Spruch:
Wenn zur Zeit des Großdeutschen Reiches Wien als Zahlungsort vereinbart wurde, ist das österreichische Währungsrecht maßgebend.
Entscheidung vom 17. Feber 1954, 2 Ob 860/53.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht hat die in Lübeck ansässige beklagte Partei zur Bezahlung des eingeklagten Betrages verurteilt, im wesentlichen mit der Begründung, daß der Beklagte sich konkludent mit den Lieferbedingungen der in Wien wohnhaften klagenden Partei einverstanden erklärt habe, sodaß als Erfüllungsort Wien anzusehen sei und in materiell-rechtlicher Beziehung die inländischen Normen zur Anwendung zu bringen seien.
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichtes bestätigt. Es übernahm die tatsächliche Feststellung, daß die allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin wesentlicher Inhalt der Geschäftsabschlüsse zwischen den Parteien waren, sodaß der Versand der Ware auf Rechnung und Gefahr des Bestellers erfolgte und Erfüllungsort der Zahlung und ordentlicher Gerichtsstand für beide Teile Wien gewesen sei. Zu demselben Ergebnis - so argumentiert das Berufungsgericht weiter - würde man auch bei Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen und zwar sowohl des österreichischen Rechtes als auch der maßgeblichen deutschen Rechtsvorschriften gelangen. Die Klägerin habe ihre Verpflichtung aus den fünf Geschäften mit dem Beklagten erfüllt, mögen auch nur drei Lieferungen bei dem Beklagten eingetroffen und zwei Lieferungen möglicherweise verloren gegangen sein. Der Beklagte sei den eingeklagten Betrag schuldig geworden; der Verlust der Überweisung von 11.021.01 RM treffe den Beklagten. Die Frage, welches Währungsrecht anzuwenden ist, löst das Berufungsgericht dahin, daß die Vereinbarung eines Erfüllungsortes über den Rahmen einer Gerichtsstandsvereinbarung weit hinausgegangen sei und darauf berechnet gewesen sei, Wien nicht nur als Erfüllungsort für die Leistungen der Klägerin und des Beklagten zu bestimmen, sondern überhaupt den Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses nach Wien zu verlegen. Es habe daher österreichisches und nicht deutsches Währungsrecht bei Berechnung des geschuldeten Kaufpreises zur Anwendung zu kommen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht hat die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes, daß die Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin wesentlicher Inhalt der Geschäftsabschlüsse der Parteien waren, übernommen und somit gleich dem Erstgericht festgestellt, daß der Versand der Waren, deren Bezahlung die Klägerin mit der vorliegenden Klage begehrt, vereinbarungsgemäß auf Rechnung und Gefahr des Bestellers erfolgte und daß "Erfüllungsort der Zahlung und ordentlicher Gerichtsstand für beide Teile Wien ist."
An diesem Sachverhalt, der von den Untergerichten auch auf Grund von Zeugenaussagen als erwiesen angenommen wurde, muß im Revisionsverfahren festgehalten werden, nicht nur deshalb, weil als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wird, sondern auch aus dem Gründe, weil die Beweiswürdigung der Untergerichte im Revisionsverfahren der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht überhaupt entzogen ist.
Es ist daher überflüssig, die Frage zu erörtern, was rechtens wäre, wenn weder die Lieferbedingungen der Klägerin noch die Einkaufsbedingungen des Beklagten Vertragsinhalt geworden wären.
Die Vereinbarung über den Erfüllungsort der Zahlung stammt allerdings aus einer Zeit, in der für beide vertragschließenden Teile noch gemeinsames Währungsrecht galt; doch ist die Währungsfrage in der Vereinbarung nicht gesondert behandelt, ihre Lösung ergibt sich nur aus dem vereinbarten Erfüllungsort ("Erfüllungsort der Zahlung ........ ist Wien"). Die gesetzlichen Bestimmungen über den Erfüllungsort waren schon zur Zeit des Zustandekommens der Vereinbarung nicht vollkommen gleich; für die klagende Partei galten die Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, während der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung im Rechtsbereich des Deutschen bürgerlichen Gesetzbuches hatte. Die Grundsätze des internationalen Privatrechtes gelten nicht nur von Staat zu Staat, sondern analog als interlokales oder interprovinziales Privatrecht - mit gewissen Einschränkungen - auch im Verhältnis zwischen Gebieten ein- und desselben Staates, in denen verschiedenes Privatrecht gilt. Möge das Schuldverhältnis zwischen den Streitteilen erst durch den Zerfall des Großdeutschen Reiches im April 1945 zu einem internationalen Schuldverhältnis geworden sein, so war doch die analoge Anwendung der wesentlichsten Grundsätze des internationalen Privatrechtes schon durch die Verschiedenheit der beiden Rechtsgebiete im Zeitpunkt des Zustandekommens der Vereinbarungen gegeben, gleichgültig, ob man bei Lösung der Rechtsfragen im einzelnen zu demselben Ergebnis kommt oder nicht.
Dieser Umstand in Verbindung mit der vom Berufungsgericht auf Grund der allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei zutreffend angenommenen Verlagerung des Schwerpunktes des Rechtsverhältnisses nicht nur in rechtlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht nach Wien, also in das Gebiet von Österreich, rechtfertigt die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß für den gegebenen Fall die Frage, nach welchem Währungsrecht das Schuldverhältnis zu beurteilen ist, entsprechend der ausdrücklichen Vereinbarung nach dem vereinbarten Erfüllungsort der Zahlung zu lösen ist.
Die Verhältnisse in diesem Prozeß sind keineswegs gleichgelagert dem Sachverhalt, den der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 21. Oktober 1919, SZ. I/93, behandelt hat.
Kommt inländisches Währungsrecht zur Anwendung, dann ist es überflüssig zu erörtern, zu welchen Ergebnissen die Anwendung des deutschen Währungsrechtes führen würde.
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