Spruch:
Die Beratung derjenigen Personen, die Gegenstände aus der Konkursmasse kaufen, fällt nicht in die Amtspflichten des Masseverwalters (§ 81 Abs. 3 KO.).
Zur Rückforderbarkeit der dem Masseverwalter zugesprochenen Belohnung.
Entscheidung vom 1. Dezember 1954, 1 Ob 737/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Erstbeklagte ist rechtskräftig zur Bezahlung des Betrages von 135.296.99 S s. A. verurteilt.
Die Zweit- und Drittbeklagte wurden vom Erstgericht zur Bezahlung desselben Betrages, vom Berufungsgericht nur zur Bezahlung des Betrages von 40.025 S zur ungeteilten Hand mit der Erstbeklagten verurteilt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge, wohl aber den Revisionen der Zweit- und Drittbeklagten und der auf der Seite dieser Beklagten dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin beigetretenen D. Allgemeine Versicherungs AG. und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes hinsichtlich der Zweit- und Drittbeklagten dahin ab, daß die Klage vollständig abgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Über das Vermögen der Erstbeklagten war ein Konkursverfahren anhängig. Sie produzierte ein gefälschtes Testament des Michael T., auf Grund dessen der Masseverwalter Dr. E. die unbedingte Erbserklärung zum Nachlaß des Michael T. abgab und die Verlassenschaft in den Konkurs einbezog. Der Kläger suchte das Unternehmen des Michael T. zu erwerben und schloß bereits am 6. September 1945 mit der Erstbeklagten darüber eine Vereinbarung, die am 3. Juni 1946 in notarieller Form niedergelegt wurde. Inzwischen war im Konkurs ein Zwangsausgleich abgeschlossen worden, der am 29. Jänner 1946 genehmigt wurde. In diesem Zwangsausgleich trat der Kläger als Bürge und Zahler gegenüber den Konkursgläubigern erster und zweiter Klasse bis zur Höhe der festgestellten Forderung, gegenüber den Gläubigern dritter Klasse bis zu 60% der festgestellten Forderungen bei. Die Gemeinschuldnerin unterwarf sich der Überwachung der Erfüllung des Zwangsausgleiches durch den früheren Masseverwalter Dr. E. Nach der Vereinbarung vom 3. Juni 1946 übergab die Erstbeklagte dem Kläger und seiner Gattin das Unternehmen des Michael T. dagegen, daß Kläger auf alle Rückgriffsansprüche aus den von ihm im Konkursverfahren geleisteten Zahlungen verzichtete. Der Kläger hatte bereits die Führung des Unternehmens des Michael T. übernommen und nicht nur die Belohnung des Masseverwalters im Betrage von 40.025 S, sondern auch an sonstigen Zahlungen 95.281.99 S geleistet. Er wurde nun verurteilt, das Unternehmen des Michael T. dessen wahren Erben auszufolgen.
Das Berufungsgericht hält Dr. E. für den dem Kläger entstandenen Schaden nicht für verantwortlich. In der Revision stellt sich der Kläger zu Unrecht auf den Standpunkt, diese Haftung lasse sich aus der Bestimmung des § 81 Abs. 3 KO. ableiten, nach der der Masseverwalter allen Beteiligten für den durch die pflichtwidrige Führung seines Amtes verursachten Schaden haftet. Selbst wenn man annehmen wollte, daß diejenigen, die Gegenstände aus der Konkursmasse kaufen, zu den Beteiligten gehören, so gehört doch ihre Beratung nicht zu den Amtspflichten des Masseverwalters. Noch weniger gehört es zu seinen Pflichten, diejenigen Personen zu beraten, die mit dem Gemeinschuldner einen Vertrag abschließen, durch welchen sie sich verpflichten, dem Gemeinschuldner die Mittel zur Erfüllung eines Zwangsausgleiches zur Verfügung zu stellen gegen die spätere Überlassung der wieder frei gewordenen Konkursmasse. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger rechtskundig beraten war oder nicht, dem Masseverwalter oblag in keiner Weise und unter keinen Umständen seine Beratung in dem Geschäft mit der Gemeinschuldnerin. Wenn er auch selbst in dem Abschluß eines Zwangsausgleiches eine günstige Erledigung des Konkurses gesehen und infolgedessen sogar auf Klärung der Frage gedrungen hat, ob das beabsichtigte Geschäft zustande kommt, so kann ihn daraus eine Verantwortung nicht treffen, solange ihm nicht vorzuwerfen ist, er habe durch wissentlich oder fahrlässig unrichtige Angaben versucht, den Kläger zum Abschluß des Geschäftes zu veranlassen.
Im übrigen mußte Dr. E. der Abschluß des Geschäftes zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten völlig unbedenklich erscheinen. Es ist erst durch die Tatsache, daß das Testament, auf das sich die Erstbeklagte berufen hat, gefälscht gewesen ist, bedenklich geworden. Auf die ungeahnte Möglichkeit, daß der Kläger durch diese sowohl für ihn als Dr. E. völlig überraschende Tatsache zu Schaden kommen könnte, brauchte Dr. E. den Kläger, selbst wenn er ihn zu beraten gehabt hätte, schon deswegen nicht aufmerksam zu machen weil er selbst mit einem solchen Betrug nicht rechnete und weil er annehmen konnte, es sei dem Kläger auch ohne ausdrückliche Warnung klar, daß er im Falle eines Betruges der Erstbeklagten zu Schaden kommen könnte.
