Spruch:
Im Zweifel, ob mehrere in einem Testament angeführte Personen zusammen Erben sein sollen, ist dem Erbserklärten, der das ausschließliche Erbrecht in Anspruch nimmt, gegenüber den anderen, die gemäß § 555 ABGB. mit ihm zu gleichen Teilen teilen wollen, die Klägerrolle zuzuteilen.
Entscheidung vom 20. Mai 1954, 2 Ob 156/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die eigenhändige, schriftliche, letztwillige Erklärung der Erblasserin vom 20. Mai 1950 lautet in ihren wesentlichen Teilen:
"Meine Haupterbin ist Elisabeth B. Sie (meine Nichte) erhält (die) laut beiliegender Beilagen angeführte(n) Sachen. Dann ist meine Stiefnichte Herta L. und mein zweiter Mann Adolf K. Weiters verfüge ich, daß alles, was mein Mann von mir erbt, nach seinem Tode an meine Nichte Elisabeth B. und ihre Kinder zurückfällt." Die in dieser letztwilligen Erklärung erwähnte Beilage, in der einzelne bestimmte Sachen zum Teil dem erblasserischen Gatten Adolf K., zum Teil der erblasserischen Nichte Elisabeth B., zum Teil deren Kind, zum Teil der erblasserischen Stiefnichte Herta L. vermacht werden, wurde von fremder Hand geschrieben.
Das Erstgericht hat die von der erblasserischen Nichte Elisabeth B. aus dem Titel der letztwilligen Anordnung vom 20. Mai 1950 abgegebene bedingte Erbserklärung zum ganzen Nachlaß und die vom erblasserischen Ehegatten Adolf K. und von Herta L. abgegebenen bedingten Erbserklärungen aus demselben Titel zu je ein Drittel des Nachlasses angenommen. Nach Vernehmung der Parteien hat das Erstgericht gemäß § 125 AußstrG. entschieden, daß Adolf K. und Herta L. gegen Elisabeth B. als Kläger aufzutreten haben, und hat im Sinne dieser Gesetzesstelle zur Anbringung der Klage eine Frist von einem Monat bestimmt.
Über Rekurs des Adolf K. und der Herta L. hat das Rekursgericht in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses der Elisabeth B. in Ansehung der Zweidrittelanteile des Nachlasses, hinsichtlich welcher die Erbserklärungen miteinander im Widerspruche stehen, die Klägerrolle zugewiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Elisabeth B. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Während die erste Instanz hervorhebt, daß das Testament nur eine ausdrückliche Erbeinsetzung, nämlich die der Elisabeth B., enthalte (obzwar Elisabeth B. als "Haupterbin" bezeichnet und auch von Vermögen gesprochen werde, das der erblasserische Gatte Adolf K. erbe), glaubt die zweite Instanz, die letztwillige Erklärung nur dahin auslegen zu können, daß alle drei darin genannten Personen Erben sein sollen. Dies schließt das Rekursgericht aus dem Vorspruche, daß mit der letztwilligen Erklärung verhütet werden solle, daß der Nachlaß in unrechte Hände gerate, aus dem Ausdruck "Haupterbin" und aus der Erwähnung, daß auch der erblasserische Gatte Adolf K. etwas "erbe". Da die mehreren Erben ohne Vorschrift einer Teilung eingesetzt erscheinen, teilen sie gemäß § 555 ABGB. zu gleichen Teilen. Das Revisionsgericht pflichtet dem Standpunkte des Rekursgerichtes insofern bei, als von einem stärkeren Erbrechtstitel der Elisabeth B. aus der letztwilligen Erklärung im Sinne des § 126 Abs. 2 AußstrG. nicht die Rede sein kann, im Zweifel aber, ob mehrere in einem Testamente angeführte Personen alle Erben sein sollen, dem Erbserklärten, der das ausschließliche Erbrecht in Anspruch nimmt, gegenüber den anderen, die gemäß § 555 ABGB. mit ihm zu gleichen Teilen teilen wollen, im Hinblick auf die zitierte Gesetzesstelle die Klägerrolle zuzuteilen ist. Denn, wie gemäß § 555 ABGB. im Zweifel die mehreren Erben zu gleichen Teilen teilen und der, der einen größeren Teil in Anspruch nimmt, sein Recht darauf beweisen muß, muß auch der im Zweifelsfall sein Recht beweisen, der den anderen, mit ihm im Testamente Angeführten ihr Miterbrecht überhaupt abspricht (vgl. GlU. Nr. 247).
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