß der Unterlassungsanspruch der gefährdeten Partei teilweise als glaubhaft gemacht angesehen werden müsse. Das Erstgericht hat mit Rücksicht auf die immerhin doch nicht völlig ausgeschlossene Möglichkeit, daß doch ein Zufall vorliegen sollte, der gefährdeten Partei den Erlag einer Kaution in der Höhe von 80.000 S auferlegt.

Das Rekursgericht hat diesen Tatbestand übernommen, aber den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nichtsdestoweniger abgewiesen, weil infolge der minderen Qualität der nachgeahmten Stoffe keine Verwechslungsfähigkeit vorliege.

Wie bereits oben an der Hand der Judikatur des Obersten Gerichtshofes ausgeführt worden ist, kommt es auf die Verwechslungsfähigkeit nicht an, da nicht der Tatbestand nach § 9 UWG. releviert ist, sondern der des § 1 UWG.

Dieser liegt aber vor. Die Sittenwidrigkeit liegt nicht darin, daß auch die Antragsgegnerin Diagonal-Reliefstoffe erzeugt, sondern darin, 1. daß sie die eigenartige Bindung des Stoffes der Antragstellerin, die für diese (H.-Stoffe) im Verkehr charakteristisch sei, genau nachgeahmt hat und zwar 2. in minderer Ausführung, und daß es sich 3. um Modeartikel handelt, die nur kurze Zeit absetzbar sind und die durch eine minderwertige Nachahmung, wie die Erfahrung lehrt, völlig entwertet werden können. Wenn auch in Österreich ein solcher Tatbestand nicht wie in Frankreich gerichtlich strafbar ist, so gilt ein Nachahmen von charakteristischen Modeartikeln in minderwertiger Form doch auch bei uns als sittenwidrig.

Es war daher der erstrichterliche Beschluß wiederherzustellen. Ob das Muster auch musterrechtlich geschützt ist, ist bedeutungslos, weil die einstweilige Verfügung nicht deshalb erlassen wird, weil ein Musterschutz besteht - darüber entscheidet die Verwaltungsbehörde -, sondern weil ohne Rücksicht, ob ein Formalschutz besteht, jedenfalls eine sittenwidrige Handlung glaubhaft gemacht ist.

Da aber nicht auszuschließen ist, daß beide Streitteile unabhängig von einander ausländische Stoffmuster nachgeahmt haben, die hier bisher nicht bekannt geworden sind, so wurde der Antragstellerin gleichzeitig eine Kaution in der vom Erstgericht bereits auferlegten Höhe aufgetragen.

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