Spruch:
Verzicht auf die Erfüllung eines Vertrages bedeutet nicht Verzicht auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung.
Entscheidung vom 30. Juni 1954, 3 Ob 359/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Prozeßgericht verurteilte sämtliche Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von 105.000 S s. A. an den Kläger und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte fest, daß der Kläger zwar bei der Tagsatzung vom 29. April 1946 über die von ihm gegen die Beklagten eingebrachte Klage auf Zahlung des Mietvertrages ewiges Ruhen des Verfahrens vereinbart habe, daß diese Tatsache aber nicht als Verzicht auf den mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Schadenersatzanspruch, sondern nur auf den Anspruch auf Vertragserfüllung anzusehen sei.
Das Berufungsgericht bestätigt das Urteil des Prozeßgerichtes.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mag der Kläger auch freiwillig auf Erfüllung des Vertrages verzichtet haben, wie dies die Revision darzutun versucht, so hat er durch diesen Verzicht keineswegs zum Ausdruck gebracht, daß er auf den ihm im Falle der Vertragsverletzung gegen seine Vertragspartner gemäß den §§ 920, 921 und 1295 ABGB. zustehenden Anspruch auf Schadenersatz verzichtet. Der Verzicht auf die Erfüllung eines Vertrages ist dem Verzicht auf den Ersatz des durch die verschuldete Nichterfüllung entstandenen Schadens keineswegs gleichzuhalten und begreift diesen auch nicht in sich. Aus den Bestimmungen der §§ 920 und 921 ergibt sich vielmehr eindeutig, daß dem Kläger, der aus dem Verschulden der Beklagten von seinem aufrecht bestehenden Mietvertrag ausgeschlossen werde und dadurch, daß er mit dem Ruhen des Verfahrens im Vorprozeß sich einverstanden erklärte, vom Vertrag zurückgetreten ist, der Anspruch auf Schadenersatz weiterhin zusteht, da er auf diesen nicht verzichtet hat. Das Berufungsgericht hat daher auch mit Recht auf § 915 ABGB. Bezug genommen. Die Ansicht der Revision, der Kläger habe dadurch, daß er auf die Zahlung des Mietvertrages verzichtet habe, kein Rechtsschutzobjekt mehr besessen, ist somit vollkommen verfehlt.
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