Normen
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §16
UrhG §80
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §16
UrhG §80
Spruch:
Abgrenzung des Ausstattungsschutzes nach § 80 UrhG. von dem nach § 9
UWG.
§ 9 UWG. und nicht § 80 UrhG. anwendbar, wenn es sich um den Schutz der Ausstattung eines und desselben Werkes handelt, das bei verschiedenen Verlegern erschienen ist, und der eine Verleger dagegen Schutz begehrt, daß ein anderer Verleger die für seine Ausgabe charakteristische Ausstattung nachgeahmt habe, sodaß die beiden Ausgaben miteinander verwechselt werden können.
Ein Anspruch nach § 16 Abs. 2 UWG. setzt eine ernstere Beeinträchtigung voraus, die über die mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen Unlustgefühle hinausgeht.
Entscheidung vom 15. Dezember 1954, 3 Ob 670/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die klagende Partei bzw. die Verlagsgruppe S.-P., bestehend aus den Verlagsfirmen B.-Verlag Wien, S.-Verlag Graz und P., Salzburg, haben auf Grund eines im Jahre 1947 abgeschlossenen Vertrages von den Erben nach Dr. Anton Wildgans die Verlagsrechte für eine sieben- bis achtbändige Gesamtausgabe der Werke von Dr. Anton Wildgans erworben, wonach sie eine in Ganz- oder Halbleinen gebundene Subskribtenausgabe, deren Einzelbände durchnumeriert sind und die nur geschlossen Subskripten ausgegeben werden darf, und eine Ausgabe in Einzelbänden, in Pappe oder Halbleinen gebunden die nicht durchnumeriert sind und daher gesondert abgegeben werden dürfen, verlegen darf. Der Vertrag bezieht sich nur auf die erste Auflage dieser Werke.
Die klagende Partei stellt das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, 1. die Herausgabe und Verbreitung der in ihrem Verlag erschienenen Bücher: Anton Wildgans "Gedichte" und "Kirbisch" mit dem losen Buchumschlag in gelblichbrauner Farbe, mit dem in blauer Farbe auf ihm befindlichen Namen des Autors Anton Wildgans und dem in schwarzer Farbe befindlichen Buchtitel "Gedichte" bzw. "Kirbisch" sowie mit dem in himmelblauer Farbe ausgestatteten und mit den miteinander verschlungenen Initialen W. A. versehenen festen Buchumschlag zu unterlassen, 2. von allen in ihrem Verlag noch befindlichen Büchern den oben näher beschriebenen losen und festen Umschlag zu entfernen, 3. a) den verursachten Vermögensschaden im Betrage von 25.000 S, b) den entgangenen Gewinn im Betrage von 25.000 S und c) als angemessene Entschädigung für die in keinem Vermögensschaden bestehenden Nachteile einen Betrag von 20.000 S zu bezahlen, schließlich der klagenden Partei die Befugnis zuzuerkennen, den Urteilsspruch auf Kosten der beklagten Partei in einer Wiener und einer Grazer Zeitung nach ihrer Wahl zu veröffentlichen. Sie begrundet ihr Begehren damit, daß die beklagte Partei zwei Bände mit Werken von Anton Wildgans und zwar "Kirbisch" und "Gedichte" in ihrem Verlag herausgebracht und in einer äußeren Ausstattung in Verkehr gesetzt habe, die geeignet sei, Verwechslungen mit den Büchern, die von der klagenden Partei gemeinsam mit dem B.-Verlag herausgegeben wurden, hervorzurufen.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte fest, daß die beklagte Partei am 22. Juli bzw. 21. Oktober 1953 in ihrem Verlag zwei Bände mit den Werken von Anton Wildgans "Kirbisch" und "Gedichte" herausgebracht habe, und zwar auf Grund eines mit den Erben nach Dr. Anton Wildgans abgeschlossenen Verlagsvertrages, daß die äußere Ausstattung dieser Werke mit der der Werke der Klägerin nicht verwechslungsfähig sei und daß der Ausstattung der Werke der klagenden Partei zum Teil auch die Kennzeichnungsfähigkeit fehle. Überdies stelle nach Ansicht des Prozeßgerichtes die Bestimmung des § 80 Abs. 1 UrhG. ihrem Wesen nach eine wettbewerbsrechtliche Norm dar. Es könnten daher Ansprüche wegen Verwechslungsfähigkeit der äußeren Ausstattung nur dann geltend gemacht werden, wenn von den beiden miteinander verwechslungsfähigen Ausgaben noch Exemplare zum Verkauf zur Verfügung stehen und der Absatz der älteren Ausgabe durch die verwechslungsfähige Ausstattung der jüngeren Ausgabe beeinträchtigt werden könne, wenn also eine gleichzeitige Verwendung im geschäftlichen Verkehr möglich sei. Nun stehe aber fest, daß die Einzelbände "Gedichte" und "Kirbisch" der Gesamtausgabe der klagenden Partei, die in einzelnen Bänden abgegeben werden kann, bereits am 31. Oktober 1951 verkauft und abgerechnet waren, während die beiden von der beklagten Partei herausgebrachten Bände erst am 22. Juli und 23. Oktober 1953 erschienen. Im Zeitpunkte des Erscheinens der Bände der beklagten Partei seien allerdings noch von der Subskriptionsausgabe der klagenden Partei 150 Gesamtausgaben vorhanden gewesen, doch komme dies nicht in Betracht, da der Interessent für "Kirbisch" oder "Gedichte" sich dieser Bände wegen nicht die achtbändige Gesamtausgabe kaufen werde. Es sei daher die Norm des § 80 UrhG. von der beklagten Partei nicht verletzt worden.