Spruch:
Der Urheber darf das empfangene Entgelt behalten, wenn der Verlagsvertrag infolge von Umständen, die auf Seiten des Verlegers liegen, nicht durchgeführt wird.
Die Bedeutung der Verkehrssitte als Rechtsgeschäftsinhalt wird durch § 10 ABGB. nicht ausgeschlossen.
Keine Anwendung des § 1168 ABGB. auf Verlagsverträge.
Neben der Einigung über die im § 1172 ABGB. vorgesehenen Punkte ist nicht auch noch eine Einigung über das Honorar, den Zeitpunkt des Erscheinens und die Anzahl der Freiexemplare notwendig.
Entscheidung vom 11. August 1954, 3 Ob 348/54.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Gesellschafter der Klägerin Rudolf K. kam im Juli 1950 mit der Beklagten, einer Schriftstellerin, auf ihrem Landgut zusammen.
Rudolf K. kam auf die Beklagte zu und sagte: "Ich nehme den nächsten sowie alle ihre Romane in meinen Verlag." Er wollte der Beklagten gleich einen Vorschuß geben, was diese aber zunächst ablehnte, jedoch erklärte: "Sie bekommen das nächste Buch, das ich in der Feder habe; ich halte auch so mein Wort, ich brauche das Geld nicht. Sie kriegen diesen und die anderen Romane für Ihren Verlag." Rudolf
K. erwiderte: "Gut, einverstanden, schicken Sie mir sofort den ersten Roman, den bringe ich als erstes heraus, wir werden uns schon verständigen." Schon damals stand es fest, daß das nächste Werk der Beklagten, das später den Titel "Der Jauk" erhielt, ein Roman bäuerlichen Inhaltes sein werde.
Im November 1950, als sich die Beklagte mit der Absicht trug, ein Grundstück zu erwerben, wandte sie sich an die klagende Partei mit dem Ersuchen um Gewährung eines Vorschusses von 3000 S; er wurde ihr anstandslos ausbezahlt. Im März 1951 legte die Beklagte das erste Manuskript des "Jauk" vor, doch entsprach dieses nicht den Anforderungen der Klägerin. Die Beklagte erklärte sich ohne Aufgabe ihrer Eigenart mit der Umschreibung des Manuskriptes einverstanden und übersandte der klagenden Partei das geänderte Manuskript am 7. Jänner 1952. Der Klägerin paßte auch die zweite Fassung nicht und sie schrieb am 24. Jänner 1952 der Beklagten einen Brief des Inhaltes, daß sie an dem Roman, dessen Rückstellung gleichzeitig angekundigt wurde, keinerlei Interesse habe. In ihrem Antwortbrief vom 30. Jänner 1952 sprach die Beklagte davon, daß sie eine solche Absage geradezu erwartet habe, sich darüber nicht wundere, sie bat zu veranlassen, daß ihr das Manuskript so bald als möglich zurückgesandt werde, weil darauf schon ein anderer Verlag warte. Im Sommer 1952 schloß die Beklagte über den Roman "Der Jauk" einen Verlagsvertrag mit einem anderen Verlag, wobei sie erklärte, im Besitze ihrer Verlagsrechte zu sein.
Mit Urteil erkannte das Prozeßgericht, daß die von der Klägerin erhobene Forderung auf Rückzahlung des Vorschusses von 3000 S zu Recht bestehe, hingegen nicht die von der Beklagten eingewandte Gegenforderung, es verurteilte die Beklagte im Sinne des Klagebegehrens.
Dabei ging das Erstgericht davon aus, daß ein Verlagsvertrag mangels Einigung über das Entgelt und der Zahl der Freiexemplare noch nicht zustande gekommen sei und eine allenfalls getroffene Vereinbarung durch beiderseitigen einverständlichen Rücktritt aufgehoben worden sei.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab; der Oberste Gerichtshof bestätigte.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es ist davon auszugehen, daß zwischen den Streitteilen ein Verlagsvertrag zustande gekommen ist. Die abweichende Ansicht des Erstgerichtes, daß neben der Einigung über die im § 1172 ABGB. vorgesehenen Punkte auch eine Einigung über das Honorar, den Zeitpunkt des Erscheinens und die Anzahl der Freiexemplare notwendig sei, trifft nicht zu.
