OGH 3Ob816/54

OGH3Ob816/5422.12.1954

SZ 27/330

Normen

ABGB §367
ABGB §367

 

Spruch:

Daß der Nachmann des Erwerbers, der vom Vertrauensmann gemäß § 367 ABGB. Eigentum erworben hat, vom Mangel des Eigentums des Vertrauensmannes wußte, schadet nicht.

Entscheidung vom 22. Dezember 1954, 3 Ob 816/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe eines ihr gehörigen achtflammigen Lusters mit der Begründung, sie habe diesen Luster dem damaligen Pächter der Gastwirtschaft "zu den drei alten Hasen", Robert S., leihweise zur Verfügung gestellt, der Beklagte, der nunmehrige Pächter der Gastwirtschaft, habe den Luster von Robert S. übernommen, zahle keine Leihgebühr und verweigere die Herausgabe des im großen Speisesaal der genannten Gastwirtschaft befindlichen Lusters. Der Beklagte wendete ein, er habe an dem Luster Eigentum erworben, weil seine inzwischen geschiedene Gattin und Tochter des Robert S., Valerie Sch., von letzterem den Luster gegen Bezahlung eigentümlich erworben und er von seiner geschiedenen Gattin anläßlich der Scheidung alle Inventargegenstände einschließlich des Lusters gegen Bezahlung eines Betrages von 6000 S gekauft habe.

Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß die klagende Partei im April oder Mai 1951 dem Robert S. den gegenständlichen Luster leihweise zur Verfügung gestellt habe, daß am 11. Juli 1951 der Beklagte und Valerie Sch. auf Grund eines schriftlichen Übereinkommens das Pachtgeschäft von S. übernahmen, Rudolf S. das ihm gehörige Inventar samt Luster seiner Tochter Valerie Sch. gegen Entgelt übergab und daß das Gasthausinventar nach dem Inhalt des Scheidungsvergleiches vom 10. November 1953 von Valerie Sch. gegen Entgelt auf den Beklagten überging. Das Klagebegehren sei aber begrundet, weil die vom Vertrauensmann selbst vorgenommene Veräußerung nur diesen schütze, nicht aber dessen Rechtsnachfolger. Außerdem hafte der Beklagte aus der Geschäftsübernahme gemäß § 1409 ABGB. für die Schulden, die er kannte oder kennen mußte; der Beklagte habe aus Gesprächen, die zwischen den Rudolf S. und der klagenden Partei in seiner Gegenwart geführt wurden, erkennen müssen, daß der Luster nicht Eigentum des S. gewesen sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück. Es befand das Verfahren in mehrfacher Richtung als ergänzungsbedürftig. Zunächst sei nicht erörtert worden, ob der Kläger die Klage auf sein behauptetes Eigentum oder darauf stütze, daß zwischen den Parteien durch die stillschweigende Duldung der Weiterbenützung durch den Beklagten als Nachfolger des Rudolf S. im Pachtverhältnis ein stillschweigender Leihvertrag zustandegekommen oder der Beklagte in diesen eingetreten sei. Überdies stehe nicht fest ob Valerie Sch. vor der Weiterveräußerung des Lusters an den Beklagten Eigentum an diesem erworben habe, da sie am 1. Dezember 1933 geboren und daher am Tage des Erwerbes des Lusters noch nicht 18 Jahre alt gewesen sei. Es sei daher festzustellen, ob der Vertrag kuratelsbehördlich genehmigt wurde oder ob durch die Entlassung aus der väterlichen Gewalt das sonst nichtige Geschäft vor dem 10. November 1953 konvalidiert wurde. Es sei auch nicht festgestellt, ob Valerie Sch. redliche Besitzerin des Lusters im Sinne des § 367 ABGB. geworden sei. Die Ansicht des Prozeßgerichtes, daß nur der vom Vertrauensmann selbst vorgenommene Erwerb gemäß § 367 ABGB. geschützt sei, sei unverständlich. Die Ansicht, daß der gutgläubige Erwerber dem Dritten, dem er die Sache übereignet, volles Eigentum verschaffe, auch wenn diesem der Mangel im Erwerbsakt des Vormannes bekannt gewesen sein sollte, könne das Berufungsgericht nicht teilen, weil der Schutz des schlechtgläubigen dritten Erwerbers gegen den Herausgabeanspruch des Geschädigten gegen die guten Sitten verstoße und unter Umständen einen strafbaren Tatbestand auf zivilrechtlichem Gebiet sanktionieren würde. Eine Haftung des Beklagten nach § 1409 ABGB. komme nicht in Betracht, da in der Übergabe und Übernahme eines Unternehmens im Wege der Pacht keine Veräußerung im Sinne des § 1409 ABGB. gelegen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist zwar begrundet, soweit er sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes wendet, es sei festzustellen, ob der Vertrag zwischen Rudolf S. und Valerie Sch. vor dem 10. November 1953 kuratelsbehördlich genehmigt oder durch nachträgliche Genehmigung nach Entlassung aus der väterlichen Gewalt konvalidiert wurde. Denn es haben im bisherigen Verfahren die Streitteile weder auf die Minderjährigkeit der Valerie Sch. im Zeitpunkt des behaupteten Erwerbes des Lusters verwiesen, noch vorgebracht, daß der Vertrag mangels kuratelsbehördlicher Genehmigung oder rechtzeitiger Konvalidierung ungültig oder unwirksam sei. Von Amts wegen ist aber in jeder Lage des Rechtsstreites nur der Mangel der Prozeßfähigkeit, nicht aber der Mangel der materiellen Gültigkeit eines Vertrages wahrzunehmen, sofern nicht das Gesetz eine gegenteilige Anordnung trifft. Es hätte daher behauptet werden müssen daß der Übereignungsvertrag wegen Minderjährigkeit der Valerie Sch. und mangels kuratelsbehördlicher Genehmigung oder Konvalidierung nicht rechtswirksam sei. Irgendwelche Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit des Übertragungsvertrages hat aber keiner der Streitteile erhoben, weshalb kein Grund besteht, diese gar nicht geltend gemachten Umstände zu erörtern. Im übrigen wäre es ohne Belang, ob die Genehmigung oder Konvalidierung vor oder nach dem 10. November 1953 erfolgt ist, da auch bei Veräußerung einer auf Grund eines kuratelsbehördlich zu genehmigenden Vertrages erworbenen Sache eine nachträgliche Genehmigung oder Konvalidierung jederzeit und nicht nur bis zur endgültigen Veräußerung an einen Dritten möglich wäre.