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Beseitigungs- und Unterlassungsbegehrens 10.000 S übersteige. Es teilte zwar nicht die Ansicht des Prozeßgerichtes, daß eine Verwechslungsfähigkeit der von der beklagten Partei herausgegebenen Werke mit denen der klagenden Partei nicht vorliege, da die durchnumerierten Werke der Gesamtausgabe mit den von der beklagten Partei herausgegebenen Bänden verglichen werden müssen. Nun sei zwar nicht der feste Buchumschlag, wohl aber der lose Einband der beiden von der beklagten Partei herausgegebenen Bände mit dem der durchnumerierten Werke der Gesamtausgabe verwechslungsfähig. Denn der lose Umschlag sei bei beiden Werken von nahezu der gleichen Farbe, desgleichen die Größe der Buchstaben, das Format und die Lettern. Es habe auch die Ausstattung des Buchumschlages der klagenden Partei jedenfalls hinreichend Kennzeichnungskraft. Das Begehren sei aber deshalb unbegrundet, weil ein wettbewerblich relevantes Verhältnis zwischen den beiden Ausgaben fehle. Denn die Bestimmung des § 80 Abs. 1 UrhG. über den Titel- und Ausstattungsschutz sei eine Norm wettbewerbsrechtlicher Art und müsse unter diesem Gesichtspunkt ausgelegt werden. Die Anwendung des § 80 Abs. 1 UrhG. setze voraus, daß die Zuwiderhandlung der klagenden Partei einen wirtschaftlichen Schaden zufügen könne, andernfalls fehle dem Begehren das Rechtsschutzinteresse. Die Einzelbände "Gedichte" und "Kirbisch" der Gesamtausgabe der klagenden Partei, die einzeln abgegeben werden dürfen, seien lange vor dem Erscheinen der Bücher der beklagten Partei ausverkauft gewesen, die klagende Partei habe daher keine Nachteile aus dem Verhalten der beklagten Partei zu besorgen. Wenn auch noch 150 Exemplare der Subskriptionsausgabe bei der klagenden Partei unverkauft auf Lager liegen, so dürfen doch von dieser Ausgabe Einzelbände nicht abgegeben werden. Es liege daher ein wettbewerblich relevantes Verhältnis zwischen der Ausgabe der klagenden Partei und den beiden von der beklagten Partei verlegten Büchern nicht vor. Es sei zwar möglich, daß die Herausgabe der beiden von der beklagten Partei verlegten Bücher und ihre Einzelverkäuflichkeit manche Interessenten, die sonst wegen der Werke "Gedichte" und "Kirbisch" die Gesamtausgabe gekauft hätten, davon abgehalten habe, dies zu tun, doch würde dieser Erfolg auch dann eintreten, wenn die Bücher der beklagten Partei eine auffallend andere Ausstattung aufwiesen, als die Gesamtausgabe der klagenden Partei. Da der Vertrieb der von der beklagten Partei herausgegebenen Bücher nach menschlichem Ermessen die klagende Partei nicht schädigen könne, habe das Prozeßgericht mit Recht das Klagebegehren abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei zum Teil Folge, erkannte die beklagte Partei schuldig, die Herausgabe und die Verbreitung mit dem im Begehren näher bezeichneten losen Buchumschlag zu unterlassen und von allen noch in ihrem Verlag befindlichen Büchern den losen Buchumschlag zu entfernen, räumte der klagenden Partei die Befugnis ein, den Urteilsspruch zu veröffentlichen, und bestätigte die Abweisung des Mehrbegehrens.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision bekämpft zunächst die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Bestimmung des § 80 UrhG. eine Norm wettbewerbsrechtlicher Art sei. Aus dem Vergleich der erwähnten Bestimmung mit der des § 1 UWG., die von Handlungen im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbes spricht, während § 80 Abs. 1 UrhG. keine Bestimmung enthält, daß die Handlungen zum Zwecke des Wettbewerbes unternommen werden müssen, ergebe sich, daß § 80 Abs. 1 UrhG. nicht nur auf Eingriffe beschränkt sein sollte, die zu Zwecken des Wettbewerbes unternommen werden.
Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die vorliegende Streitsache nach § 80 UrhG. zu beurteilen sei, ist rechtsirrig. Die Ausstattung wird nur insofern nach der genannten Gesetzesstelle geschützt, als die Verwechslung zwischen zwei "Werken" hintangehalten werden soll.