Der Oberste Gerichtshof vermag aber der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht zu folgen, daß sich schon aus § 1168 ABGB. die Abweisung des Klagebegehrens ergebe. Der Verlagsvertrag ist ein selbständig geregeltes Rechtsgeschäft eigener Art, auf das nicht ohne weiteres die Bestimmungen über den Werkvertrag angewandt werden können. Was speziell die Norm des § 1168 ABGB. betrifft, so scheitert ihre Anwendung auf einen Verlagsvertrag schon daran, daß selbst dann, wenn der Vertrag sich auf ein erst herzustellendes Schriftstück bezieht, nicht eindeutig beurteilt werden kann, welche Partei Besteller und welche als Unternehmer anzusprechen sei (vgl. RGZ. 74/361, Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht 1951, S. 247, Mitteis, Grundriß des österreichischen Urheberrechtes 1936, S. 86, arg. "höchstens"). Im übrigen ergibt sich auch aus den Erläuternden Bemerkungen zum Urheberrechtsgesetz, daß der Gesetzgeber die Frage des Rückersatzes des vom Urheber bereits empfangenen Entgeltes nicht durch analoge Anwendung der Vorschriften über den Werkvertrag lösen wollte.
Ob das im März 1951 vorgelegte Manuskript des Romans "Der Jauk" bereits von der klagenden Partei hätte angenommen werden müssen und ob demgemäß die Forderung noch einer Überarbeitung gerechtfertigt war oder nicht, mag dahingestellt bleiben. Qualitätsmängel des Werkes sind allerdings unbeachtlich. Der Verfasser übernimmt durch Abschluß des Verlagsvertrages keine Haftung für die innere Qualität des Werkes. Das Risiko der Verwertbarkeit des Werkes liegt beim Verleger (vgl. Hoffmann, Das Reichsgesetz über den Verlagsvertrag, S. 125). Wohl aber muß das Werk druckreif sein. Ob diesem Erfordernis das erste Manuskript entsprochen hat, kann nach dem Gutachten des Sachverständigen allerdings bezweifelt werden. Es kommt aber darauf gar nicht an, sondern nur darauf, daß jedenfalls das zweite Manuskript druckreif gewesen ist.
Der Verleger hat durch seine Weigerung, dieses druckreife Werk im Sinne der getroffenen Vereinbarung zu verlegen, seine Vertragspflichten verletzt und die beklagte Partei war deshalb berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten. Den Revisionsausführungen, daß das Schreiben der klagenden Partei vom 24. Jänner 1952 noch keine endgültige Weigerung darstelle und das Berufungsgericht bei der Auslegung dieses Briefes die Auslegungsregeln des § 914 ABGB. nicht beachtet habe, kann nicht gefolgt werden. Der Brief bringt eindeutig zum Ausdruck, daß der Verlag an dem Roman, über den der Verlagsvertrag geschlossen worden ist, kein Interesse mehr hat, und konnte nur in diesem Sinne von der Beklagten verstanden werden. Im übrigen hat die Beklagte noch in ihrem Schreiben vom 27. Februar 1952 zum Ausdruck gebracht, daß sie zur Erfüllung ihrer Verlagsvereinbarung bereit sei, wenn der Verlag seine abweisende Haltung ändern wollte. Dieser Brief ist ohne Antwort geblieben. Es kann daher von der Klägerin mit Aussicht auf Erfolg der Standpunkt nicht vertreten werden, daß sie gar nicht endgültig die Ausübung der Werknutzungsrechte verweigert habe. Der Setzung einer Nachfrist bedurfte es gemäß § 29 Abs. 2 S. 2 Urheberrechtsgesetzes nicht.
Das Berufungsgericht hat eine in Verlegerkreisen nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und in Frankreich bestehende Verkehrssitte festgestellt, wonach der Urheber das empfangene Entgelt behalten darf, wenn der Verlagsvertrag infolge von Umständen, die auf Seiten des Verlegers liegen, nicht durchgeführt wird. Der Einwand der klagenden Partei, daß auf eine solche Verkehrssitte nicht Rücksicht zu nehmen sei, weil Handelsbräuche nur zwischen Kaufleuten bestehen könnten, trifft nicht zu. Denn es handelt sich eben um eine zwischen Verlegern als Kaufleuten und Urhebern, die grundsätzlich nicht Kaufleute sind, bestehende Verkehrssitte. Diese Verkehrssitte ist trotz der Bestimmung des § 10 ABGB. zu beachten. Denn die Bedeutung der Verkehrssitte als Rechtsgeschäftsinhalt wird durch § 10 ABGB. nicht ausgeschlossen (vgl. Wolff in Klangs Komm. 1, 2. Auflage zu § 10 S. 119).
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