Dem Rekurs ist weiters auch beizupflichten, daß die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Beklagte sei nicht nach § 367 ABGB. geschützt, wenn er den Mangel im Erwerbsakt seines Vorgängers kannte, insofern unrichtig ist, als sich dieser Rechtssatz nur auf den Ersterwerber beziehen kann. Gemäß § 367 ABGB. "findet die Eigentumsklage gegen den redlichen Besitzer einer beweglichen Sache nicht statt, wenn er beweist, daß er die Sache ... gegen Entgelt von jemandem an sich gebracht hat, dem sie der Kläger selbst zum Gebrauch, zur Verwahrung oder in was immer für einer anderen Absicht anvertraut hat. In diesen Fällen wird vom redlichen Besitzer das Eigentum erworben und dem vorigen Eigentümer steht nur gegen jene, die ihm dafür verantwortlich sind, das Recht der Schadloshaltung zu." Hat also jemand von dem Vertrauensmann des Eigentümers (Verwahrer, Entlehner o. dgl.) eine Sache redlich gegen Entgelt erworben, so erlangt er unbeschränktes und endgültiges Eigentum an der Sache und kann über sie frei verfügen, sie daher auch veräußern und sein erworbenes Eigentumsrecht an andere übertragen; das Eigentumsrecht des wahren Eigentümers geht hiedurch verloren und lebt nicht mehr auf, mag auch einer der Nachmänner des redlichen Ersterwerbers den Mangel im Eigentum des Vertrauensmannes gekannt haben. Da der redliche Erwerber kraft Gesetzes (§ 367 ABGB.) Eigentum erwirbt, kann die Überlassung der so erworbenen Sache durch ihn an einen Dritten weder gegen die guten Sitten verstoßen noch kann in dem Erwerb der Sache von dem gemäß § 367 ABGB. Eigentümer gewordenen Vormanne auch bei Kenntnis des Mangels im Erwerbsakt des Vertrauensmannes ein strafbarer Tatbestand auf Seite des Dritterwerbers erblickt werden, da letzterer ja Eigentum vom Eigentümer (§ 367 ABGB.) erlangt hat.

Das Berufungsgericht hat aber mit Recht angenommen, daß die Feststellungen des Prozeßgerichtes, das hinsichtlich der Frage des Eigentumserwerbers von einem nach § 367 ABGB. geschützten Erwerber durch einen Dritten einem Rechtsirrtum unterlegen ist, nicht ausreichen, um verläßlich darüber urteilen zu können, ob Valerie Sch. als redliche Besitzerin des Lusters anzusehen war, wobei insbesondere auf ihre bei ihrer Vernehmung am 29. Jänner 1954 gemachten Angaben verwiesen wird, es sei bei einer Besprechung in ihrer Gegenwart von einem Leihluster gesprochen worden, sie habe aber die Herausgabe verweigert, weil ihr der Luster geschenkt (also nicht gegen Entgelt überlassen) worden sei. Im übrigen wäre auch klarzustellen, woher die Valerie Sch. die Mittel besessen haben will, um ihrem Vater Darlehen zu gewähren und Bargeld zu überlassen, um darüber urteilen zu können, ob sie redliche Besitzerin dieses Lusters geworden ist.

Da somit das Urteil des Prozeßgerichtes vom Berufungsgericht im Endergebnis mit Recht aufgehoben wurde, war dem Rekurs der Erfolg zu versagen, die Entscheidung über die Rekurskosten aber gemäß § 52 ZPO. dem weiteren Verfahren vorzubehalten (JBl. 1934 S. 323, 1937, S. 409).

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