Dagegen ist § 9 UWG. und nicht § 80 UrhG. maßgebend, wenn es sich um den Schutz der Ausstattung eines und desselben Werkes handelt, das bei verschiedenen Verlegern erschienen ist, und der eine Verleger dagegen Schutz begehrt, daß ein anderer Verleger die für seine Ausgabe charakteristische Ausstattung nachgeahmt habe, so daß die beiden Ausgaben miteinander verwechselt werden können. Es erübrigt sich daher, zur Auslegung des § 80 UrhG.
Stellung zu nehmen.
Wie der Oberste Gerichtshof in SZ. XI/141 dargelegt hat, setzt eine Verletzung nach § 9 UWG. kein Wettbewerbsverhältnis voraus; es genügt, daß ein für das Unternehmen der klagenden Partei charakteristisches Zeichen in verwechselbarer Weise verletzt worden ist. Wäre im § 9 UWG. ein Wettbewerbsverhältnis vorausgesetzt, so könnte z. B. nicht auf Unterlassung des rechtswidrigen Gebrauches einer Telegrammadresse geklagt werden, wenn die beiden Streitteile nicht im Wettbewerbsverhältnis stehen. Daraus folgt, daß auch die Ausstattung eines Buches sowie jedes andere, für ein Unternehmen eigentümliches Zeichen, durch die Nachahmung an sich auch dann verletzt werden kann, wenn die beiden Verlagsunternehmungen in keinem Wettbewerbsverhältnis stehen.
Es erübrigt sich daher im vorliegenden Fall zu untersuchen, ob die Auffassung des Berufungsgerichtes richtig ist, daß zwischen den beiden Parteien, die beide Werke von Wildgans vorlegen, kein Wettbewerbsverhältnis besteht.
Der Oberste Gerichtshof schließt sich der Auffassung des Berufungsgerichtes an, daß zwar der lose Umschlag, aber nicht der Bucheinband selbst der Wildgans-Bände der Beklagten den für die Wildgans-Gesamtausgabe der Klägerin charakteristischen losen Umschlag in verwechselbarer Weise nachahmt. Er verweist diesbezüglich auf die erschöpfende Begründung des Berufungsgerichtes, die durch die Ausführungen der Revision keine Widerlegung erfahren hat.
Bei dieser Sachlage war der Revision teilweise Folge zu geben und gemäß §§ 14 und 15 UWG. auf Unterlassung und Beseitigung bezüglich des losen Umschlages zu erkennen, bezüglich des Einbandes aber das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Da die klagende Partei ein Interesse daran hat, daß die Verwässerung der Kennzeichnungskraft des Umschlages für ihre Möglichkeit wieder dadurch rückgängig gemacht wird, daß die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht wird, daß die Ausstattunng dieses Umschlages für den klägerischen Betrieb charakteristisch ist, so war gemäß § 25 UWG. dem Kläger die Ermächtigung zuzuerkennen, den Urteilsspruch auf Kosten der Beklagten in einer Wiener und einer Grazer Zeitung je einmal zu veröffentlichen.
In der Nachahmung der Umschläge der klägerischen Wildgans- Ausgabe liegt zumindest eine Sorglosigkeit, weil die Beklagten bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten erkennen können, daß sie die Außenausstattung der klägerischen Umschläge in einer Weise verwenden, die Verwechslungen hervorrufen kann. Nichtsdestoweniger war aber das Schadenersatzbegehren abzuweisen, weil sich die klagende Partei darauf beschränkt hat, zu behaupten, daß infolge des Verhaltens der Beklagten der Umsatz der Gesamtausgabe zurückgegangen sei, ohne diesbezüglich konkrete Behauptungen aufzustellen, was ihr auf Grund ihrer Bücher ohneweiters möglich gewesen ist. Da Sachverständigen- und Buchbeweis nur zum Zwecke des Nachweises der Richtigkeit der Klagebehauptungen zugelassen werden kann, nicht aber zu dem Zwecke, daß der Richter oder Sachverständige erst den nicht näher behaupteten Sachverhalt konstruiert, so war das Schadenersatzbegehren abzuweisen.
Es konnte der klagenden Partei auch keine Vergütung für erlittene Kränkungen und andere Nachteile nach § 16 Abs. 2 UWG. zugesprochen werden. Der Anspruch nach § 16 Abs. 2 UWG gehört nicht zu den regelmäßigen, aus dem Unlauteren Wettbewerbsgesetz abgeleiteten Ansprüchen (SZ. XVIII/162). Es muß eine ernstere Beeinträchtigung vorliegen, die über die mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen Unlustgefühle hinausgeht (Rsp. 1927, Nr. 177 und 1932, Nr. 152). Ein solcher Fall liegt diesmal nicht vor. Die beklagte Partei hat wohl die Ausstattung der klägerischen Wildgans-Ausgabe nachgeahmt, doch liegt kein so krasser Nachahmungsfall vor, der den Zuspruch einer Buße nach § 16 Abs. 2 UWG. rechtfertigen könnte.
Die Abweisung des Schadenersatzbegehrens war daher zu bestätigen.
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