OGH 1Ob1019/53

OGH1Ob1019/5324.2.1954

SZ 27/45

Normen

HGB §128
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 12
KO §110
HGB §128
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 12
KO §110

 

Spruch:

Der Gesellschaftsgläubiger darf auch im Gesellschafterkonkurse seine ganze Forderung anmelden und festgestellt verlangen. Die Feststellung des Ausfalles im Gesellschaftskonkurs und die endgültige Feststellung des zu leistenden Betrages ist bei der Verteilung der Massen und nicht im Prüfungsprozeß durchzuführen.

Entscheidung vom 24. Feber 1954, 1 Ob 1019/53.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Während das Erstgericht erkannt hat, daß das Klagebegehren, die Forderung des Klägers im Betrage von 35.500 S als Konkursforderung in der dritten Klasse der Gläubiger im Konkurse über das Vermögen der beiden Gemeinschuldner festzustellen, abgewiesen werde, hat das Berufungsgericht infolge der Berufung des Klägers in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Forderung des Klägers von 35.500 S als Konkursforderung im Konkurse der beiden Gemeinschuldner in der dritten Klasse der Konkursgläubiger mit der Maßgabe festgestellt, daß die Befriedigung auf den Ausfall beschränkt bleibe, den der Kläger im Konkurse über das Vermögen der protokollierten Firma Franz H., Chem. Putzerei, Färberei und Wäscherei in I. erleide.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerber nimmt zwar zutreffend gegen die Formulierung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Stellung, wonach es sich in diesem Prozesse darum handle, ob der Kläger als Gesellschaftsgläubiger im Gesellschafterkonkurse derzeit eine Forderung anmelden könne. Aus dem Zusammenhange der Ausführungen des Berufungsgerichtes ergibt sich aber eindeutig, daß das Berufungsgericht seine Entscheidung darauf abgestellt hat, ob der Kläger seine Forderung im Gesellschafterkonkurse mit Erfolg anmelden, also bei der Bestreitung des Masseverwalters deren Feststellung im Prüfungsprozesse mit Recht begehren könne. In dieser Hinsicht ist aber der Beurteilung des Berufungsgerichtes beizupflichten. Gemäß § 128 HGB. haften die Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft den Gläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner persönlich. Der Konkurs der offenen Handelsgesellschaft hat keinen unmittelbaren Einfluß auf diese Haftung der Gesellschafter. Diese Haftung gewinnt gerade ihre volle Bedeutung, wenn infolge des Bankrotts der Gesellschaft aus deren Vermögen eine Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht zu erwarten ist. Die Gesellschafter haften nicht nur ersatzweise, d. h. für den Ausfall, den die Gläubiger im Konkurse der offenen Handelsgesellschaft erleiden. Art. 122 ADHGB., der dies anordnete, ist in das derzeit gültige Handelsgesetzbuch nicht übernommen worden (vgl. Weipert in RGR-komm. z. HGB., 2. Aufl., S. 254, sowie für das früher in Geltung stehende Recht Pisko, Lehrbuch des Österreichischen Handelsrechtes, S. 361, und Pollak in Staub - Pisko, Kommentar, 3. Aufl., S. 512 ff.). In dem Falle aber, der hier gegeben ist, daß außer über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren auch über das Privatvermögen aller Gesellschafter eröffnet ist, können die Gesellschaftsgläubiger im Konkursverfahren über das Privatvermögen der Gesellschafter Befriedigung nur wegen des Ausfalls suchen, den sie im Konkursverfahren über das Gesellschaftsvermögen erlitten haben (Art. 7, Nr. 12 der 4. EVzHGB.). Diese Regelung stimmt mit jener des § 212 der deutschen Konkursordnung überein (vgl. Weipert, a. a. O., S. 254 f.) und findet ihre Ergänzung in der Bestimmung des § 132 Abs. 3 der österreichischen Konkursordnung, die durch die Einführung des Handelsgesetzbuches in Österreich nicht berührt worden ist. Bei der Beurteilung des vorliegenden Problems ist daher auf diese Vorschrift Bedacht zu nehmen. Die Anwendung dieser Bestimmung ist aber in Lehre und Praxis nicht bestritten (vgl. Pollak in Staub - Pisko, 3. Aufl., S. 513, sowie Pollak in Bartsch - Pollak, 3. Aufl., I/S. 594); der Gesellschaftsgläubiger darf auch im Gesellschafterkonkurse seine ganze Forderung anmelden und festgestellt verlangen. Zutreffend weist also der Revisionsgegner darauf hin, daß lediglich ein Problem der Verteilung der einzelnen Massen vorliegt, das im Prüfungsprozesse nicht zu erörtern ist. Die gerügte unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache (§ 503 Z. 4 ZPO.) ist somit nicht gegeben.

Aus diesen Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen.

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