Daß der Kläger Leistungen erbracht hat in der Erwartung, daß ein mit der Erstbeklagten als präsumptiver Erbin nach Michael T. abgeschlossener Vertrag durch die abhandlungsbehördliche Genehmigung oder durch die Einantwortung an die Erstbeklagte voll wirksam und erfüllt werden wird, wäre durchaus unbedenklich gewesen, wenn die Erstbeklagte sich nicht in diese Rolle nur auf Grund eines gefälschten Testamentes eingedrängt hätte. Dr. E. ist also auch nicht dafür verantwortlich, daß die abhandlungsbehördliche Genehmigung dieses Vertrages nicht schon erwirkt wurde, weil mit dieser und mit der Einantwortung an die Erstbeklagte mit voller Sicherheit gerechnet werden konnte. Es ist also ohne Belang, ob die Meinung des Berufungsgerichtes, daß diese Unterlassung für die Entstehung des Schadens nicht kausal war, auch hinsichtlich der Erträgnisse des Unternehmens richtig ist. Die Revision der Klägerin ist also nicht begrundet.
Das Berufungsgericht ist allerdings der Meinung, daß Dr. E. die vom Gericht zugesprochene Belohnung für seine Tätigkeit als Masseverwalter zurückgeben müßte, weil sie ihm vom Kläger bezahlt wurde. Es schließt zwar den Anspruch nach den §§ 1435 und 1431 ABGB. aus, steht jedoch auf dem Standpunkt, der Kläger könne die Zahlung wegen eines ihm und Dr. E. gemeinsamen Irrtums bei der Ausbezahlung der Belohung anfechten. Hier liegt jedoch eine Vereinbarung, die wegen eines gemeinsamen Geschäftsirrtumes angefochten werden könnte, überhaupt nicht vor. Dr. E. hatte als Masseverwalter Anspruch auf Bezahlung der ihm vom Gericht zugesprochenen Belohnung. Voraussetzung für den Abschluß und die Bestätigung des Zwangsausgleiches war die Berichtigung der Masseschulden, insbesondere auch der Belohnung des Masseverwalters. Der Kläger, in dessen vermeintlichem Interesse der Abschluß des Zwangsausgleiches lag, hat an Dr. E. gezahlt, um den Zwangsausgleich zu ermöglichen, und auf Grund seiner Vereinbarung mit der Erstbeklagten. Der Kläger erlangte durch die Bezahlung der fremden Schuld einen Rückgriffsanspruch gegen die Erstbeklagte. Er hat die Zahlung allerdings geleistet in der Erwartung, er werde durch den Verzicht auf den so entstehenden Regreßanspruch gegen die Erstbeklagte einen Teil des Kaufpreises für das Unternehmen des Michael T. leisten können. Derselben Meinung war auch Dr. E. Dieser Irrtum betrifft aber nicht eine Geschäftsgrundlage oder den Inhalt einer abgegebenen Erklärung einer zwischen dem Kläger und Dr. E. abgeschlossenen Vereinbarung, sondern lediglich das Motiv, wegen dessen der Kläger die Zahlung an Dr. E. leistete. Der Motivirrtum kann aber die Grundlage für die Anfechtung einer Vereinbarung nicht bilden, sofern man überhaupt davon sprechen kann, daß zwischen dem Kläger und Dr. E. hinsichtlich dieser Zahlung eine Vereinbarung abgeschlossen wurde. Der Umstand, daß das zwischen der Erstbeklagten und dem Kläger abgeschlossene Geschäft nicht abgewickelt werden konnte, hat also lediglich die Folgewirkung, daß der Regreßanspruch des Klägers gegenüber der Erstbeklagten zu Recht besteht.
Der Kläger versucht in der Revisionsbeantwortung neuerlich, seinen Anspruch unter Hinweis auf die §§ 1431 und 1435 ABGB. zu untermauern. Auch diese Bestimmungen sind jedoch nicht geeignet, den Anspruch zu begrunden. Die Bestimmung des § 1431 ABGB. kommt deswegen nicht in Betracht, weil dem Kläger klar sein mußte, daß er mit der Bezahlung der Belohnung des Masseverwalters eine Schuld bezahlt, die ihn nicht persönlich traf und zu der er vielleicht der Erstbeklagten, aber jedenfalls nicht Dr. E. gegenüber verpflichtet war. Er hat also nicht eine Zahlung geleistet in der irrtümlichen Meinung, hiezu Dr. E. gegenüber verpflichtet zu sein. Die Hinfälligkeit des Deckungsgeschäftes zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten wirkt sich nur auf die Rechtsbeziehungen zwischen den am Deckungsgeschäft Beteiligten aus. Sie führt also lediglich dazu, daß der Regreßanspruch des Klägers gegen die Erstbeklagte nach § 1435 ABGB. wiederauflebt, auf den er nach dem Vertrage verzichtet hatte. Der Kläger kann also keinerlei Ansprüche gegen die Erben nach Dr. E. erheben.
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